Ein Soldat der Bundeswehr steht am Flughafen nahe des Stützpunktes im Norden Malis.
Hintergrund

Außenpolitik und Ampel Erstaunlich viel Konfliktpotenzial

Stand: 13.10.2021 11:25 Uhr

Im Wahlkampf spielte die Außen- und Sicherheitspolitik noch eine Nebenrolle. Doch hier stehen wichtige Entscheidungen an - und bei vielem liegen SPD, Grüne und FDP weit auseinander. Wo liegen die Probleme?

Von Kai Küstner, ARD Berlin

Die US-Atomwaffen

Die nächste Bundesregierung muss sich beim Streitthema "nukleare Teilhabe" festlegen. Teilhabe heißt: Im Rahmen des nuklearen Schutzschirms stellen die US-Amerikaner die Waffen. Doch im Ernstfall sollen sie Bundeswehr-Flugzeuge ins Ziel bringen. Nun aber muss der altersschwache Tornado-Jet, der diese Aufgabe bislang übernommen hätte, ersetzt werden.

Die Entscheidung darüber, ob auch der Nachfolger mit Atomraketen bestückbar sein soll, hat die SPD zuletzt blockiert. Ihr Wahlprogramm zur nuklearen Abschreckung ist eher wolkig. Nun wird sie Farbe bekennen müssen. Grün und Gelb liegen bei der nuklearen Abschreckung überhaupt nicht auf einer Linie: Die FDP bekennt sich klar dazu, die Grünen wollen Atomwaffen - auch die in Deutschland lagernden - loswerden. Allerdings erkennen sie an, dass dies nur in Zwischenschritten möglich sein wird. Das lässt Raum für Kompromisse, die Hürden sind aber hoch.

Bewaffnete Drohnen

Auch hier blockierten die in dieser Frage gespaltenen Sozialdemokraten in den GroKo-Jahren, erklärten, das Thema sei noch nicht ausreichend diskutiert. Weitere vier Jahre wird sich das kaum durchhalten lassen. Die FDP hält die Drohnen-Bewaffnung zum Schutz der Soldaten für dringend notwendig. Die Grünen hatten dies gegen heftigen Widerstand ihrer Basis erstmalig in ihrem Wahlprogramm nicht ausdrücklich ausgeschlossen.

Sie wollen nur die Einsatzszenarien klar umrissen wissen. So gewagt die Prognose auch klingen mag: Die Drohnen-Bewaffnung dürfte kommen. Schon, damit sich die SPD nicht den Zorn der Bundeswehr zuzieht. Doch Widerstand dürfte es nicht nur bei den Sozialdemokraten, sondern auch bei den Grünen geben.

Der Bundeswehr-Einsatz in Mali

Wann genau ist der Punkt erreicht, an dem man bei einem Auslandseinsatz den Notausgang nimmt? Diese Frage bietet Spaltpotenzial für jede Koalition, erst recht für eine Ampel. Im kommenden Jahr stehen die beiden Bundeswehrmissionen in Mali zur Verlängerung an. Jüngste Berichte über eine mögliche Zusammenarbeit der Putschisten-Regierung in dem Sahel-Land mit russischen Söldnern haben die Diskussion nochmal angeheizt.

Ohnehin betrachtet die Politik sämtliche Auslandseinsätze der Bundeswehr nach den Afghanistan-Erfahrungen derzeit durchs Vergrößerungsglas. Auch wenn es eine sozialdemokratisch-grüne Regierung war, die den Afghanistan-Einsatz 2001 beschloss (und zuvor auch schon den im Kosovo): Beide Parteien haben eine durchaus pazifistische Basis, die ein Weiter-so nicht kampflos hinnehmen wird. Apropos Afghanistan: Werden FDP und Grüne, die zur Aufarbeitung vehement einen parlamentarischen Untersuchungsausschuss forderten, diesen auch weiterhin wollen, wenn sie mitregieren?

Die Geopolitik

Wie hart oder sanft sollte Deutschland Russland oder China anpacken? SPD und Grüne trennen in dieser Frage Welten: Niemand hat die deutsch-russische Nord-Stream-2-Pipeline vehementer verteidigt als die Sozialdemokraten. Die Grünen wollten sie stoppen. Auch im Umgang mit China wollen die Grünen eine härtere Gangart. Sie finden, es werde zu sehr auf Wirtschaftsinteressen, zu wenig auf Menschenrechte geschaut. Die FDP ist in beiden Fragen näher an Grün als an Rot.

Zwischenfazit: Die sich in der Sicherheitspolitik auftürmenden Hürden werden völlig unterschätzt. Dass man so selten darüber spricht, bedeutet nicht, dass sie nicht da sind. Die Sicherheitspolitik betreffend ist nur eins sicher: Dass nichts sicher ist.

Europa und die NATO

Auch eine regierende Ampel-Koalition dürfte regelmäßig grünes Licht für eine Steigerung der Ausgaben für die Bundeswehr geben. Aber: Zum so viel diskutierten (und von Deutschland mitgetragenen) Zwei-Prozent-Ziel der NATO bekennt sich nur die FDP. Die Grünen sind dagegen. Die SPD ist auch nicht dafür, lehnte es in ihrem Wahlprogramm aber nicht mehr ganz so rigoros ab wie in der Vergangenheit. Hier sind interessante Debatten also programmiert.

Genau wie beim Thema Europa: Mag man bei der Verteidigung und dem Ziel einer Stärkung der EU-Verteidigung irgendwie zueinander finden, könnte es bei einem anderen Kernthema krachen: Nämlich bei der Frage, ob die EU-Staaten gemeinsame Schulden aufnehmen dürfen, wie beim Corona-Hilfsfonds geschehen. SPD und Grüne wollen, dass dieser Fonds keine Einmalaktion bleibt. Die FDP lehnt die Schuldenunion, wie es im Wahlprogramm heißt, ab. Die EU war übrigens 2017 in den letzten Stunden der Jamaika-Verhandlungen einer jener Streitpunkte, an denen die Gespräche damals scheiterten.

Das mögliche Personal

Eigentlich ist es zu früh, darüber zu spekulieren. Weil ja noch nicht einmal klar ist, wer welches Ministerium erhält, sollte es zu einer Ampel kommen. Über Annalena Baerbock von den Grünen oder auch Alexander Graf Lambsdorff von der FDP als mögliche Außenminister wird ebenso getuschelt wie über FDP-Politikerin Marie-Agnes Strack-Zimmermann für das Verteidigungsressort - sollte sich nicht doch die SPD für dieses Ministerium interessieren. Doch eine eiserne Verhandler-Regel lautet: Erst die Inhalte, dann das Personal. Gesetzt ist also bislang niemand. 

Dieses Thema im Programm: Über dieses Thema berichtete NDR Info am 13. Oktober 2021 um 12:05 Uhr.