
100 Jahre Frauenwahlrecht "Etwas wie ein Wunder"
Stand: 12.11.2018 14:16 Uhr
Bei einem Festakt wurde heute an die Einführung des Frauenwahlrechts vor 100 Jahren erinnert. Die Bundeskanzlerin machte sich in einer Rede für einen höheren Frauenanteil in den deutschen Parlamenten stark.
Am 12. November 1918 - also genau vor 100 Jahren - verkündete der Rat der Volksbeauftragten die Regeln für das neue Deutschland: Dazu gehörte auch erstmals ein Frauenwahlrecht.
Mit dem Schritt der Revolutionsregierung von SPD und USPD endete ein jahrelanger Kampf von Bürgerrechtlerinnen. "Etwas ganz Neues, etwas Unbegreifliches, etwas wie ein Wunder", kommentierte die Frauenrechtlerin Marie Stritt die Veränderungen.
Merkel für höheren Frauenanteil
Ein Festakt in Berlin erinnerte an die Einführung des Frauenwahlrechts - unter anderem mit Kanzlerin Angela Merkel. Sie machte sich für einen höheren Frauenanteil in den deutschen Parlamenten stark. Das betreffe "eine elementare Frage unserer Demokratie", sagte sie bei dem Festakt. "Wir werden auch hier neue Wege bestreiten müssen", sagte Merkel.
Es dürfe auch keine Rückschritte geben, mahnte die Kanzlerin und nannte den Bundestag als Beispiel. In der jüngsten Legislaturperiode waren 36,5 Prozent der Abgeordneten Frauen, mit der Bundestagswahl 2017 schrumpfte ihr Anteil auf 30,9 Prozent. "Das ist genau der Frauenanteil, den auch der Sudan in seinem Parlament hat", bemängelte Merkel. Damit könne Deutschland nicht zufrieden sein.
Diskussion über Wahlrechtsreform
Die aktuelle Generation von Politikerinnen blickt ehrfürchtig auf den Kampf der Frauen. Doch Annette Widmann-Mauz, die Chefin der CDU-Frauen, fügt ernüchtert hinzu: "Wir haben nicht das erreicht in 100 Jahren, was unsere Großmütter von uns erwartet haben."
Denn: Im Bundestag ist der Frauenanteil in der aktuellen Legislaturperiode deutlich gesunken: von knapp 37 auf etwa 31 Prozent - so niedrig war er zuletzt vor 20 Jahren. Dafür sind vor allem FDP und AfD verantwortlich, die wieder beziehungsweise neu in den Bundestag eingezogen und stark von Männern dominiert sind.
Um das zu ändern, fordern Frauen eine Änderung des Wahlrechts. "Das Wichtigste ist, dass sich Frauen dafür zusammenschließen. Das wird mit Grünen und Linken gehen", sagte Bundesjustizministerin Katarina Barley von der SPD.
Giffey: Änderungen erkämpfen
Unterstützung erhält sie dabei von Parteifreundin und Frauenministerin Franziska Giffey. Im ARD-Morgenmagazin sagte sie, für Änderungen müssten die Frauen kämpfen, von alleine verändere sich die Situation nicht. Sie sprach sich dafür aus, dass die Hälfte der Abgeordneten im Bundestag weiblich sein sollte.
Mit Blick auf die Wirtschaft forderte Giffey rechtliche Regelungen für eine Teilhabe von Frauen: "Reine Männerklubs sind nicht mehr zeitgemäß."
Die FDP kritisierte den Vorstoß von Barley und bezeichnete ihn als "doppelt irritierend". "Auch noble Ziele darf man nicht mit verfassungswidrigen Vorschlägen verfolgen. Das gilt erst recht für eine Bundesjustizministerin", sagte Marco Buschmann, der erste Parlamentarische Geschäftsführer der FDP-Bundestagsfraktion.
Erste Wahl für Frauen fand 1919 statt
Wie genau Änderungen am Wahlrecht aussehen könnten, ist noch nicht wirklich absehbar - die weiblichen Abgeordneten diskutieren derzeit intensiv miteinander. Spätestens im Januar 2019 wird an das Thema erneut erinnert. Dann nämlich jährt sich zum 100. Mal die erste Wahl, bei der Frauen ihre Stimme abgeben durften. An der Abstimmung über die verfassunggebende Nationalversammlung am 19. Januar 1919 beteiligten sich 82 Prozent der Wählerinnen.
100 Jahre Frauenwahlrecht in Deutschland
tagesthemen 22:15 Uhr, 12.11.2018, Peter Dalheimer, ARD Berlin
Mit Informationen von Sabine Müller, ARD-Hauptstadtstudio
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