
Scholz zu Verteidigungsminister Pistorius Jemand, "der mit der Truppe kann"
Erfahrungen, Ruhe und Kraft bringe der neue Verteidigungsminister Pistorius mit. Deshalb habe er sich für ihn entschieden, begründete Kanzler Scholz. Pistorius selbst versprach Reformen, die er gemeinsam mit den Soldatinnen und Soldaten umsetzen wolle.
Tagelang ließ sich Olaf Scholz Zeit - heute hat der Bundeskanzler Niedersachsens Innenminister Boris Pistorius als neuen Verteidigungsminister vorgestellt. In einem Statement sagte Scholz: "Boris Pistorius ist nicht nur ein Freund und guter Politiker, sondern er verfügt auch über sehr, sehr viele Erfahrungen in der Sicherheitspolitik." Er habe schon in seiner bisherigen Funktion sehr offen und eng mit der Bundeswehr zusammengearbeitet. Zudem besitze der Niedersachse die nötige Kraft und Ruhe, die man angesichts der Zeitenwende brauche.
Scholz sagte weiter, er sei davon überzeugt, dass die Bundeswehr mit Pistorius gut auskommen werde. Er sei jemand, "der mit der Truppe kann, und den die Soldatinnen und Soldaten sehr mögen werden". Deshalb sei er sehr dankbar, dass Pistorius Ja zu der Aufgabe gesagt habe.
"Eine außerordentlich große Ehre"
Kurz vor dem Statement von Bundeskanzler Scholz äußerte sich Pistorius. Die Ernennung zum Verteidigungsminister sei "eine außerordentlich große Ehre". "Ich weiß um die Bedeutung der Aufgabe", sagte er. "Mir ist wichtig, die Soldatinnen und Soldaten ganz eng zu beteiligen und sie mitzunehmen." Wann immer nötig, werde er sich vor sie stellen.
Auch Pistorius bedankte sich - wie Bundeskanzler Scholz - bei der scheidenden Ministerin Christine Lambrecht. Sie habe den Auftakt geliefert für die nötige Neuaufstellung in der Bundeswehr.
Bestens vernetzt in der SPD
Pistorius ist seit 2013 niedersächsischer Minister für Inneres und Sport, vor wenigen Monaten begann seine dritte Amtszeit. Zuvor war er von 2006 bis 2013 Oberbürgermeister in Osnabrück. Auch wenn er stets in Niedersachsen blieb, war er auch an der innenpolitischen Positionierung der Bundes-SPD in Wahlkämpfen und an Koalitionsverhandlungen beteiligt.
Der Jurist gilt als bestens vernetzt in der SPD und als ministrabel für den schwierigen Job des Verteidigungsministers. Im Kreis der Innenminister von Bund und Ländern hat sich Pistorius in den vergangenen Jahren einen Ruf als kenntnisreicher Fachpolitiker erworben.
Ihm wurden immer wieder Ambitionen für ein politisches Amt auf Bundesebene nachgesagt. Es gab beispielsweise Gerüchte, er könnte Bundesinnenminister werden, sofern Nancy Faeser bei der Landtagswahl in Hessen als Spitzenkandidatin für die SPD antritt.
Glückwünsche aus der Ampel-Koalition
Politikerinnen und Politiker aus der Ampel-Koalition beglückwünschten Pistorius zu seiner neuen Aufgabe. Finanzminister Christian Lindner schrieb auf Twitter: "Vor allem mit der Umsetzung des Sondervermögens liegt eine große Aufgabe vor uns."
Bundesarbeitsminister Hubertus Heil begrüßte die Ernennung von Pistorius als "eine ausgezeichnete Wahl". "Er ist klug, er ist erfahren, er ist durchsetzungsstark", sagte er. Der Bundeskanzler habe richtig entschieden.
Anerkennende Worte gab es auch von der Wehrbeauftragten des Bundestags, Eva Högl. Die Truppe bekomme in schwierigen Zeiten einen engagierten, führungsstarken und leidenschaftlichen Politiker, sagte Högl der "Rheinischen Post". Die Bundeswehr könne sich auf ihn verlassen, die Truppe liege Pistorius "sehr am Herzen".
Außenministerin Annalena Baerbock kündigte an, die enge Zusammenarbeit mit dem Verteidigungsministerium fortsetzen zu wollen. Sie "setze und baue darauf, dass wir das, was wir zwischen Verteidigungsministerium und Auswärtigem Amt in diesen nicht einfachen Zeiten in der Vergangenheit gemeinsam vertrauensvoll geleistet haben, auch jetzt zukünftig weiter fortführen werden".
Klingbeil: Pistorius wird Bundeswehr "richtig gut tun"
Auch der SPD-Vorsitzende Lars Klingbeil begrüßte die Besetzung des Amtes mit Pistorius. In den tagesthemen sagte Klingbeil, er sei sich sicher, dass Boris Pistorius den richtigen Ton finden werde und die nötige Wertschätzung der Soldatinnen und Soldaten der Bundeswehr gegenüber. Pistorius werde der Bundeswehr "richtig gut tun", bilanzierte Klingbeil.
Kritik aus den Reihen der Union und der AfD
Aus der Union kommt hingegen Kritik an der Entscheidung. "Erneut spielen Sachkompetenz und Erfahrung mit der Bundeswehr keine Rolle", sagte der stellvertretende Vorsitzende der Unionsfraktion, Johann Wadephul.
Bei der Personalie handle es sich um eine "Besetzung aus der B-Mannschaft". Damit sei Scholz "eine echte Überraschung gelungen. Nur leider keine gute." Um die Bundeswehr voranzubringen, braucht es nach den Worten des CDU-Politikers nicht nur Geld, sondern auch Sachverstand.
Söder: Pistorius ist "offenkundig nicht die erste Wahl"
Pistorius sei "offenkundig nicht die erste Wahl", sagte CSU-Parteichef Markus Söder. Mit der Wehrbeauftragten Högl hätte eine Kennerin der Truppe zur Verfügung gestanden, erklärte der bayerische Ministerpräsident. Es sei damit auch klar, dass Parität der Geschlechter in der Bundesregierung keine Rolle mehr spiele.
Nach Einschätzung von Linksfraktionschef Dietmar Bartsch steht der neue Verteidigungsminister vor einer "Herkulesaufgabe". "Es wird zentral sein, dass er das Beschaffungswesen der Bundeswehr radikal verändert", sagte er. "Er wird keine 100 Tage bekommen, sondern maximal 100 Stunden Schonfrist."
AfD-Chefin Alice Weidel sieht die Ernennung von Pistorius nicht als "notwendigen Befreiungsschlag nach der desaströsen Amtszeit von Christine Lambrecht". Es wirke "wie ein Akt der Verzweiflung" von Scholz, sagte sie dem Portal t-online.de.