Bundesverfassungsgericht
FAQ

Bayerns Verfassungsschutz Wie viel Überwachung ist erlaubt?

Stand: 26.04.2022 03:54 Uhr

Was darf Bayerns Verfassungsschutz? 2016 hatte die CSU dessen Befugnisse umfassend erweitert. Heute entscheidet das Bundesverfassungsgericht, ob sie dabei zu weit ging.

Von Kerstin Anabah, ARD-Rechtsredaktion

Worum geht es?

Seit 2016 gibt das bayerische Verfassungsschutzgesetz dem dortigen Geheimdienst weitreichende Befugnisse, etwa den Abruf von Vorratsdaten, die langfristige Observation von Personen, die Wohnraumüberwachung oder das Orten von Handys. Aus Sicht der Gesellschaft für Freiheitsrechte sind diese Kompetenzen zu weitreichend, sie will verhindern, dass das bayerische Gesetz bundesweit Nachahmer findet. Deshalb unterstützt die Bürgerrechtsorganisation die Verfassungsbeschwerden von drei Männern.

Wer hat geklagt?

Die drei Kläger gehören Organisationen an, die im bayerischen Verfassungsschutzbericht erwähnt werden. Auf dieser Grundlage gehen sie davon aus, dass sie von einer Überwachung betroffen sein könnten. Die Kläger kritisieren unter anderem, dass es ihrer Ansicht nach zu wenig Schranken für den Verfassungsschutz gibt. Auch kontrolliere keine unabhängige Stelle die verdeckten Überwachungsmaßnahmen. Außerdem gehe der Datenaustausch zwischen Verfassungsschutz und Polizei zu weit, dadurch werde die verfassungsrechtliche Trennung der beiden Behörden aufgeweicht.

Wie ist die Aufteilung zwischen Geheimdienst und Polizei?

Grundsätzlich gilt: Aufgabe der Polizei ist es, Straftaten zu verfolgen und zu verhindern sowie Gefahren für die öffentliche Sicherheit und Ordnung abzuwehren. Dafür darf sie eine Vielzahl von Maßnahmen ergreifen - auch gegenüber einzelnen Personen und im Zweifel zwangsweise.

Der Verfassungsschutz hingegen betreibt "politische Vorfeldaufklärung". Das heißt er sammelt Informationen im Vorfeld und wertet sie aus, etwa über verfassungsfeindliche Bestrebungen. Seine Erkenntnisse gibt er dann an die Politik weiter, damit sie auf dieser Basis Entscheidungen treffen kann. Wegen der unterschiedlichen Aufgaben und Befugnisse darf der Verfassungsschutz seine Daten nicht einfach so an die Polizei übermitteln. Denn die bekäme sonst Informationen, die sie selbst aus verfassungsrechtlichen Gründen nicht erheben darf.

Wie verteidigt Bayern das Gesetz?

Landesinnenminister Joachim Herrmann verteidigte das Gesetz in der Verhandlung im Dezember 2021. Er verwies etwa auf den Terrorismus. So habe man "anlässlich des Falls Amri und zuvor schon in der nachträglichen Beurteilung des NSU Komplexes immer wieder festgestellt, es hat zu wenig gegenseitige Informationen der Sicherheitsbehörden gegeben, das ist auch vom Bundestag und mehren Landesparlamenten immer wieder beanstandet worden". Aus seiner Sicht lasse das Grundgesetz die Weitergabe von Informationen unter bestimmten Bedingungen zu.

Wie verlief die Verhandlung?

Die aufgeworfenen Fragen, so Gerichtspräsident Stephan Harbarth, bewegten sich "im Spannungsfeld zweier zentraler Ideen des Grundgesetzes: der wehrhaften Demokratie und des Schutzes individueller Freiheitsrechte". Die Verfassungsrichter müssen nun also abwägen und Maßstäbe finden.

In der Verhandlung stellten die Richterinnen und Richter viele kritische Fragen. Daraus lässt sich schließen, dass sie zumindest Zweifel haben dürften, ob die rechtlichen Hürden für die Überwachung und die Übermittlung von Daten im bayerischen Verfassungsschutzgesetz hoch genug sind. Wichtig: Die Leitlinien des Urteils dürften auf die Gesetze aller anderen Bundesländer und des Bundes übertragbar sein. Das Urteil soll am Vormittag fallen.

Gudula Geuther, DLF, 26.04.2022 05:56 Uhr

Dieses Thema im Programm: Über dieses Thema berichtete die tagesschau am 14. Dezember 2021 um 12:00 Uhr.