
Ampel-Koalition Klingbeil fordert Klarheit im AKW-Streit
SPD-Chef Klingbeil dringt auf eine rasche Lösung im Streit über die Laufzeiten der verbleibenden AKW. Die Ampel müsse das Thema noch in dieser Woche "abräumen", sagte er. Grünen-Chef Nouripour warb erneut für den Reservebetrieb.
SPD-Chef Lars Klingbeil setzt noch in dieser Woche auf eine Einigung in der Ampelkoalition im Streit über die Laufzeiten der noch am Netz befindlichen deutschen Atomkraftwerke. "Ich erwarte, dass das diese Woche abgeräumt wird", sagte Klingbeil in der ZDF-Sendung "Markus Lanz".
"Ich will in dieser Woche Klarheit", betonte Klingbeil. Nächste Woche müsse das im Bundestag entschieden werden. Der Streit dürfe die Republik nicht länger beschäftigen. Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD), Wirtschaftsminister Robert Habeck (Grüne) und Finanzminister Christian Lindner (FDP) müssten klären, ob es eine Stromlücke gebe, was die Auswirkungen auf den Strompreis seien und auf welche Energieformen Deutschland in Zukunft setze. Klingbeil sagte, es sei ja bekannt geworden, dass die drei am Donnerstag noch einmal mit den Betreibern gesprochen hätten.
Es gebe drei Fragen zu beantworten, sagte Klingbeil. "Erstens: Hätte das eine Auswirkung, wenn wir die Atomkraftwerke länger laufen lassen, auf den Preis?" Die zweite Frage sei: "Haben wir wirklich eine Stromlücke, die droht?" Schließlich müsse insbesondere für die Wirtschaft geklärt werden, was in Deutschland die "Energieform der Zukunft" sein solle. "Diese drei Fragen müssen beantwortet werden und auf der Grundlage muss dann in dieser Woche entscheiden werden", sagte Klingbeil. Er selbst blicke "auf das Thema der Atomenergie sehr pragmatisch und unideologisch", versicherte Klingbeil.
FDP will "all in" gehen
In der Ampelkoalition streiten Grüne und FDP über den Weiterbetrieb von AKW. Habeck will die zwei AKW Isar 2 in Bayern und Neckarwestheim II in Baden-Württemberg für den Fall von Engpässen in der Stromversorgung bis ins Frühjahr einsatzbereit halten - also über den eigentlichen Abschalttermin Ende dieses Jahres hinaus. Die FDP dringt dagegen auf einen Weiterbetrieb aller drei verbliebenen AKW bis ins Jahr 2024. Derzeit ebenfalls noch am Netz ist das AKW Emsland in Niedersachsen.
FDP-Fraktionschef Christian Dürr sagte ebenfalls bei "Markus Lanz", in einer Notsituation müsse man "all in" gehen und alle möglichen Optionen nutzen. Er habe die Sorge, dass man zu viele Optionen vom Tisch nehme, obwohl alle Optionen gebraucht werden. Es gehe nicht um eine Renaissance der Kernenergie, sondern darum, Preise stabil zu halten und einen Blackout zu verhindern. Dürr zeigte sich zuversichtlich, dass sich Scholz, Habeck und Lindner einigen.
Grüne diskutieren über Einsatzreserve
Die Grünen kommen am Nachmittag in Bonn zum Bundesparteitag zusammen. Die Parteispitze muss die Delegierten der Anti-Atomkraft-Partei davon überzeugen, wenigstens die beiden süddeutschen AKW etwas länger bereitzuhalten. Der Grünen-Vorsitzende Omid Nouripour warb für die Pläne von Habeck. "Was wir derzeit machen, ist an unseren Zielen festhalten und gleichzeitig die Zeitpläne den Realitäten anpassen, die in einem Land das nicht krisenfest ist, tatsächlich durcheinanderpurzeln seit Beginn des Krieges in der Ukraine", sagte Nouripour dem ARD-Morgenmagazin zum Ausstieg aus Atom und Kohle.
Die Situation führe dazu, "dass wir jetzt sehr schnell kurze Lösungen brauchen, aber am Ende des Tages gibt es nur eine Lösung für dieses Land, das sind die Erneuerbaren", sagte Nouripour. "Wenn wir jetzt mit neuen Brennelementen neuen Atommüll produzieren und dann auch noch mit Atomstrom die Netze verstopfen und dementsprechend Windräder abstellen müssen, machen wir das Land mit Sicherheit nicht krisenfest."
Die Grünen würden es mittragen, wenn im Winter für die Netzstabilität die zwei Atomkraftwerke für den Notfall als Einsatzreserve vorgehalten werden, sagte Nouripour. "Aber wir werden nichts tun, was Hindernisse baut und Steine in den Weg legt, damit die Erneuerbaren nach vorne gestellt werden."
Der stellvertretende FDP-Vorsitzende Johannes Vogel bestritt erneut, dass es eine Einigung gebe. "Es gibt bislang einfach keine Einigung in der Koalition, wie viele Kernkraftwerke wie lange weiter betrieben werden sollen", sagte Vogel der "Rheinischen Post". Der "seit Monaten bestehende Dissens" sei öffentlich stets bekannt gewesen. Vogel betonte: "In der aktuellen Energiekrise alle verfügbaren Kapazitäten zu nutzen, ist schlicht eine Frage der Vernunft."