Interview

Interview mit ARD-Wetterexpertin Silke Hansen "Ein Bach kann plötzlich zum reißenden Strom werden"

Stand: 23.06.2009 16:26 Uhr

Der Deutsche Wetterdienst warnt derzeit vor "extremem Unwetter" im Südosten Bayerns. Regional kann es dabei starke Regenfälle geben, die Bächer und Flüsse über die Ufer treten lassen könnten. Tagesschau.de sprach mit der Leiterin der ARD-Wetterredaktion, Silke Hansen, über das richtige Verhalten in der Unwetterregion.

tagesschau.de: Was genau muss man sich unter "extremem Unwetter" vorstellen?

Zur Person

Silke Hansen leitet die ARD-Wetterredaktion in Frankfurt am Main. Die studierte Geographin präsentiert auch Wettervorhersagen in der Tagesschau und im Nachtmagazin und versorgt die ARD bei größeren Sportveranstaltungen mit Wetterprognosen.

Silke Hansen: In den nächsten 24 Stunden können örtlich mehr als hundert Liter Regen auf den Quadratmeter fallen. Das ist mehr als in Frankfurt am Main oder Hamburg in einem ganzen Monat Juni fällt.

tagesschau.de: Was kann dabei passieren?

Hansen: Wenn so viel Regen innerhalb so kurzer Zeit fällt, hat das natürlich seine Auswirkungen. Straßen können überflutet werden, Bäche und kleinere Flüsse über die Ufer treten, Keller voll laufen. Auch Erdrutsche sind durchaus möglich.

"Risiken unbedingt vermeiden"

tagesschau.de: Was sollten die Anwohner bei einer derartigen Wetterlage unbedingt beachten?

Hansen: Auf jeden Fall die Situation im Auge behalten und keine Dinge tun, die irgendwie riskant sind. Das ist - zugegebenermaßen - manchmal sehr schwer einzuschätzen. Unglücke passieren in solchen Situationen oft, weil Menschen die Situation falsch einschätzen.

tagesschau.de: Was genau meinen Sie?

Hansen: Ein kleiner Bach kann plötzlich ein reißender Strom werden, der einem sofort den Boden unter den Füßen weg zieht. Das Wasser in einer Unterführung kann tiefer sein, als es aussieht. Man bleibt mit dem Auto stehen, von oben strömen weitere Wassermassen nach und man ist im Auto gefangen. Am Wochenende ist in Italien eine Frau in einem Aufzug ertrunken, weil der durch das Wasser erst einen Kurzschluss bekam und dadurch die Türen sich nicht mehr öffnen ließen und dann mit Wasser voll lief.

"Ein bisschen so wie beim Würfeln"

tagesschau.de: Wie häufig sind derartige "extremen Unwetter"? Spüren wir hier schon Folgen des Klimawandels in Deutschland?

Hansen: Solche extremen Unwetter sind sehr selten, aber durchaus möglich. Es ist noch kein Zeichen für einen Klimawandel, wenn am Alpenrand mal innerhalb eines Tages hundert Liter Regen auf den Quadratmeter fallen. Das ist so ein bisschen wie beim Würfeln. Wenn einmal eine sechs fällt, dann ist das schon in Ordnung. Auffällig wird es, wenn mehrmal hintereinander die sechs fällt.

Das Interview führte Marc Schlaphoff, tagesschau.de