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Regierungsbefragung "Der Stillstand ist endgültig beendet"

Stand: 29.03.2023 15:46 Uhr

Mehr Tempo versprach Kanzler Scholz bei einer Befragung im Bundestag - und sparte nicht mit Eigenlob. Die jüngsten Beschlüsse der Ampel würden Jahrzehnte des Stillstands beenden. Der Opposition sind viele der Pläne zu vage.

Bundeskanzler Olaf Scholz hat seine Regierungserklärung mit einem Versprechen begonnen: Es gehe künftig schneller voran in Deutschland. "Der Jahrzehnte lange Stillstand, den wir konservativer Politik zu verdanken haben, ist endgültig beendet."

Durch die Ampelbeschlüsse, auf die sich die Parteispitzen in einem 30-stündigen Ausschuss geeinigt hatten, werde ermöglicht, dass Infrastrukturprojekte und Anlagen der Erneuerbaren Energien rasch gebaut werden könnten, sagte der SPD-Politiker im Bundestag. "Damit das alles gelingt, brauchen wir ein Deutschlandtempo."

Einordnung von Christoph Mestmacher, ARD Berlin, zur Regierungsbefragung mit Kanzler Scholz

tagesschau24 15:00 Uhr

E-Ladesäule an jeder Tankstelle

Darunter versteht Kanzler Scholz seinen Worten zufolge vor allem den Ausbau der Infrastruktur. Deutschland sei auf ein funktionierendes Verkehrsnetz angewiesen. Marode Brücken, Straßen und auch ausgewählte Autobahnen sollen deshalb schneller und unkomplizierter erneuert werden können.

Tempo machen will der SPD-Politiker auch beim Ausbau von Solar- und Windanlagen sowie bei der Elektromobilität. Bis zum Ende des Jahrzehnts sollen 15 Millionen elektrische Fahrzeuge auf den deutschen Straßen unterwegs sein, versprach Scholz. Dafür möchte er den Ausbau der Infrastruktur von Ladesäulen voranbringen. An jeder Tankstelle werde es künftig die Möglichkeit geben, E-Autos aufzuladen.

Mehr Menschen in Arbeit bringen

Um wachsenden Wohlstand zu gewährleisten, "müssen wir all das mobilisieren, was in unserer Volkswirtschaft steckt." Mehr Menschen müssten in die Erwerbsarbeit gebracht werden. Junge Menschen sollten noch stärker qualifiziert werden und auch Eltern werde es künftig leichter gemacht, arbeiten zu gehen.

Die Koalition habe zudem das modernste Fachkräfteeinwanderungsgesetz verabschiedet, mit dem Deutschland "ganz vorne dabei sein kann" und das sich international sehen lassen könne.

Kritik an der Reform des Klimaschutzgesetzes

Vor allem die Union reagierte verhalten auf das Eigenlob des Kanzlers. Andreas Jung von der CDU kritisierte, dass Scholz das Klimaschutzgesetz nicht angesprochen habe. Verbindliche Jahresziele würden nun abgeschafft, so der klima- und energiepolitische Sprecher der CDU/CSU-Fraktion.

Bis 2045 solle Deutschland CO2-neutral sein, erwiderte der Bundeskanzler. Um das zu erreichen, werde jedes Jahr geguckt, ob das jeweilige Ziel auch erreicht werden könne. Alle zwei Jahre werde geschaut, ob "wir nachsteuern müssen", so Scholz. Die Idee von linearen Fortschreibungen, wie sie bislang im Klimaschutzgesetz festgehalten worden waren, funktioniere nicht.

Es werde Veränderungen und wellenartige Entwicklungen geben. Die Angebote müssten daran - auch mit Blick auf mögliche neue Technologien - angepasst werden. "Ich warne davor, den Bürokratismus weiter fortzusetzen", sagte der Kanzler. Es werde lebensnah alles gemacht, um die Klimaziele zu den jeweiligen Zeitpunkten zu erreichen.

