Fragen und Antworten zum Urheberrecht im Netz Leistungsschutzrecht - wen betrifft das?

Stand: 30.08.2012 14:47 Uhr

Nachdem User gegen den früheren Entwurf des Leistungsschutzrechts Sturm gelaufen waren, hat das Bundeskabinett nun eine neue Version beschlossen. Wir erklären, warum das neue Gesetz für Google teuer wird und warum Blogger keine Angst mehr vor einer Abmahnwelle haben müssen.

Worum geht es beim Leistungsschutzrecht für Presseverlage?

Das lässt sich am besten durch ein Beispiel zeigen, auf das das geplante Leistungsschutzrecht für Presseverlage unter anderem abzielt.

Jeder kennt Google News: Es werden Nachrichten auf Internetseiten wie spiegel.de, bild.de, welt.de oder auch tagesschau.de automatisch gesammelt, mit einem Textauszug daraus (so genannten Snippets) dargestellt und verlinkt. Man spricht bei solchen Online-Angeboten von News-Aggregatoren. Google News ist nicht der einzige - ein anderer News-Aggregator ist etwa Yahoo Nachrichten -, aber Google News ist sicher der größte. Kritiker sprechen beim Leistungsschutzrecht daher auch von einer "Lex Google".

Die News-Aggregatoren, so argumentieren Verleger, verdienten Geld mit Werbung. Von diesem Geld wollen die Verlage einen Teil abhaben. Denn die Einnahmen der News-Aggregatoren basierten im Falle nicht auf selbsterbrachten Leistungen, sondern auf der Arbeit der Journalisten, die von den Verlagen bezahlt würden. Ihr Ziel war es daher, entweder eine Übernahme der Inhalte in Online-Angebote zu verbieten oder diese kostenpflichtig zu lizenzieren. Der Geschäftsführer des Deutschen Kulturrats, Olaf Zimmermann, argumentiert: "Google, YouTube und Co. schaffen keine Kunst, sondern verdienen nur daran!"

Gegen die Argumentation der Verlage kann man jedoch einwenden, dass sie auch davon profitieren, dass News-Aggregatoren die Internetnutzer überhaupt erst auf ihre Seiten führen.

Was steht im Gesetzentwurf?

Der Gesetzentwurf sieht eine Änderung des Urheberrechtsgesetztes (UrhG) vor. Demnach wurde ein neuer Abschnitt 7 "Schutz des Presseverlegers" eingefügt. Dieser Abschnitt besteht aus drei zusätzlichen Paragrafen: §87f "Presseverleger", §87g "Übertragbarkeit, Dauer und Schranken des Rechts" sowie §87h "Beteiligungsanspruch des Urhebers". Im Kern besagt es, dass Verlage "ein Jahr" das "ausschließliche Recht" erhalten, ihr "Presseerzeugnis oder Teile hiervon zu gewerblichen Zwecken öffentlich zugänglich zu machen".

Dies war bereits in früheren Gesetzesentwürfen vorgesehen und ist auch im jetzt beschlossenen, 3. Entwurf geblieben. Gegen den früheren Entwurf waren Internetnutzer Sturm gelaufen, weil sie befürchteten, auch Blogger oder Facebook-Nutzer könnten bei Verlinkungen mit Textinhalten zur Kasse gebeten werden. Deshalb wurde im jetzigen Gesetzestext zusätzlich folgender Passus in §87g eingefügt:

(4) Zulässig ist die öffentliche Zugänglichmachung von Presseerzeugnissen oder Teilen hiervon, soweit sie nicht durch gewerbliche Anbieter von Suchmaschinen oder gewerbliche Anbieter von Diensten erfolgt, die Inhalte entsprechend aufbereiten. Im Übrigen gelten die Vorschriften des Teils 1 Abschnitt 6 entsprechend.

Damit ist klar: Blogger, Verbände, Vereine oder sonstige private oder gewerbliche Nutzer müssen auch weiterhin nichts bezahlen, wenn sie auf ihren Homepages journalistische Inhalte verlinken. Die Lizenzgebühren beschränken sich auf Anbieter von Suchmaschinen und ähnliche Dienste, da lediglich ein Schutz vor "systematischen Zugriffen auf die verlegerische Leistung" erforderlich ist, wie es in der neuen Begründung des Gesetzes heißt. Einen Großteil der Lizenzgebühren wird demnach wohl Google bezahlen müssen.

Was hat das mit dem Urheberrecht zu tun?

