
Reaktionen auf Landtagswahlen Irgendwie vorankommen
Stand: 02.09.2019 21:38 Uhr
Am Tag nach den Landtagswahlen steht CDU und SPD der Schreck über das eigene Abschneiden und den Erfolg der AfD ins Gesicht geschrieben. Führende Vertreter versprechen, Lehren zu ziehen. Die Frage ist nur: welche?
Angela Merkel hatte es oft genug vorgemacht, und so hielt es auch ihre Nachfolgerin als CDU-Chefin: Am Wahlabend erst einmal nichts sagen. Und so schwieg Annegret Kramp-Karrenbauer auch, als aus Brandenburg und Sachsen für die CDU eine erschütternde Nachricht nach der anderen hereinrasselte.
Bis zur obligatorischen Pressekonferenz mit Blumenübergabe an die Spitzenkandidaten mochte Kramp-Karrenbauer aber auch nicht warten, und so begab sich die Christdemokratin ins ARD-Morgenmagazin, um die Abgrenzung ihrer Partei zur AfD zu bekräftigen. Ja, ihre Partei könne bei dieser Haltung bleiben, sagte sie.
Die Frage aber, wie die Partei auf den Erfolg der AfD und auf die erheblichen Stimmenverluste an die Rechtspopulisten reagiert, war damit noch nicht erschöpfend beantwortet; sie wird die Partei absehbar noch länger beschäftigen.
Nach den Landtagswahlen in Brandenburg und Sachsen: Wie weiter mit der Großen Koalition?
tagesthemen 23:05 Uhr, 02.09.2019, Marie von Mallinckrodt, ARD Berlin
Konzepte sind gefragt
Zumal fertige und allseits akzeptierte Konzepte vorerst nicht zur Hand sind, als sei die Partei von dem Zuspruch für die Rechtspopulisten überrascht worden. Schleswig-Holsteins Ministerpräsident Daniel Günther hielt gegenüber der "Welt" fest, jetzt komme es darauf an, "inhaltlich klare Punkte" zu setzen.
Günther erkennt ein Defizit in der Kommunikation mit den Wählern. Die Ansprache, so der Christdemokrat, sei "offenkundig nicht perfekt", es gelinge der CDU nicht, "einen Teil der Menschen in den neuen Bundesländern an uns zu binden".
Warten auf die Grundrente
Doch auch eine bessere Kommunikation setzt - neben der Fähigkeit zum Zuhören - Ideen voraus, die vermittelt werden können. Ein solches Angebot könnte die Grundrente sein - hier forderte Kramp-Karrenbauer eine schnelle Einigung in der Koalition, um dann aber zugleich darauf zu verweisen, dass eine Arbeitsgruppe an der Problematik arbeite, die "in den nächsten Wochen" gewiss eine "wirklich gute, zielführende und vertretbare Lösung" finden werde.
Da immerhin weiß sie sich einig mit Sachsens Ministerpräsident Michael Kretschmer, dessen Gewicht in der Partei durch das Wahlergebnis vom Sonntag deutlich gestiegen ist. Er erinnerte daran, dass die Grundrente den Bürgern versprochen worden sei, und das müsse man auch halten - "je früher, desto besser".
Ob das der CDU Auftrieb in den neuen Bundesländern verschafft? Mike Mohring, der in Thüringen im Oktober die rot-rot-grüne Landesregierung schlagen will, hat dazu schon lange seine eigene Meinung. Mit der Grundrente gewinne man keine Wahlen, man verliere sie aber, wenn sie nicht komme.
Im Brennpunkt sagte Mohring, die Koalition habe sich in ihrem Koalitionsvertrag auf die Einführung der Grundrente verständigt. "Und jetzt reden wir seit eineinhalb Jahren darüber, dass wir das machen wollen und haben es immer noch nicht fertiggebracht." Die Wähler würden Politiker in Verantwortung wählen, weil sie erwarteten, dass diese Mut haben, zu entscheiden und Verantwortung zu übernehmen. "Wenn die Dinge ausbleiben, wenn sie im Ungefähren bleiben und nicht geregelt werden, dann wenden sich die Leute ab und wählen am Ende 'Rote Karte'."
