Robert Habeck, Olaf Scholz und Christian Lindner

Konflikt ums Geld Darüber streitet die Ampel

Stand: 10.03.2023 11:10 Uhr

Die Ampel-Koalition streitet ums Geld - konkret um die Frage, wofür die Milliarden ausgegeben werden sollen. SPD, Grüne und FDP setzen unterschiedliche Schwerpunkte - von Kindergrundsicherung bis Klimaschutz. Ein Überblick.

Die Ausgangslage

Seit Wochen streiten SPD, Grüne und FDP über die Prioritäten für den Haushalt 2024 und die mittelfristige Finanzplanung. Es geht um sehr viel Geld. Die einzelnen Ministerien sollen Mehrbedarfe von zusammen rund 70 Milliarden Euro angemeldet haben. Hart zur Sache geht es dabei insbesondere bei der Kindergrundsicherung und den Verteidigungsausgaben. Vor allem mit den Liberalen gibt es weiteren Zoff um die Bereiche Energie und Klimaschutz. Jetzt hat Finanzminister Christian Lindner die für Mittwoch geplanten Beratungen über die Eckpunkte des Haushalts 2024 abgesagt - ohne einen neuen Termin zu nennen. Es dürfte also weiter heftig ums Geld gerungen werden - die größten Streitpunkte im Überblick:

Die Kindergrundsicherung

Die Kindergrundsicherung soll ab 2025 verschiedene familienpolitische Leistungen zusammenfassen - und aus Sicht von Grünen und SPD auch ausbauen. Bundesfamilienministerin Lisa Paus (Grüne) geht davon aus, dass dies mit Mehrkosten von gut zwölf Milliarden Euro pro Jahr zu Buche schlägt.

Gegenwind kommt von der FDP und Bundesfinanzminister Lindner, die ab diesem Jahr die Schuldenbremse wieder dauerhaft einhalten wollen. So ist es auch im Koalitionsvertrag vereinbart, auch wenn aus Sicht von SPD und Grünen wohl erneute Ausnahmen gerechtfertigt wären.

Bei der Kindergrundsicherung hält es Lindner nicht für sinnvoll, "mehr Geld zu überweisen". Es gehe vor allem um eine Digitalisierung und Vereinfachung der Familienleistungen. Wohlgemerkt: Das Projekt Kindergrundsicherung steht im Koalitionsvertrag, aber offenbar interpretieren die Ampel-Partner die Umsetzung unterschiedlich. Auch die Einhaltung der Schuldenbremse steht im Koalitionsvertrag.

Verteidigungsausgaben

Bundesverteidigungsminister Boris Pistorius hat bei Lindner zehn Milliarden Euro zusätzlich für die Bundeswehr angemeldet. Dies ist aus Sicht des SPD-Politikers notwendig, um die zugesagte Modernisierung der Streitkräfte und das dauerhafte Erreichen des NATO-Ziels zu garantieren, zwei Prozent der Wirtschaftsleistung für Verteidigung auszugeben.

Lindner plädiert allerdings dafür, zunächst das Geld aus dem 100 Milliarden Euro schweren Sondervermögen für die Bundeswehr zu verwenden, das außerhalb des eigentlichen Haushalts zur Verfügung steht.

Die Aktienrente

Die Aktienrente - offiziell jetzt "Generationenkapital" genannt - ist ein neuer Pfeiler zur Finanzierung der Rentenversicherung. Dabei legt der Staat Gelder gewinnbringend an, um aus den Renditen die Rentenkassen zu unterstützen. In diesem Jahr fließen dafür erstmals zunächst zehn Milliarden in einen Fonds. Für einen spürbaren Beitrag zur Stabilisierung der Renten wäre allerdings eine deutlich höhere Summe nötig.

Lindner würde daher gern mittelfristig deutlich mehr Geld einplanen als die bisher im Koalitionsvertrag vorgesehenen einmalig zehn Milliarden Euro. Er plant deshalb, in einer "Ansparphase" von 15 Jahren mindestens zehn Milliarden Euro jährlich einzuzahlen. Teile der SPD und Grüne sehen das skeptisch.

Verkehr

Mehr Geld fordern die Grünen für den Ausbau des Schienennetzes und des öffentlichen Nahverkehrs. Die FDP möchte hingegen lieber in den Neu- und Ausbau von Autobahnen investieren und dafür auch Planungsverfahren beschleunigen. Finanzielle Mehrbelastungen ergeben sich zudem aus dem 49-Euro-Ticket.

