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Verfassungsschutz zur JA AfD-Jugendorganisation erwiesen rechtsextremistisch

Stand: 26.04.2023 12:00 Uhr

Das Bundesamt für Verfassungsschutz setzt zu einem neuen Schlag gegen die sogenannte Neue Rechte an: Gleich drei Organisationen werden als gesichert rechtsextremistische Bestrebung eingestuft - darunter die Nachwuchsorganisation der AfD.

Ein junger Mann schwitzt beim Training, schlägt mit der Faust in den Boxsack - ein aktuelles Werbefoto der "Jungen Alternative" (JA), der Nachwuchsorganisation der AfD, platziert in den sozialen Medien. "Seid wehrhaft", steht auf dem Bild geschrieben.

Der Begleittext lässt tief blicken, wie konkret das gemeint sein könnte: Die politische Vielfalt stehe über allem, "das Leiden der Einheimischen" sei bloß ein Kollateralschaden einer offenen Gesellschaft. "Wir" müssten uns zusammenschließen, gegenseitig beschützen, um "als deutsche Jugend" nicht im "eigenen Land" unterdrückt zu werden, schreibt die JA - ohne genauer zu erklären, wen sie als "Einheimische" sieht, wer für sie zur "deutschen Jugend" gehört.

Martin Schmidt, ARD Berlin, zur vom Verfassungsschutz als rechtsextremistisch eingestuften "Jungen Alternative"

tagesschau24, 26.04.2023 12:00 Uhr

In der Pressemitteilung des Bundesamtes für Verfassungsschutz zur Einstufung der JA als "gesichert rechtsextremistische Bestrebung" findet man hierzu Antworten: "Die JA propagiert ein völkisches Gesellschaftskonzept, das auf biologistischen Grundannahmen beruht, ein ethnokulturell möglichst homogenes Staatsvolk postuliert", heißt es da. Staatsangehörige mit Migrationshintergrund würden als Deutsche zweiter Klasse abgewertet. Eben dieses Volksverständnis stehe im Widerspruch zum Grundgesetz. 

"Keine Zweifel mehr" an Verfassungsfeindlichkeit

Neben der "Jungen Alternative" wird auch das sogenannte Institut für Staatspolitik (IfS) des neurechten Vordenkers Götz Kubitschek mit Sitz in Schnellroda, Sachsen-Anhalt, sowie die Organisation "Ein Prozent" in Halle (Saale) als gesichert rechtsextremistisch eingestuft. Alle drei Organisationen wurden vom Bundesamt für Verfassungsschutz bisher als rechtsextremistische Verdachtsfälle geführt: die JA seit 2019, IfS und "Ein Prozent" seit 2020.

Seitdem legten die Verfassungsschützer eine umfangreiche Materialsammlung an, um die Verfassungsfeindlichkeit gerichtsfest beweisen zu können. "Die Positionen des Instituts für Staatspolitik, Ein Prozent e.V. und der Jugendorganisation der AfD, Junge Alternative, sind nicht mit dem Grundgesetz vereinbar", erklärte Verfassungsschutzchef Thomas Haldenwang. "Es bestehen keine Zweifel mehr, dass diese drei Personenzusammenschlüsse verfassungsfeindliche Bestrebungen verfolgen. Sie werden deshalb vom BfV als gesichert rechtsextremistische Bestrebungen eingeordnet und bearbeitet." Gegen diese Einstufung können die betroffenen Organisationen vor dem Verwaltungsgericht klagen.

Heraufstufung nicht überraschend

Konkret heißt das, dass der Verfassungsschutz das gesamte nachrichtendienstliche Instrumentarium einsetzen kann, um die Aktivitäten der drei Organisationen zu überwachen. Dazu gehören der Einsatz von V-Leuten, Observationen, Finanzermittlungen, bis hin zum Abhören von Telefonen.

Grundsätzlich war das bisher auch schon möglich, da auch bei sogenannten Verdachtsfällen der Einsatz von nachrichtendienstlichen Mitteln zulässig ist. Allerdings muss grundsätzlich die Verhältnismäßigkeit gewahrt werden, insbesondere bei besonders tiefen Eingriffen, wie Observationen und Maßnahmen zur Telekommunikationsüberwachung. Die Hürden sind bei gesichert extremistischen Bestrebungen niedriger. Die Heraufstufung durch das Bundesamt kommt in allen drei Fällen nicht überraschend.

Höcke ein regelmäßiger Besucher

Tatsächlich fragt man sich insbesondere im Fall des "Instituts für Staatspolitik", warum es bis heute gedauert hat, bis das Bundesamt zu dieser Einschätzung gekommen ist. Der Verfassungsschutz von Sachsen-Anhalt hatte diesen Schritt bereits 2021 vollzogen und attestierte der neurechten Denkfabrik "rassistische und biologistische Sichtweisen".

Das "Institut" besteht seit 2000 und gilt als rechtsintellektuelles Zentrum. Das Who is who der rechtsextremen Szene kommt hier bei Veranstaltungen zusammen, in den hauseigenen Publikationen werden rechte Narrative bedient, wie der angebliche Bevölkerungsaustausch, wonach die politischen Eliten das Ziel verfolgen, den nach rechtsextremistischer Lesart deutschen Teil der Bevölkerung durch Einwanderer zu ersetzen. Der rechtsextremistische AfD-Politiker Björn Höcke gehört zu den regelmäßigen Besuchern.

Der Verein "Ein Prozent" besteht seit 2015, seinerzeit gegründet unter anderem von Kubitschek und Jürgen Elsässer, dem Chef des rechtsextremistischen "Compact-Magazins". Angeführt wird "Ein Prozent" von Philipp Stein, einem Zögling von Kubitschek. Auch diese Organisation der neuen Rechten verfolgt das Ziel, eine Gegenkultur zu etablieren, ist dazu eng verbandelt mit der rechtsextremistischen "Identitären Bewegung".

JA verbreitet das Narrativ vom "Bevölkerungsaustausch"

An der Spitze der "Jungen Alternative" steht seit Oktober 2022 der AfD-Bundestagsabgeordnete Hannes Gnauck. Bereits in seiner Zeit bei der Bundeswehr wurde Gnauck vom Militärischen Abschirmdienst als Rechtsextremist eingestuft, bevor er in den Bundestag einzog. Die Wahl Gnaucks zum JA-Chef galt als weiteres Indiz dafür, dass die AfD-Jugendorganisation konsequent immer weiter nach rechts abdriftete.

Auch die JA verbreitet das Narrativ vom "Bevölkerungsaustausch", hetzt gegen Migranten und vertritt ein völkisches Gesellschaftsmodell. So sprach Gnauck erst kürzlich auf einer AfD-Kundgebung in Prenzlau davon, dass die anderen im Bundestag vertretenen Parteien nicht ruhen würden, "bis jeder Winkel dieses Landes und jedes friedliche Dorf mit illegalen Migranten vollgestopft ist".

Die Gesamtpartei AfD gilt weiterhin als rechtsextremistischer Verdachtsfall. Die AfD hatte gegen diese Einstufung durch das Bundesamt für Verfassungsschutz geklagt, die finale Entscheidung des Oberverwaltungsgerichts Münster dazu steht noch aus.

 

Dieses Thema im Programm: Über dieses Thema berichtete die tagesschau am 26. April 2023 um 12:00 Uhr.