Bargeld  | picture alliance/dpa
FAQ

Bundesfinanzhof Ist der Soli noch verfassungsgemäß?

Stand: 17.01.2023 06:19 Uhr

Der Solidaritätszuschlag beschäftigt nicht nur die Politik, sondern auch die Justiz. Der Bundesfinanzhof verhandelt nun, ob die Erhebung des Soli seit dem Jahr 2020 noch verfassungsgemäß ist.

Von Wolfram Schrag, BR

Worum geht es in dem Streit?

In dem Verfahren vor dem Bundesfinanzhof, dem obersten Gericht in Steuerfragen, geht es um die Frage, ob der Solidaritätszuschlag für den Zeitraum ab dem Jahr 2020 verfassungswidrig ist. Sollte dies der Fall sein, würde dem Fiskus ein Steueraufkommen von rund elf Milliarden Euro pro Jahr verloren gehen.

Die Kläger, ein Ehepaar, müssen den Solidaritätszuschlag entrichten. Sie sind aber der Auffassung, dem Solidaritätszuschlag fehle zwischenzeitlich die Rechtsgrundlage. Diese Ergänzungsabgabe sei zur Finanzierung der deutschen Einheit erhoben worden. Spätestens mit dem Auslaufen des Solidarpaktes II ab Ende 2019 sei diese nicht mehr gegeben gewesen. Die ursprünglich verfassungsgemäß erhobene Abgabe sei damit verfassungswidrig.

Außerdem sind die Kläger der Ansicht, der sogenannte Soli in der jetzigen Form verletze auch ihre Grundrechte. Er verstoße gegen den Gleichheitssatz, da er nur noch wenige Steuerpflichtige betreffe und eine "Reichensteuer" sei. Der Bund der Steuerzahler unterstützt die Kläger in diesem Musterverfahren.

Warum wurde der Solidaritätszuschlag erhoben?

Bereits 1991 wurde der Soli als eine Ergänzungsabgabe zur Einkommen- und Körperschaftsteuer eingeführt. Damit sollten außergewöhnliche Belastungen für den Staat infolge der deutschen Wiedervereinigung abgefedert werden. Dieser lief schon Mitte 1992 aus. Der zweite Solidaritätszuschlag, wie er auch heute noch gilt, wurde 1995 eingeführt. Mit dessen Hilfe sollte die deutsche Einheit von allen Bürgerinnen und Bürgern solidarisch finanziert werden.

Und so mussten grundsätzlich alle Bürgerinnen und Bürger den Soli entrichten - im Jahr 2019 war das ab einem jährlichen Einkommen von 14.285 Euro der Fall, bei gemeinsamer Veranlagung ab 28.569 Euro. Neben dem Soli gab es weitere finanzpolitische Maßnahmen, um die ostdeutschen Länder von den Kosten der Wiedervereinigung zu entlasten, so den Solidarpakt I und den Solidarpakt II. Diese waren Ende 2019 abgeschlossen.

Wie wurde der Solidaritätszuschlag zur "Reichensteuer"?

Die Bundesregierung wollte den Solidaritätszuschlag nicht aufgeben. Und so entschied sie 2020 den Soli zu erhalten. Allerdings sollten aus sozialen und konjunkturellen Gründen 90 Prozent der Steuerpflichtigen von der Abgabenpflicht entlastet werden. Seit dem Jahr 2021 wird der Solidaritätszuschlag erst erhoben, wenn Steuerpflichtige mehr als 16.956 Euro bzw. Zusammenveranlagte mehr als 33.912 Euro Lohn- oder Einkommenssteuer zahlen. Umgekehrt heißt das, dass Jahreseinkünfte bis 62.603 Euro bzw. 125.206 Euro vom Soli ausgenommen sind. Weiterhin mit dem vollen Solidaritätszuschlag werden Einkünfte aus Kapitalvermögen und Kapitalgesellschaften belastet. Für diese gibt es keine Entlastung.

Begründet wurde die Fortführung damit, dass es weiter eine besondere Finanzlast in Folge der Wiedervereinigung gäbe, zum Beispiel bei der Rentenversicherung oder beim Arbeitsmarkt. Nahm der Fiskus vor der Änderung im Jahr 2020 rund 19 Milliarden Euro ein, so sank das Aufkommen im Jahr 2021 auf rund elf Milliarden Euro.

Wie wird der Solidaritätszuschlag bewertet?

Der Bundesfinanzhof hatte schon 2005, 2007 und 2011 über den Solidaritätszuschlag zu befinden. In allen Fällen machte er geltend, dass ein erhöhter Finanzbedarf wegen der Kosten der Wiedervereinigung bestehe. Deshalb sei er verfassungskonform, er wies aber darauf hin, dass sich dies für künftige Jahre ändern könne.

Innerhalb der Bundesregierung gibt es unterschiedliche Ansichten. Dies zeigt sich am Verhalten des Bundesfinanzministeriums. Ursprünglich wollte das Bundesfinanzministerium den Solidaritätszuschlag in der Verhandlung vor dem BFH verteidigen. Doch in der vergangenen Woche kam der Rückzieher. Nun wird niemand aus dem Finanzministerium auftreten. Es ist bekannt, dass sich Bundesfinanzminister und FDP-Chef Christian Lindner für eine Abschaffung des Soli einsetzt.

Christian Lindner | dpa

Finanzminister Lindner oder Vertreter seines Ministeriums werden nicht an der Verhandlung teilnehmen. Bild: dpa

Welche Entscheidung des Bundesfinanzhofs ist zu erwarten?

Ist der BFH der Ansicht, die Regelungen zum Solidaritätszuschlag sind verfassungswidrig, wird er das Verfahren aussetzen und dem Bundesverfassungsgericht vorlegen. Nur dieses ist befugt, die Verfassungsgemäßheit von Gesetzen zu beschließen. Sollten die Karlsruher Richter das Gesetz ab 2020 für nichtig erklären, wären alle Soliabgaben seit 2021 vom Fiskus zurückzuzahlen. Würde das Bundesverfassungsgericht die Solidaritätsabgabe lediglich für unvereinbar mit dem Grundgesetz erklären, müsste Karlsruhe einen eigenen Stichtag für die Zukunft setzen.

Würde der BFH entscheiden, dass der Solidaritätszuschlag nicht gegen das Grundgesetz verstößt, müsste er die Klage abweisen. In diesem Fall ist aber damit zu rechnen, dass die Kläger selbst Verfassungsbeschwerden einreichen. So oder so, das Verfahren vor dem Bundesfinanzhof ist nur eine Etappe bei der Klärung der Frage, ob der Soli verfassungsgemäß ist oder nicht. Eine Entscheidung soll am Dienstag in München noch nicht fallen. Sie wird voraussichtlich Ende Januar verkündet.

Über dieses Thema berichtete die tagesschau am 17. Januar 2023 um 09:00 Uhr.