Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach  | dpa

Lauterbach nach Corona Minister ohne Markenzeichen?

Stand: 02.02.2023 12:01 Uhr

Als Lauterbach Gesundheitsminister wurde, gehörte er zu den beliebtesten Politikern. Inzwischen ist vom guten Ruf des "Corona-Erklärers" nicht mehr viel übrig - und auch die Pandemie trudelt aus. Und nun?

Von Birthe Sönnichsen und Eva Ellermann, ARD-Hauptstadtstudio

Mit dem heutigen Tag fallen für die meisten Menschen in Deutschland die letzten sichtbaren Corona-Schutzmaßnahmen im Alltag weg. Gefühlt ist die Pandemie damit für viele Bürgerinnen und Bürger nach drei Jahren vorbei.

Birthe Sönnichsen ARD-Hauptstadtstudio
Eva Ellermann ARD-Hauptstadtstudio

Karl Lauterbach ist in dieser Zeit vom dauerpräsenten SPD-Gesundheitsexperten zum Minister geworden. Auch wegen seiner Rolle in der Pandemie. Im Dezember 2021 gehörte er zu den beliebtesten Politikern im Land. Dass Olaf Scholz ihn zum Gesundheitsminister der Ampelkoalition machte, erschien da in den Augen vieler nur logisch. Doch seitdem hat Lauterbachs Ruf gelitten. Kann er sich nach der Pandemie neu erfinden?

Für Lauterbach ist die Pandemie noch nicht vorbei

Bisher war Lauterbachs Amtszeit klar geprägt von der Pandemie: Studien lesen, Verordnungen auf den Weg bringen, dazu Warnungen und Mahnungen, gerne via Twitter: Der studierte Epidemiologe baut in seiner Corona-Politik auf die Wissenschaft.

Heute räumt er ein, dass Schulen und Kitas zu lange geschlossen waren. Er rechtfertigt das damit, dass der Kenntnisstand der Experten damals nicht gut genug gewesen sei. Für Lauterbach ist die Pandemie noch nicht zu Ende. Mit Blick auf Risikogruppen und Post-Covid-Erkrankungen setzt er weiter auf Vorsicht, auch wenn die letzten Schutzmaßnahmen wie die Maskenpflicht in Arztpraxen oder Kliniken zunehmend infrage gestellt werden.

Die Großbaustellen des Gesundheitswesens

Der Fokus verschiebt sich: Lauterbach muss vom Pandemieerklärer zum erfolgreichen Manager einer Behörde werden. Die Baustellen, die er zu beackern hat, sind riesig. Er muss kurzfristig finanzielle Lücken stopfen und das Gesundheitssystem langfristig reformieren. Die Corona-Pandemie hat die vielen Schwächen und Defizite im deutschen Gesundheitssystem schonungslos offengelegt.

Lauterbachs Vorteil: Als Professor für Gesundheitsökonomie kennt er die Krisenherde seit Jahren. Er selbst nennt für dieses Jahr drei große Herausforderungen: Pflege, Krankenhausreform, Digitalisierung.

Pflege muss neu finanziert werden

Lauterbach ist nicht der erste, der an der Pflegereform arbeitet. Sie steht schon seit Jahren auf der To-Do-Liste des Ministeriums. Die Pflegeversicherung schreibt schon jetzt rote Zahlen.

In Zukunft müssen mehr Menschen versorgt werden, die Löhne der Beschäftigten in der Pflege sollen steigen, gleichzeitig werden weniger Menschen in die Pflegeversicherung einzahlen. Und die Qualität der Pflege soll besser werden. Der Streit ums Geld mit Finanzminister Christian Lindner (FDP) ist programmiert: Ohne Steuermittel steigen die Beiträge und auch die Eigenanteile, die schon jetzt ein Problem sind. Akut drücken Inflation und hohe Energiepreise: Eine Reform ist also dringend notwendig.

Die Krankenhausreform soll eine "Revolution" werden

Nichts weniger als eine Revolution im Krankenhauswesen hat Lauterbach angekündigt. Auch dieses System funktioniert nicht mehr. Zahlreiche Kliniken sind von der Pleite bedroht, hat die die Deutsche Krankenhausgesellschaft vorgerechnet. Erste Vorschläge für eine Krankenhausreform liegen auf dem Tisch. Die Grundversorgung soll gestärkt, gleichzeitig die Spezialisierung in Kliniken unterstützt werden. Lauterbach, einst Miterfinder der Fallpauschalen, will weg von der rein wirtschaftlich ausgerichteten Krankenhausfinanzierung.

Aber ob Revolution oder Reform - ohne die Länder kann Lauterbach kaum etwas ausrichten. Bund und Länder sind nämlich beide für die Krankenhäuser zuständig. Das dürften zähe Verhandlungen werden. Bis zum Sommer soll ein gemeinsamer Gesetzentwurf stehen. Selbst wenn das gelingt, wird der Umbau aber Jahre dauern.

Dauerbaustelle Digitalisierung

"Wir brauchen dringend eine große Digitalisierungsreform", sagt der Bundesgesundheitsminister. Während der Pandemie ist schmerzhaft deutlich geworden, wie groß der digitale Nachholbedarf ist.

Im Frühjahr will der Minister seine digitale Strategie vorlegen. Die elektronische Patientenakte ist ein Beispiel, wie langsam es vorangeht. Lauterbach will einen neuen Versuch unternehmen, sie endlich zum Erfolg zu machen. Auf ihn dürften damit auch Datenschutzbedenken und technische Probleme warten.

Das Milliardenloch bei den gesetzlichen Krankenkassen

Auch die Finanzierung der gesetzlichen Krankenkassen steht auf wackligen Füßen. Allein für dieses Jahr hatten Kassen und Bundesgesundheitsministerium ein Loch von 17 Milliarden Euro befürchtet. Die meisten Kassen haben ihre Zusatzbeiträge gerade um 0,2 Prozent im Schnitt angehoben, und damit etwas geringer als das Ministerium angekündigt hatte.

Für dieses Jahr scheint das Finanzpaket zu greifen, das Lauterbach im vergangenen Sommer geschnürt hat. Aber die gesetzlichen Krankenkassen wollen noch in diesem Frühjahr Klarheit, wie es langfristig weitergehen soll.

Cannabis statt Corona

Corona hat Lauterbach zunächst eine ungeahnte Popularität beschert, ihn aber als Bundesgesundheitsminister viele Sympathien gekostet. Die Ampel-Pläne, den Cannabiskonsum straffrei zu machen, brachten ihm neue Aufmerksamkeit. Ein fertiger Gesetzentwurf fehlt aber bislang. Mögliche Enttäuschungen sind bei all den Baustellen nicht ausgeschlossen.