Da es in Deutschland für Verlage zumindest schwer ist, im Netz Geld zu verdienen, haben Verlagsvertreter das gute, alte Urheberrecht als geeignetes Instrument ausgemacht, um etwas von den Einnahmen abzuschöpfen, die Dritte mit ihren Angeboten erzielen. Das Urheberrecht schützt die Schöpfer immaterieller Güter (künstlerische bzw. geistige Werke) und diejenigen, denen die Rechte daran zum Zwecke des Vertriebs übertragen wurden. Schutz heißt in diesem Fall: Nur wer die Rechte an bestimmten Inhalten besitzt, darf sie auch gewinnbringend vermarkten.

Ähnlich wie jeder beim Kauf eines USB-Sticks, Kopierers oder Scanners seit langem über den Ladenpreis automatisch Abgaben an die Urheber oder die sie vertretenden Verwertungsgesellschaften zahlt (weil die Geräte zur Vervielfältigung und Weitergabe von Inhalten dienen), sollen nun über die Anpassung des Urheberrechts auch die noch kostenlosen Verbreitungswege im Internet mit einer "Maut" belegt werden.

Die Kritiker sehen damit das Wesen des Internets - also den freien Informationsfluss - gefährdet. Und das zu allem Überfluss auch nur deshalb, weil es die Verlage aufgrund ihre Schwerfälligkeit versäumt hätten beziehungsweise heute zu "bequem" dazu seien, neue Vermarktungsstrategien zu entwickeln.

Wer sind die Akteure und wer steht wo?

Zentrale Akteure in der seit mehreren Jahre laufenden politischen Debatte sind auf Seiten der Befürworter der Bundesverband Deutscher Zeitungsverleger (BDZV) und der Verband Deutscher Zeitschriftenverleger (VDZ). Im Grunde sind sie die Stichwortgeber für den Gesetzesvorstoß.

Die Bundesregierung hielt schließlich 2009 in ihrem Koalitionsvertrag fest: "Wir streben (...) die Schaffung eines Leistungsschutzrechts für Presseverlage zur Verbesserung des Schutzes von Presseerzeugnissen im Internet an." Vor allem die FDP sieht sich neben dem Vorwurf der Klientelpolitik zu Gunsten der Verleger der Kritik ausgesetzt, sich auch angesichts zeitweiliger Erfolge der Piratenpartei vorrangig in der Netzpolitik profilieren zu wollen.

Auf der Seite der Gegner haben sich verschiedene Akteure aus unterschiedlichen Bereichen zusammengefunden. Viele davon, darunter Blogger wie Stefan Niggemeier, die Heinrich-Böll-Stiftung oder der Berufsverband freier Journalisten, "Freischreiber", haben sich als Unterstützer der "Initiative gegen ein Leistungsschutzrecht" (IGEL) zusammengefunden. Ansonsten opponieren auch der Branchenverband Bitkom, bei dem auch Google Mitglied ist, oder der Bundesverband der Deutschen Industrie e.V. (BDI). Auch von Vertretern fast aller Parteien gibt es kritische Stimmen - einschließlich des Regierungslagers.

Eine Art Zwischenposition haben die Gewerkschaften DJV und ver.di eingenommen. Im Grundsatz haben sie nichts gegen das Leistungsschutzrecht, sie fordern aber unter anderem eine garantierte "Beteiligung der Urheber/innen an Einnahmen aus dem Leistungsschutzrecht der Verlage im Verhältnis 50:50".

Warum ist das Gesetz so umstritten?

Abgesehen davon, dass die Betroffenen für ihre bisher kostenfreie Praxis auch weiterhin nichts zahlen wollen, basiert ein Großteil des aktuell ausgetragenen Streits schlicht auf Interpretationen des Gesetzes. Oftmals fußen Rede und Gegenreden darauf, was durch die Formulierungen künftig alles möglich sein könnte und was nicht.

Vermutlich werden die Unklarheiten im Einzelnen so lange bestehen bleiben, bis Gerichte erste Musterurteile gefällt und die Formulierungen dadurch mit Leben erfüllt haben. "Dies ist nicht nur normal, sondern geradezu der normale Gang der Dinge in einer gewaltenteiligen Demokratie", meint dazu Christoph Keese, Konzerngeschäftsführer des Axel-Springer-Verlags und Sprecher des Arbeitskreises Leistungsschutzrecht von BDZV und VDZ.

Sicherlich ginge es zu weit, der Bundesregierung zu unterstellen, den Gesetzestext absichtlich so schwammig zu halten. Die Materie ist kompliziert und ein entsprechendes Recht lässt sich laut Juristen nur schwer präzise formulieren. Das liegt unter anderem daran, dass nötige Unterscheidungen nicht leicht zu treffen sind: Etwa, welche suchmaschinenähnliche gewerbliche Anbieter genau künftig Gebühren zahlen sollen.