Mike Mohring, Landesvorsitzender CDU Thüringen, zu den Stimmverlusten der CDU
Brennpunkt 20:15 Uhr, 02.09.2019
Die Pläne der SPD
Und dann ist da ja auch noch der Koalitionspartner SPD, der andere Vorstellungen von der Grundrente hat und derzeit wenig Anstalten macht, der CDU entgegenzukommen. Die Sozialdemokraten, für die der Wahlabend ähnlich verlief wie für die CDU, stecken mitten in der Suche nach einer neuen Parteispitze und nach einer Haltung zu Fortsetzung der Großen Koalition - keine gute Voraussetzung für Geschenke an die CDU.
SPD-Generalsekretär Lars Klingbeil gab am Mittag als Marschrichtung an:"Die Union muss sich bewegen", dafür werde die SPD "jetzt Druck machen". Nichts helfe den Menschen so sehr wie konkrete politische Entscheidungen.
Konkret, fassbar, sichtbar - auf diese Strategie will die SPD nun auch im Kampf um die Wähler setzen. Klingbeil versprach, man wolle der AfD mit mehr persönlichen Gesprächen und einem Fokus auf lebensnahe Themen Wähler abspenstig machen. Klingbeil nannte hier den Lehrermangel, die Sichtbarkeit der Polizei, das schnelle Internet und den öffentlichen Nahverkehr.
Vorwärts mit Klima?
Und da wäre da noch das Thema Klimaschutz, das Kramp-Karrenbauer auch verstärkt vorantreiben will. Auch die SPD setzt auf das Thema; Vizekanzler Olaf Scholz forderte "einen großen Wurf" und verknüpfte den Fortbestand der Großen Koalition im Bund indirekt an Fortschritten in der Klimapolitik.
Doch gerade hier offenbart sich das Dilemma von Union und SPD. Einerseits wollen sie, auch unter dem Einfluss der Fridays for Future"-Bewegung, wieder mehr Einsatz für das Klima zeigen. Andererseits wissen beide Parteien, dass sie in Brandenburg und Sachsen unter anderem in den Braunkohlegebieten der Lausitz erheblich Stimmen an die AfD verloren.
In beiden Bundesländern ist zudem die Bildung von Dreierbündnissen mit den Grünen erforderlich, was gerade in der Klimapolitik schmerzhaft Kompromisse erforderlich machen wird. Wovon am Ende wieder die AfD profitieren könnte.
Nicht zur Seite schauen
Kramp-Karrenbauer will darauf vorerst nicht schauen, will "keinen Wahlkampf machen, der angstgetrieben ist von der AfD" oder der "versucht, die Grünen sozusagen zu überholen".
Das sie dabei - zumal nach dem Wahlabend - unter besonderer Beobachtung steht, ist Kramp-Karrenbauer bewusst. Etwas verschwurbelt räumte sie ein, "dass wir über manche Hürden gemeinsam, auch ich persönlich, nicht so elegant sind, wie das hätte sein können".
Reiner Haseloff, CDU-Ministerpräsident Sachsen-Anhalt, zur schweren Aufgabe Wähler zurückzugewinnen
tagesthemen 23:05 Uhr, 02.09.2019
Gegen den Vorwurf, sie trage Mitverantwortung für das schlechte Abschneiden der Partei bei den Landtagswahlen, nahm sie Sachsen-Anhalts Ministerpräsident Rainer Haseloff in Schutz. In den tagesthemen sagte er, das Ergebnis an einzelnen Personen festzumachen, sei "politisch fast verantwortungslos". Die AfD sei vor Jahren in den alten Bundesländern gegründet worden, sie sitze in allen Parlamenten des Landes, die Bundesführung stamme aus dem Westen - hier gehe es um ein gesamtdeutsches Problem.
Deshalb könne man diese Entwicklung nicht an einer Person festmachen, die erst seit wenigen Monaten Vorsitzende ist. Haseloff rief dazu auf, mit dem Wahlergebnis "demütig umzugehen". So wie derzeit könne es nicht weitergehen: "Wenn 40 Prozent der Menschen in Ostdeutschland das demokratische System nicht mehr attraktiv finden, dann ist etwas schiefgelaufen."
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