Neue Förderprogramme für Heizungen

Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck will den verstärkten Umstieg auf klimafreundliche Heizungen ab 2024 mit einem sozialen Förderprogramm in Milliardenhöhe begleiten. Dies solle gewährleisten, dass sich gerade Haushalte mit niedrigen und mittleren Einkommen diesen Umstieg auch leisten könnten, kündigte der Grünen-Politiker an. Die Förderung soll sich - anders als derzeit - am Einkommen orientieren. Dies wolle er mit Mitteln aus dem längerfristigen Klima- und Transformationsfonds unterfüttern, so Habeck. Hier müsse man entsprechend priorisieren.

Kern ist, dass ab 2024 nur noch neue Heizungsanlagen eingebaut werden dürfen, die mindestens 65 Prozent der Wärme aus erneuerbaren Energien erzeugen. Im Koalitionsvertrag ist das 65-Prozent-Ziel erst ab 2025 festgeschrieben. Die Pläne stoßen bei der FDP auf scharfe Ablehnung.

Staatseinnahmen

Zur Lösung der Finanzprobleme zeigen sich SPD und Grüne auch offen für Verbesserungen auf der Einnahmeseite. Dies könnten Steuererhöhungen vornehmlich für Wohlhabende sein oder auch der Abbau von Steuervorteilen. Die Grünen dringen hier besonders auf den Abbau umweltschädlicher Subventionen zum Beispiel für Dienstwagen. Die FDP lehnt jede Form von Steuererhöhungen oder Abbau von Steuervergünstigungen kategorisch ab und dringt im Gegenteil auf einen dauerhaften Steuerrabatt für die Gastronomie.

Weitere Streitthemen

Uneinigkeit und ungeklärte Finanzierungsfragen blockieren nach Recherchen der "Süddeutschen Zeitung" derzeit insgesamt rund 30 Ampel-Vorhaben. Bei mindestens acht Projekten gibt es demnach Einwände des Bundesfinanzministeriums. Diese betreffe auch Änderungen beim Baugesetz, Pläne für tierfreundlichere Ställe, Details des Weiterbildungsgesetzes und Einzelheiten bei der Polizeizulage. Weitere Baustelle der Koalition ist die Finanzierung der Pflegereform.

Die Stimmung

In der Ampel geht es zunehmend gereizt zu, daran konnte auch die Klausur in Meseberg wenig ändern. Dabei zeigen sich grundsätzliche Konflikte, etwa bei der Verkehrs- und Klimapolitik. Vor allem Grüne und FDP sind hier sehr unterschiedlicher Meinung. Das betrifft natürlich auch die Frage, wofür die Milliarden ausgegeben werden sollen. Zuletzt gerieten die Minister Habeck und Lindner öffentlich aneinander - nicht zum ersten Mal.

Per Brief hatte sich Habeck gegen öffentliche Vorfestlegungen etwa für eine Erhöhung des Verteidigungsetats gewandt und die Finanzplanung insgesamt infrage gestellt. Damit stellte der Grünen-Politiker das komplizierte Verfahren infrage, das seit der Aufstellung des Etats 2012 die Rolle des Finanzministeriums als Kassenwart stärkt: Das Finanzministerium macht den Aufschlag für die Haushaltsgespräche für die Fachressorts - unter der Vorgabe, dass der Gesamtetat die Schuldenbremse einhält.

Lindner gab die Leitlinie in einem Schreiben Anfang Januar vor: Es gelte die "Notwendigkeit, die fiskalische Expansion zurückzufahren". Sein Haushalts-Staatssekretär Werner Gatzer zog Mitte Januar die Ausgabengrenze für 2024 auf Grundlage des geltenden Finanzplans bis 2026 bei 423,7 Milliarden Euro.

In dem Streit geht es natürlich auch um Profilierung, und die funktioniert in der Politik eben sehr stark übers Geld - was die Hitzigkeit des Streits bei der Haushaltsaufstellung erklärt.

Und nun?

Statt die Eckpunkte des Haushalts 2024 am Mittwoch abschließend zu beraten, will Lindner zunächst über "finanzielle Realitäten" sprechen. "Wir müssen lernen, mit dem zur Verfügung stehenden Finanzrahmen auszukommen", so der Minister und FDP-Chef Dafür müssten Prioritäten gesetzt werden, weil nicht alles gleichzeitig finanzierbar sei.

Bundeskanzler Olaf Scholz versicherte: Bis zum Sommer werde es den Haushaltsentwurf der Bundesregierung geben und dann bis zum Jahresende einen vom Bundestag verabschiedetes Haushaltsgesetz.

Ende des Monats soll es erneut einen Koalitionsausschuss geben. Es könnte eine längere Sitzung werden.

Dieses Thema im Programm: Über dieses Thema berichtete die tagesschau am 10. März 2023 um 12:00 Uhr.