Google und Co - Wer ist betroffen?

Betroffen sind in erster Linie gewerbliche Anbieter von Suchmaschinen, also Google News, Yahoo etc. Außerdem sollen auch "gewerbliche Anbieter von Diensten (...), die Inhalte entsprechend aufbereiten" zur Kasse gebeten werden. Darunter könnten wiederum News-Aggregatoren wie Virato, Rivva und Nachrichten.de fallen. Diese Formulierung dürfte weiter für Zündstoff sorgen, meint der Sozialdemokrat und Rechtsanwalt Jan Mönikes. Denn der tatsächliche Geltungsbereich der Vorschrift könnte seiner Ansicht nach in der Praxis uferlos werden. Erfasst werden könnten auch Dienste, die in irgendeiner Weise automatisiert kostenlos verbreitete Inhalte auf einer Seite verarbeiten. Betroffen könnten davon beispielsweise auch Zusammenstellungen von RSS-Feeds und Twittermeldungen sein.

Die Bundesregierung betont hingegen in ihrer Begründung, dass das Gesetz nicht auf Dienste angewendet würde, die die verlegerische Leistung auf andere Weise als eine Suchmaschine nutzten. Als Beispiel dient hier ein Nutzer, der "aufgrund eigener Wertung" eine Auswahl von Presseerzeugnissen anzeigt.

Die Ironie bei der Sache: Auch Portale, die zu Presseverlagen gehören, könnten künftig zur Kasse gebeten werden. Nachrichten.de beispielsweise gehört zum Burda-Konzern. Allerdings nur wenn Inhalte von fremden Verlagen verlinkt werden.

Ist das Leistungsschutzrecht überflüssig?

Bereits heute ist klar, dass man als Dritter einen journalistischen Bericht nicht einfach benutzen kann, um damit Geld zu verdienen. Ebenso wie es nicht zulässig ist, einen Kinofilm einfach aufzunehmen und zu vertreiben oder für die öffentliche Vorführung von Musikalben Geld zu nehmen. All das verbietet das Urheberrecht. Klar ist auch, dass man dank der bestehenden Beschränkungen Teile eines Werkes zitieren darf.

Viele Kritiker bezweifeln daher, dass es eines weiteren Schutzes von Presseerzeugnissen bedarf. Vielmehr könnte es sogar so sein, dass eben dieses Zitatrecht durch die Einführung eines Leistungsschutzrechts eingeschränkt würde – etwa wenn Snippets nicht mehr durch das Zitatrecht gedeckt wären.

Außerdem hätten die Verlage die Möglichkeit, sich bei News-Aggregatoren einfach auszulisten. Dann tauchten sie auf deren Portalen auch nicht mehr auf.

Wer profitiert von wem?

Die Grundstruktur des Internets besteht aus der Verlinkung von Seiten. Erst durch Links wird man beim Surfen immer weiter geleitet und gelangt zu den Informationen. Es ist bekannt, dass die Online-Seiten der Verlage viele ihrer Klicks überhaupt erst durch News-Aggregatoren, soziale Netzwerke oder Blogs generieren. Die Verlage wiederum sagen, vielen Nutzern reichten die Informationen aus Snippets schon aus. Während "bloße Links" ihren Zweck erfüllten, verhinderten Textschnippsel, dass Menschen ihre Seiten besuchten.

In diesem Zusammenhang ist eine Aussage von Googles Deutschlandchef Kay Oberbeck interessant, wonach sein Konzern weltweit jede Minute 100.000 Klicks auf Verlagsseiten leite - am Tag wären das 144 Millionen Klicks. Und am Tag vor dem Kabinettstermin wurde die Studie einer Hamburger Beraterfirma bekannt, wonach Googles Suchergebnisse in Deutschland zu 7,5 Prozent auf Inhalte von Medienverlagen im Web zurückgehen.

Welche Rolle spielt die "Gratis-Mentalität" von Internetnutzern ?

Die Frage weist auf ein Problem hinter dem Problem. Mit der Einführung und Etablierung des Internets haben sich Nutzer von Anfang an daran gewöhnt, dass sie Informationen kostenlos erhalten können. Davon wollen sie nicht mehr lassen. Aus Sicht der Verlage steht das jedoch den eigenen wirtschaftlichen Zielen als "Händler" von Informationen und Neuigkeiten entgegen.

