Interview

Interview zur Linkspartei Pragmatiker im Osten - Irrlichter im Westen

Stand: 12.10.2009 16:47 Uhr

Rot-rote und rot-rot-grüne Bündnisse waren auf Landesebene erwartet worden. Doch nur Brandenburg will Rot-Rot: Dort haben bei der Linkspartei die Pragmatiker das Sagen, meint der Politologe Lösche im Gespräch mit tagesschau.de. Im Westen dagegen sei die Partei von Sektierern geprägt.

tagesschau.de: Herr Lösche, warum will im Westen niemand mit der Linkspartei?

Peter Lösche: Die Linkspartei hat bewusst kein Programm aufgestellt, damit es sie nicht zerreißt. Im Westen gibt es Landesverbände in denen Sektierer das Sagen haben - im Gegensatz zu Verbänden wie zum Beispiel in Berlin und Brandenburg: Die gibt es Pragmatiker mit Regierungserfahrung. Die Spannbreite zwischen Alt-68ern, Trotzkisten, alten Gewerkschaftern und ehemaligen PDS-Mitgliedern macht die Linkspartei im Westen nicht koalitionsfähig.

"Revolution statt Macht"

tagesschau.de: Will die Linkspartei vielleicht gar nicht an die Macht?

Lösche: Einige dieser linken Sektierer, dieser irrlichternden Linken, wollen tatsächlich nicht an die Macht, sondern schlicht die Revolution. Die Bedingungen für die Haltung stimmen einfach: Der weltweite Kapitalismus ist in eine Krise geraten.

Zur Person

Peter Lösche war von 1973 bis 2007 Professor für Politikwissenschaft an der Universität Göttingen. Er wurde vor allem durch seine Arbeit auf dem Gebiet der Parteienforschung bekannt. Seit 1957 ist er SPD-Mitglied und setzt sich in seiner Forschung kritisch mit seiner Partei auseinander.

"Lafontaine trägt eine Mitschuld"

tagesschau.de: Welche Rolle spielten die Personen bei den Koalitionsverhandlungen?

Lösche: Natürlich hat auch die Person Lafontaine im Saarland dafür gesorgt, dass es dort keine rot-rot-grüne Landesregierung geben wird. Und das nicht nur deswegen, weil er zurück ins Saarland will, sondern auch schon dadurch, wie der Wahlkampf dort gegen die Grünen geführt worden ist. Persönliche Spannungen standen auch in Thüringen im Vordergrund. Die Chemie zwischen Linken-Spitzenkandidat Ramelow und SPD-Landeschef Matschie hat nicht gestimmt, die können nicht miteinander.

"Jamaika wird funktionieren"

tagesschau.de: Doch wie soll nun eine schwarz-gelb-grüne Jamaika-Koalition im Saarland funktionieren? Sind FDP und Grüne nicht viel zu weit voneinander entfernt?

Lösche: FDP und Grüne sind kulturell verschieden, von ihren Mitgliedern her, aber auch von ihrer Partei-Elite. Trotzdem sind beide inzwischen gutbürgerliche Parteien geworden. Zwar haben die Grünen sicher grundsätzlich Probleme, bei dieser Konstellation ihre Basis mitzunehmen. Im Saarland hat das aber elegant funktioniert. Die Grünen sind keine reine linke Partei mehr. Sie sind eine etablierte links-liberale Partei geworden. So kann eine Koalition auch mit der FDP funktionieren.

tagesschau.de: Wenn Jamaika funktioniert, was wird dann aus den Machtoptionen der SPD?

Lösche: Die SPD muss aus dem alten Lagerdenken heraus. Die Sozialdemokratie darf nicht zu weit nach links gehen, denn es gibt kein reines linkes Lager mehr. Die SPD muss auf Landesebene koalitionsfähig sein - mit allen anderen vier Parteien.

Das Gespräch führte Rike Woelk, tagesschau.de