
"Letzte Generation" kritisiert Medien "Vorwürfe, Unwahrheiten und Hetze"
Nach der möglichen Behinderung eines Rettungseinsatzes wächst der Druck auf die Protestgruppe "Letzte Generation". Diese zeigt sich bestürzt über den Unfall - wirft Medien aber auch vor, nicht objektiv zu berichten.
Die Klimaaktivisten der Gruppe "Letzte Generation" kritisieren eine "Welle der Vorwürfe, Unwahrheiten und Hetze" gegen sich. In einem Statement der Gruppe werfen sie privaten und öffentlich-rechtlichen Medien vor, nicht objektiv zu berichten: "Vorher wurde uns neutrale, faktenbasierte Berichterstattung als journalistisches Grundprinzip verkauft. Heute lesen, sehen und hören wir in kaum einem einzigen Medium Berichterstattung nach diesem Prinzip", heißt es in der Pressemitteilung.
Seit Montag breche eine Welle der Vorwürfe, Unwahrheiten und Hetze über die Gruppe hinein. "Wir wussten, dass uns einiges entgegenschlagen wird. Wir wussten, dass wir uns viele Feinde machen würden", heißt es weiter. "Dass ein ganzes Mediensystem sich gegen uns wenden würde, damit haben wir nicht gerechnet."
Viel Kritik nach Unfall in Berlin
Seit Anfang des Jahres blockierten Mitglieder der Gruppe wiederholt Straßen und Autobahnzufahrten, indem sie sich auf dem Asphalt festklebten, um auf die Klimakrise aufmerksam zu machen. Zuletzt klebten sich Aktivistinnen und Aktivisten in mehreren Museen an Kunstwerken fest und schütteten Lebensmittel auf wertvolle Bilder.
Die öffentliche Kritik verschärfte sich nun nach einem Unfall in Berlin, bei dem eine Radfahrerin von einem Betonmischer überfahren und schwer verletzt wurde. Am Donnerstagabend starb die 44-Jährige im Krankenhaus, wie Polizei und Staatsanwaltschaft inzwischen mitteilten. Am Donnerstagmittag war die Frau für hirntot erklärt worden.
Der Rettungseinsatz war möglicherweise durch Klimablockaden behindert worden. Ein Spezialfahrzeug, das helfen sollte, die Verletzte unter dem Lastwagen zu befreien, stand nach Angaben der Feuerwehr in einem Stau, der durch eine Aktion der Gruppe ausgelöst worden sein soll.
"Zeit, eine Grenze zu ziehen"
In dem Statement heißt es zu dem Unfall: "Damit wir uns nicht falsch verstehen: Dass die Radfahrerin im Straßenverkehr verunglückt ist, ist furchtbar. Wir sind bestürzt und in Trauer." Es sei jedoch "an der Zeit, eine Grenze zu ziehen", ergänzt die Gruppe mit Blick auf die Berichterstattung. "Ist es zu fassen, dass eine Medienlandschaft, die sich die Aufklärung der Gesellschaft auf die Fahnen schreibt, eine Situation in dieser Form fiktiv aufbauscht und damit demokratischen Protest in einer Krisensituation delegitimiert?"
Weiter wurde angekündigt, die Proteste fortzusetzen: "Was immer uns als Menschen an öffentlicher Hetze entgegenschlagen mag, wird uns nicht davon abbringen, das einzig moralisch Richtige zu tun: In einer alles entscheidenden Krise nicht zu verharren, sondern loszugehen."
Faeser für entschiedenes Vorgehen
Die Polizei ermittelt inzwischen gegen zwei 63 und 59 Jahre alte Klimaaktivisten wegen unterlassener Hilfeleistung beziehungsweise der Behinderung hilfeleistender Personen. Es müsse - auch mit Sachverständigen - der Zusammenhang zu den Blockaden geprüft werden. Die Feuerwehr geht davon aus, dass sich die Rettung der Frau um mehrere Minuten verzögerte, weil das Spezialfahrzeug im Stau stand. Allerdings sagte ein Feuerwehrsprecher, auch die Bildung einer Rettungsgasse sei am vergangenen Montag angesichts der Größe des Fahrzeugs problematisch gewesen.
Bundesinnenministerin Nancy Faeser hatte gestern mit Blick auf die Ereignisse ein entschiedenes Vorgehen gefordert: "Wenn Straftaten begangen werden und andere Menschen gefährdet werden, ist jede Grenze legitimen Protests überschritten", sagte die SPD-Politikerin. "All das hat mit einer demokratischen Auseinandersetzung überhaupt nichts zu tun." Die Straftäter müssten schnell und konsequent verfolgt werden. Die Gewerkschaft der Polizei (GdP) forderte, ein Verbot der "Letzten Generation" zu prüfen.
Aus Sicht von Bundesjustizminister Marco Buschmann (FDP) wären in bestimmten Fällen auch Gefängnisstrafen für Klimaaktivisten möglich. "Wer Kunstwerke bewirft, kann sich einer Sachbeschädigung strafbar machen. Eine Straßenblockade kann als Nötigung bestraft werden. Und wenn Rettungswagen ausgebremst werden, kommt auch eine Strafbarkeit wegen fahrlässiger Körperverletzung in Betracht" sagte er der "Bild". Gesetze sähen neben Geldstrafen in bestimmten Fällen Freiheitsstrafen vor.