Hintergrund

Was im Integrationsgesetz steckt Das wird gefördert und gefordert

Stand: 07.07.2016 20:45 Uhr

Das erste Integrationspaket in der Geschichte der Bundesrepublik soll helfen, Flüchtlinge besser einzugliedern. Es beinhaltet neue Fördermöglichkeiten, aber auch neue Restriktionen. Ein Überblick über die wichtigsten Bestandteile des neuen Gesetzes.

Arbeitsmarkt:

Flüchtlinge sollen "niedrigschwellig" an den deutschen Arbeitsmarkt herangeführt werden. Für Flüchtlinge, deren Asylverfahren noch läuft, sollen 100.000 gemeinnützige Jobs geschaffen werden, ähnlich der Ein-Euro-Jobs für Hartz-IV-Empfänger. Sie sollen allerdings nur 80 Cent in der Stunde erhalten. Die Bundesagentur für Arbeit soll Asylbewerber zu zumutbaren Jobs verpflichten und Leistungen auf Sachleistungen zur Deckung des unmittelbaren Bedarfs reduzieren dürfen, sollten sie Maßnahmen verweigern.

Bisher durften Flüchtlinge nur einen Job annehmen, wenn kein geeigneter Bewerber aus Deutschland oder der EU zur Verfügung steht. Diese Vorrangprüfung soll für drei Jahre ausgesetzt werden, allerdings nur in Regionen mit geringer Arbeitslosigkeit. Asylbewerber sollen künftig außerdem ohne Wartezeit als Leiharbeiter arbeiten dürfen.

Integrationskurse:

Flüchtlinge sollen einen umfangreicheren und früheren Zugang zu Integrationskursen erhalten als bislang, aber auch zur Teilnahme verpflichtet werden können. Verweigern sie sich Integrationsmaßnahmen, können ihnen ebenfalls Sozialleistungen gekürzt werden.

Ausbildung:

Flüchtlinge mit Ausbildungsplatz sollen für die Dauer der Ausbildung einen sicheren Aufenthaltsstatus bekommen. Werden sie danach in ein festes Arbeitsverhältnis übernommen, soll ihr Status für weitere zwei Jahre gesichert sein. Schließt sich keine Beschäftigung an, haben Betroffene ein halbes Jahr Zeit für die Jobsuche - so lange bleibt ihr Aufenthaltsstatus gesichert. Auch für den Fall, dass ein Flüchtling die Ausbildung abbricht, ist ein halbes Jahr Zeit, einen neuen Ausbildungsplatz zu suchen. Steht eine Abschiebung unmittelbar bevor, soll aber keine Duldung zum Zweck der Ausbildung erteilt werden. Wem eine "gute Bleibeperspektive" bescheinigt wird, der soll besser bei der Ausbildung unterstützt werden.

Daueraufenthalt:

Die Niederlassungserlaubnis, auch bekannt als Bleiberecht, soll es künftig erst nach fünf statt bisher nach drei Jahren geben. Flüchtlinge müssen dafür nachweisen, dass sie über hinreichende Sprachkenntnisse (Niveau A2) verfügen und ihren Lebensunterhalt bestreiten können. Nach drei Jahren kann nur noch derjenige Bleiberecht bekommen, der das fortgeschrittene C1-Sprachniveau erreicht und für seinen Unterhalt selbst sorgen kann.

Wohnsitzzuweisung:

Das neue Gesetz sieht eine Wohnsitzauflage vor, die den massenhaften Zuzug in Ballungsgebiete und damit eventuelle Ghettobildungen verhindern soll. Die Länder sollen selbst entscheiden können, ob sie Wohnorte vorschreiben oder den Umzug in bestimmte Städte oder Regionen verbieten. Die Regelung soll auf drei Jahre befristet werden und nicht für Flüchtlinge gelten, für die ein Umzug nötig wird, um einen Job, einen Ausbildungs- oder Studienplatz anzutreten.

Verpflichtungserklärung:

Wenn Flüchtlinge legal zu Angehörigen nach Deutschland kommen wollen, müssen diese versichern, dass sie für Lebensunterhalt und Krankenversicherung der Verwandten aufkommen. Diese Verpflichtungserklärung wird künftig auf fünf Jahre begrenzt. Für Altfälle, beispielsweise aus den Programmen zur Aufnahme syrischer Flüchtlinge, gibt es eine nachträgliche Befristung auf drei Jahre.

Kritik am Integrationspaket:

Am Integrationsgesetz wurde von vielen Seiten Kritik laut: Die Integrationsbeauftragte der Bundesregierung, Aydan Özoguz, bemängelte, dass eine gesetzliche Definition der "guten Bleibeperspektive" fehle, diese aber gleichzeitig das entscheidende Kriterium beim Zugang zu Sprachkursen und Leistungen zur Ausbildungsförderung sei. Die SPD-Politikerin forderte eine genauere Einzelfallprüfung.

Die Linken-Politikerin Sevim Dagdelen sprach bei der ersten Lesung im Bundestag von einem "Integrationsverhinderungsgesetz". Auch Bundesarbeitsministerin Andrea Nahles übte deutliche Kritik: "Wir brauchen endlich ein echtes Integrationsgesetz, kein neues Repressionsgesetz."

Die Flüchtlingsorganisation Pro Asyl bezeichnete das Gesetz insgesamt als "enormen Rückschritt". Dessen Leitmotive seien "Zwang, Sanktionen und Prekarisierung".

Besonders stark kritisiert wurden die Punkte der Wohnsitzzuweisung sowie das Vorhaben, dass Flüchtlinge in gemeinnützigen Jobs nur 80 Cent statt der sonst üblichen 1,05 Euro pro Stunde erhalten sollen.

Dieses Thema im Programm: Über dieses Thema berichtete die tagesschau am 07. Juli 2016 um 20:00 Uhr.