Die SPD-Vorsitzende Saskia Esken Ende Mai 2023. Die Aufnahme entstand während eines Interview mit der Nachrichtenagentur dpa.

Debatte über "Letzte Generation" Esken warnt vor "überzogenem Vorgehen"

Stand: 28.05.2023 13:10 Uhr

In ersten Bundesländern wird gegen die "Letzte Generation" ermittelt wegen des Verdachts, eine kriminelle Vereinigung gebildet zu haben. SPD-Chefin Esken warnt vor überzogenem Handeln der Behörden, während CSU-Politiker Dobrindt den Vorwurf als gerechtfertigt verteidigt.

In der Debatte über die Aktivistengruppe "Letzte Generation" und die Frage, wie weit deren Protest für mehr Klimaschutz gehen darf, warnt die SPD-Vorsitzende Saskia Esken vor einem überzogenen Vorgehen gegen die Gruppe.

Das Anliegen der Aktivisten sei durchaus bedeutsam und auch dringlich, betonte Esken im Gespräch mit der Nachrichtenagentur dpa. Und auch die Ungeduld junger Menschen im Kampf gegen die Klimakrise könne sie nachvollziehen:

Denn auch wenn die Politik sich in den vergangenen Jahren erheblich bewegt hat und die Bewegung das als Erfolg werten könnte, erscheint aus dieser Dringlichkeitsbetrachtung heraus alles, was wir tun, zu wenig und zu spät.

Klare Grenze bei Nötigung oder Gewalt

Doch gerade diese Dringlichkeit berge aus ihrer Sicht das Risiko, dass sich Protest radikalisiere. Sie könne verstehen, dass viele Menschen über die Straßenblockaden der "Letzten Generation" verärgert seien, und es stelle sich auch die Frage, ob sich auf diesem Wege Bürgerinnen und Bürger für das Ansinnen der Gruppe gewinnen ließen. Doch auch nicht parlamentarische, aktivistische Bewegungen müssten im demokratischen Gemeinwesen ihren Platz haben, betonte die Parteichefin. Die Politik müsse akzeptieren, "dass der Beitritt zu einer Partei und der Gang durch die Institutionen nicht der einzige Weg ist, sich politisch zu betätigen".

Allerdings zog Esken auch klare Grenzen in Bezug auf den Klimaprotest: Wenn dadurch Gesetze gebrochen würden, müsse das geahndet werden. "Nötigung oder gar Gewalt gegen Menschen ausgeübt" seien ebenso "inakzeptabel" wie die "Gefährdung öffentlicher Infrastruktur durch Sachbeschädigung."

Doch die "angewandten Mittel der Behörden" im Vorgehen gegen die "Letzte Generation" müssten "immer verhältnismäßig und nicht überzogen" sein, so Esken.

Dobrindt kritisiert zunehmende Radikalisierung

Wesentlich härter äußerte sich Alexander Dobrindt, Vorsitzender der CSU im Bundestag. "Wir erleben seit Monaten, dass hier Straftaten begangen werden und die Gruppe sich weiter radikalisiert", sagte er dem Nachrichtenportal t-online:

Und deswegen muss dagegen vorgegangen werden, um mögliche Mitwirkende und Nachahmer davon abzuhalten. Mit dem klaren Hinweis: Ihr begeht Straftaten, ihr werdet dafür zur Verantwortung gezogen.

"Eindeutig eine kriminelle Vereinigung"

Am Mittwoch waren bei einer Razzia Wohnungen und Geschäftsräume von Mitgliedern der "Letzten Generation" durchsucht worden. In Bayern und Brandenburg wird gegen die Aktivistengruppe wegen des Vorwurfs ermittelt, eine kriminellen Vereinigung gebildet oder unterstützt zu haben.

Für Dobrindt handelt es sich bei der Gruppe "eindeutig" um eine kriminelle Vereinigung. Der CSU-Politiker betonte: "Eine kriminelle Vereinigung zeichnet sich dadurch aus, dass sich Menschen verabreden, gemeinsam Straftaten zu vollziehen und dies wiederholt auszuüben. Dieser Sachverhalt ist bei der Letzten Generation eindeutig gegeben."

"Letzte Generation" ruft zu weiteren Demonstrationen auf

Juristisch ist jedoch stark umstritten, ob der Vorwurf rechtlich gemäß des Paragrafen 129 des Strafgesetzbuches erfüllt ist. Zuletzt hatte sich der frühere Verfassungsgerichtspräsident Andreas Voßkuhle in der Debatte geäußert. In der "Rheinischen Post" setzte er die Aktionen der "Straßenkleber" in historischen Vergleich zur Anti-Atom-Bewegung oder der Hausbesetzerszene. Aus seiner Sicht stelle der Protest der "Letzten Generation" in diesem Blickwinkel nicht mehr als "harmlose Sandkastenspiele" dar.

Die Aktivisten selbst hatten den Vorwurf, eine kriminelle Vereinigung zu bilden, vehement zurückgewiesen und die gegen sie durchgeführte Razzia scharf kritisiert. Ihre Mitglieder fühlten sich teils "wie Schwerverbrecher" behandelt. Trotzdem wolle die Gruppe vorerst stärker auf Demonstrationen umsteigen. In Berlin waren am Freitag mehrere Hundert Menschen auf die Straße gegangen. Auf ihrer Internetseite kündigt die Gruppe weitere Termine bis einschließlich zum 7. Juni an. Allein für kommenden Mittwoch ruft die "Letzte Generation" in elf verschiedenen Städten zu sogenannten Protestmärschen auf.

Angela Ulrich, ARD Berlin, 28.05.2023 14:17 Uhr

Dieses Thema im Programm: Über dieses Thema berichtete Deutschlandfunk am 28. Mai 2023 um 12:51 Uhr.