Insbesondere Zeitungen und andere "Druck"-Erzeugnisse sind betroffen: Seit Jahren sinken die Auflagen und Werbeeinnahmen brechen weg. Viele Leser wandern ins Internet ab und Unternehmen, die werben wollen, folgen ihnen. Der Profit im Internet reicht nach Aussagen von Verlags- und Gewerkschaftsvertretern trotzdem nicht aus, um den Aufwand für die Herstellung der Angebote zu decken, etwa den Unterhalt der erforderlichen Infrastruktur, die Löhne von Redakteuren, Technikern, Grafikern etc. Wenn Verlage nun versuchen, für den Besuch ihrer Internetseiten Geld zu verlangen, gehen die Nutzer zu anderen Internetseiten. So lange nicht alle mitmachten, funktioniere das Geschäft nicht, heißt es.

Gibt es überhaupt noch eine "Gratis-Mentalität", die den Verkauf journalistischer Produkte blockiert?

Viele winken hier ab. Die Realität sei längst nicht mehr so dramatisch, wie behauptet werde. Es gebe inzwischen durchaus Modelle, wie man mit Journalismus im Internet Geld verdienen könne. Ein Großteil der Nutzer sei längst bereit, für Angebote im Netz zu zahlen - das zeige der Erfolg der Musik- und Videoplattform iTunes.

Für die Zeitungsbranche wird oft auf die britische "Times" verwiesen, wo man seit 2010 fürs Online-Angebot bezahlen muss. Durch diese Bezahlschranken sei zwar die Zahl der Nutzer drastisch gesunken, während im Gegenzug die Zahlen beim weiterhin kostenlosen "Guardian“ deutlich anstiegen. Dennoch verdient die "Times" heute mehr Geld über ihre Online-Seite als vor Einführung des Bezahlmodells. Bei der "Financial Times" gibt es eine gewisse Anzahl von Berichten, die man pro Monat gratis lesen kann, danach erfolgt eine Aufforderung zum Bezahlen. Auch die "New York Times" erzielt mittlerweise vergleichsweise gute Einnahmen. Die "Neue Zürcher Zeitung" hat die Bezahlschranke ab diesem Sommer schrittweise eingeführt. Die längste Erfahrung mit solchen "Paywalls" hat das "Wall Street Journal", das sie bereits Ende der 90er-Jahre eingeführt hat.

Vor diesem Hintergrund stellt sich den Kritikern eines Leistungsschutzrechts für Presseverleger die Frage, ob hier bloß veraltete Geschäftsmodelle konserviert werden sollen, da die Verleger nicht willens oder in der Lage seien, sich auf die Erfordernisse der digitalen Welt einzustellen. Nach dem Motto: Früher wurden auch keine Tageszeitungen kostenlos verteilt.

Wird es eine neue Verwertungsgesellschaft geben?

Im vorliegenden Gesetzentwurf ist ein Lizenzierungssystem durch eine Verwertungsgesellschaft nach Art der GEMA nicht mehr vorgesehen. Anfangs war noch die Rede davon. Das wirft die Frage auf, ob sich Suchmaschinen und ähnliche gewerbliche Anbieter dann an jeden einzelnen Verlag wenden müssen, um mit ihm über die Nutzung von Texten oder Textschnippseln zu verhandeln.

Hat das Ganze etwas mit ACTA zu tun?

Die Vorsitzende des CSU-Netzrates, Dorothee Bär, warnte zwar jüngst: "Das Leistungsschutzrecht droht zum deutschen ACTA zu werden." Direkt hat beides aber nichts miteinander zu tun. Den Vorhaben ist allerdings gemein, dass sie nach offiziellen Angaben Immaterialgüter im Internet besser schützen sollen. Außerdem ähneln sich Teile der jeweils vorgebrachten Kritik.

Das Anti-Counterfeiting-Trade-Agreement, zu Deutsch: "Handelsabkommen zur Abwehr von Fälschungen", ist ein internationaler Vertrag zur Bekämpfung von Urheberrechtsverletzungen. Ausgehandelt wurde er zwischen der EU, den USA und anderen Einzelstaaten. Im Kern geht es darum, Produktpiraterie auch im Internet zu bekämpfen. Dazu sollen alle Dokumente - auch Filme und Musik - international besser geschützt werden. Laut EU kann die Wettbewerbsfähigkeit Europas nur erhalten werden, wenn man sich "auf Innovation, Kreativität, Qualität und Markenexklusivität" verlassen kann.

Zusammenstellung: Thorsten Gerald Schneiders, tagesschau.de