Mehrere Naturschutzverbände hatten sich nach dem Koalitionsausschuss alarmiert gezeigt. Sie kritisierten unter anderem die 144 beschleunigten Autobahnvorhaben und die Aufweichung von Sektorzielen. So kann die Überschreitung der Grenzwerte für Treibhausgase in einem Sektor durch die Unterschreitung der Werte eines anderen Sektors ausgeglichen werden.

Koalitionsbeschlüsse stoßen auf teils heftige Kritik

Michael Hertle, ARD Berlin, tagesschau, 29.03.2023 15:00 Uhr

AfD kritisiert fehlende Klarheit bei Gasheizungen

Scharf kritisierte die AfD die Pläne zum Tausch von Öl- und Gasheizungen. In der Erklärung zu den Ampelbeschlüssen finde sich dazu nur "eine halbe Seite mit Worthülsen". Die Menschen könnten sich nicht darauf einstellen, was komme.

"Wir wissen genau, was wir tun wollen", entgegnete Bundeskanzler Scholz. Es gehe darum, möglichst flexible und individuelle Lösungen zu finden. In der Sachfrage habe sich die Ampel bereits geeinigt, weswegen im Koalitionsausschuss keine größeren Diskussionen nötig gewesen seien. Wenn sich Bürger bei der AfD meldeten, könne ihnen ausgerichtet werden: "Der Kanzler macht das ordentlich." Niemand werde alleingelassen.

Gesetzentwurf zum Heizungsumbau im April

Im April werde ein Gesetzentwurf zur Förderung des Heizungsumbaus in Wohnungen vorlegt. Man könne auch eine Gasheizung nutzen, wenn diese später mit Wasserstoff betrieben werden könne.

Die Ampel hatte bereits angekündigt, dass der Entwurf auch soziale Förderungen beim Heizungsbau vorsehe. Konkrete Angaben, wie die Förderung und eine Ausnahme für bestimmte Menschen aussehen sollen, werde es allerdings erst in den nächsten Wochen geben, erklärte Bauministerin Klara Geywitz.

"Es gibt einen großen Reformstau in Deutschland"

Angegriffen wurde Kanzler Scholz auch für die fehlende Klarheit beim Thema Kindergrundsicherung. Auf 16 Seiten Ergebnisprotokoll tauche diese an keiner einzigen Stelle auf, bemängelte die CDU.

"Es gibt einen großen Reformstau in Deutschland", sagte Scholz und betonte, dass die substanzielle Entscheidung bereits getroffen sei und verwies auch auf die bereits erfolgte Anhebung des Kindergelds und des Kinderzuschlags.

"Wir wissen zum Beispiel von dem Kinderzuschlag, dass der nur zu knapp 30 Prozent genutzt wird - und das ist bitter, wenn man weiß, dass es um Familien geht, die wirklich arm sind, obwohl ein Elternteil oder beide Elternteile arbeiten", fügte der Kanzler hinzu. "Das wollen wir und das werden wir ändern." Die Grundsicherung solle deshalb möglichst unbürokratisch sein.

Sozialverbände hatten zuvor kritisiert, dass die Ampelparteien nach ihrem Koalitionsausschuss keinerlei Aussagen zur Zukunft der Kindergrundsicherung getroffen haben. "Die 'Ampel' vertagt die Zukunft der Kinder auf den Sankt Nimmerleinstag", erklärte der Präsident des Kinderschutzbundes, Heinz Hilgers. Die Einführung der Kindergrundsicherung, mit der bestehende familienpolitische Leistungen zusammengeführt und ausgebaut werden sollen, brauche einen längeren zeitlichen Vorlauf, mahnte er.

Kai Küstner, Kai Küstner, ARD Berlin, 29.03.2023 08:01 Uhr

Dieses Thema im Programm: Über dieses Thema berichtete die tagesschau am 29. März 2023 um 09:00 Uhr.