
Vor Holocaust-Gedenktag Zentralrat fordert Taten gegen Antisemitismus
Vor dem Holocaust-Gedenktag dringt der Zentralrat der Juden auf eine unverminderte juristische Verfolgung von NS-Verbrechen. Zugleich beklagt er ein "erschreckendes Ausmaß an Antisemitismus" und fordert konkrete Taten dagegen.
Am Donnerstag wird international an die Befreiung überlebender Häftlinge in Auschwitz und an die NS-Opfer erinnert. Einen Tag vor dem Holocaust-Gedenktag hat der Zentralrat der Juden angemahnt, die juristische Aufarbeitung der NS-Verbrechen weiter voranzutreiben. Solche Gerichtsverhandlungen seien auch nach langer Zeit nicht nur für die Opfer und deren Nachkommen von Bedeutung, sagte Zentralratspräsident Josef Schuster der "Neuen Osnabrücker Zeitung".
"Unserer Gesellschaft führen solche Prozesse noch einmal vor Augen, zu was Menschen fähig sind. Sie zeigen, wohin Hetze gegen Minderheiten führen kann."

Josef Schuster, Der Präsident des Zentralrats der Juden, Schuster, mahnt, die juristische Aufarbeitung der NS-Verbrechen weiter voranzutreiben.
"Erschreckendes Ausmaß an Antisemitismus"
In einer veröffentlichten Erklärung forderte der Zentralrat außerdem ein entschiedenes Eintreten gegen Judenhass. 77 Jahre nach dem Ende der Schoah sei in Deutschland "ein erschreckendes Ausmaß an Antisemitismus" zu beobachten, erklärte der Verband.
Nötig seien "deutlich mehr Anstrengungen und eine selbstkritische Prüfung der eigenen Haltung" in der Justiz, in Hochschulen und Schulen, in der Kultur sowie bei Polizei und Bundeswehr.
In seiner Berliner Stellungnahme forderte der Zentralrat, rasch das Demokratiefördergesetz auf den Weg zu bringen, um Engagement gegen Antisemitismus zu stärken. Zudem sollten in allen Bundesländern Beauftragte gegen Judenhass bei den Staatsanwaltschaften eingesetzt werden. Länder und Hochschulen müssten ein geändertes Richtergesetz umsetzen, das verpflichtende Lehrveranstaltungen zum NS-Unrecht in der Juristenausbildung vorsehe. Auch die Lehrerausbildung müsse entsprechend reformiert werden. Nötig sei darüber hinaus eine stärkere Bekämpfung von israelbezogenem Antisemitismus.
Kulturstaatsministerin Claudia Roth (Grüne) kündigte an, die Gedenkstättenkonzeption des Bundes weiterzuentwickeln und die pädagogische Arbeit zu stärken. Und: "Eine wichtige Aufgabe wird sein, die Erinnerung an die Verbrechen in Europa wachzuhalten, sie in ganz Europa sichtbarer zu machen und sie im kollektiven Gedächtnis zu verankern."
Steinmeier-Besuch in KZ-Gedenkstätte Sachsenhausen
Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier besuchte am Vortag des Gedenkens die brandenburgische KZ-Gedenkstätte Sachsenhausen und legte einen Kranz für die Opfer des Nationalsozialismus nieder. Begleitet wurde er unter anderem von Brandenburgs Ministerpräsident Dietmar Woidke.
Zwischen 1936 und 1945 waren im KZ Sachsenhausen mehr als 200.000 Menschen inhaftiert, darunter politische Gegner des NS-Regimes, Juden, Sinti und Roma, Homosexuelle, Kriegsgefangene und andere NS-Opfer. Zehntausende von ihnen wurden in dem Konzentrationslager ermordet oder kamen auf andere Weise ums Leben. Von August 1945 bis 1950 wurde das Gelände von der Sowjetischen Militäradministration (SMAD) als sogenanntes "Speziallager" genutzt.
Am 27. Januar 1945 wurde das NS-Vernichtungslager Auschwitz von der Roten Armee befreit. 1996 wurde der 27. Januar in Deutschland zum nationalen Gedenktag erklärt. Seit 2005 ist der 27. Januar auch internationaler Holocaust-Gedenktag.
Papst: Dürfen nie vergessen
Auch Papst Franziskus äußerte sich im Vorfeld des Holocaust-Gedenktages und mahnte: Dieser Mord dürfe niemals vergessen werden und diese "unglaubliche Grausamkeit" dürfe sich nie wiederholen. Der 85-Jährige rief bei der Generalaudienz im Vatikan zugleich alle Menschen, vor allem Lehrende und Familien, dazu auf, auch künftigen Generationen von diesen Schrecken zu erzählen. "Damit eine Zukunft aufgebaut werden kann, in der die Menschenwürde nicht mehr mit Füßen getreten wird", so Franziskus.
"Gegen Hass und Fanatismus aufstehen"
UN-Generalsekretär António Guterres mahnte in einem Gottesdienst in der Park East Synagoge in New York anlässlich des Holocaust-Gedenktags, dass Menschen auf der ganzen Welt "überall gegen Hass und Fanatismus aufstehen" müssten.
Mit Erschrecken habe er kürzlich erfahren, dass nur knapp die Hälfte der Erwachsenen weltweit von der Schoah gehört habe. Der Mangel an Wissen in der jüngeren Generation "ist noch schlimmer", sagte Guterres bei der Veranstaltung. "Unsere Reaktion auf Ignoranz muss Bildung sein. Regierungen an jedem Ort haben die Verantwortung, über die Schrecken des Holocausts zu lehren."
Gedenkstunde im Bundestag und EU-Parlament
Anlässlich des Holocaust-Gedenktages findet am Donnerstag in Berlin im Bundestag traditionell eine Gedenkstunde für die Opfer des Nationalsozialismus statt. In diesem Jahr wird die Holocaust-Überlebende Inge Auerbacher die zentrale Rede halten. Auch Israels Parlamentspräsident Mickey Levy wird laut Bundestagsverwaltung bei der Veranstaltung reden. Auch vor dem EU-Parlament spricht am Donnerstag eine Überlebende: Margot Friedländer, die kürzlich 100 Jahre alt geworden ist.
An dem Tag wollen außerdem in Deutschland mehr als 100 Gedenkstätten mit einer besonderen Aktion auf ihre Arbeit aufmerksam machen. Unter dem Motto #LichterGegenDunkelheit werden nach Einbruch der Dunkelheit zahlreiche lokale Stätten der Erinnerung beleuchtet.