Frank-Walter Steinmeier
Analyse

Steinmeiers Reisen Der Neben-Außenminister

Stand: 16.02.2023 13:13 Uhr

Bundespräsident Steinmeier war in den vergangenen Monaten häufig auf Reisen. In der Außenpolitik gibt es zwischen Kanzleramt und Schloss Bellevue offenbar mehr Harmonie als mit dem Auswärtigen Amt.

Eine Analyse von Evi Seibert, ARD Berlin

Den Jahrestag seiner Wiederwahl verbringt Frank-Walter Steinmeier in zwölftausend Metern Höhe. Der Bundespräsident ist unterwegs nach Kambodscha - im nagelneuen Regierungsflieger. Auf den hat er das Erst-Zugriffsrecht, als erster Mann im Staat. Steinmeiers Reisepläne haben also Vorrang vor denen der Regierung - und Steinmeier reist gerade viel und weit. Dreimal innerhalb weniger Monate in unterschiedliche Länder in Asien. An Silvester war er außerdem in Brasilien, um den neuen Präsidenten Lula da Silva zu beglückwünschen.

Wenn man hört, wie Steinmeier diese Reisen begründet, klingt er fast ein bisschen wie ein Neben-Außenminister. Deutschland dürfe sich nicht mehr einseitig wirtschaftlich und energiepolitisch abhängig machen, die Länder des globalen Südens dürften nicht nur China und Russland als Einflusssphäre überlassen werden. Deswegen grast Steinmeier nun die Nachbarstaaten Chinas ab. Zusammen mit Wirtschaftsfachleuten in seiner Delegation wirbt er für Deutschland als Partner.

Die Reisen sind mit dem Kanzler abgesprochen. Nicht nur, weil die Flugzeuge disponiert werden müssen - in der Außenpolitik herrscht zwischen Kanzleramt und Schloss Bellevue offenbar gerade mehr Harmonie als mit dem eigentlichen Außenministerium.

Verlorener Respekt

Das war nicht immer so in diesen vergangenen zwölf Monaten. Als Steinmeier im Oktober seine großangekündigte Grundsatzrede hielt, glänzten der Kanzler und seine Regierungsmannschaft durch Abwesenheit. Als einziger Politiker aus der ersten Reihe war CDU-Chef Friedrich Merz präsent und legte prompt den Finger in die Wunde: Das sei respektlos gegenüber dem Bundespräsidenten.

Tatsächlich musste Steinmeier zu der Zeit viel um verlorenen Respekt kämpfen. Der Angriff Russlands auf die Ukraine brachte schon wenige Tage nach seiner Wiederwahl seine Rolle als früherer Außenminister und Kanzleramtschef in die Schlagzeilen. Er musste Fehler zugeben bei seiner damaligen Einschätzung Putins und beim Festhalten an der deutsch-russischen Pipeline Nordstream 2. Das deutsche Staatsoberhaupt wurde von Kiew ausgeladen und der damalige Botschafter der Ukraine, Andrej Melnyk, beschimpfte ihn als Netzwerker in einem russischen Spinnennetz.

Seine damalige Politik wurde mitverantwortlich gemacht für die hohen Energiepreise durch den Kriegsausbruch, die Boulevardpresse fuhr sogar die Breitseite: Steinmeier sei eine Fehlbesetzung im Schloss Bellevue.

Frank-Walter Steinmeier bei einer Pressekonferenz in Warschau.

Die Ukraine bestreitet, Bundespräsident Steinmeier ausgeladen zu haben. mehr

Er kann gut zuhören

Man kann annehmen, dass diese Monate zu den unerfreulichsten des Bundespräsidenten gehören. Vor allem, weil er sich seine zweite Amtszeit ganz anders vorgestellt hatte: Er wollte versöhnen, die Wunden heilen, die Corona in der Gesellschaft hinterlassen hat. Stattdessen kamen neue Wunden hinzu, auch bei ihm selbst. Nicht ganz unverschuldet, aber wer ihn damals sah, erlebte einen mit sich und der Öffentlichkeit hadernden Steinmeier.

Im Schloss Bellevue wurde es einsam um den Präsidenten. Also machte er sich auf ins Land: Tageweise verlegte Steinmeier seinen Amtssitz in die Provinz, um seinen Landsleuten zuzuhören: Alten, Jungen, Rechten, Linken, Corona-Leugnern und Impfbefürwortern - im Westen, aber vor allem im Osten des Landes. Einhelliges Urteil: Der Präsident kann gut zuhören, hält dagegen, wenn ihm was nicht passt und ist der oberste Verfechter der Demokratie.

Steinmeier hielt auch ein paar recht gute Reden, aber die gingen ebenso wie die Landpartien in der aktuellen Krisensituation unter. Der Bundespräsident fing irgendwann sogar an, sich und seine eigenen Reden zu zitieren, inklusive Datum, als ob er sich selbst vergewissern müsste, dass er tatsächlich relevante Dinge sagt.

Frank-Walter Steinmeier

Jeder und jede müsse sich einsetzen und die Demokratie schützen, so Bundespräsident Steinmeier. mehr

Die negativen Schlagzeilen lassen nach

Steinmeier sieht die Bilanz dieses ersten Jahres so: In harten Zeiten wie diesen ist die Rolle des Bundespräsidenten umso wichtiger, um Orientierung zu geben. Seine vielen Jahre in der Politik machten ihn zuversichtlich, dass wir auch diese Krise überwinden würden, sagt er. Persönlicher will er nicht werden.

Die negativen Schlagzeilen über den Ex-Außenminister haben inzwischen nachgelassen. Und auch Kiew hat irgendwann eingelenkt und Steinmeier eingeladen, das kriegsgeplagte Land zu besuchen und seine Unterstützung zu zeigen. Nun versucht der Bundespräsident, die positiven Seiten seiner außenpolitischen Vergangenheit für Deutschland einzubringen. Deutschland braucht neue Partner und Steinmeier hat noch immer gute Kontakte in der ganzen Welt. Und jetzt einen vollen Flugplan.

Dieses Thema im Programm: Über dieses Thema berichtete tagesschau24 am 15. Februar 2023 um 15:00 Uhr.