Hintergrund

Hintergrund zu Helmpflicht-Urteil Was Helm und Gurt verbindet

Stand: 17.06.2014 17:10 Uhr

Nach dem BGH-Urteil zum Tragen von Fahrradhelmen wird an einen ähnlichen Fall erinnert. Die Gurtpflicht im Auto. Seit 1984 gilt sie. Ihr Erfolg zeigt, dass die Rechtsprechung für Fahrradfahrer nicht in Stein gemeißelt ist.

Von Frank Bräutigam, ARD-Rechtsredaktion

Was wurde in den 70er-Jahren gestritten über die Einführung der Gurtpflicht für Autofahrer: "Die lassen mich bei einem Unfall verbrennen, weil ich dann nicht rauskomme." Oder: "Das schränkt meine Freiheit als Autofahrer ein." Solche und ähnliche Argumente hatten die Gegner zur Hand. Doch die Statistik von damals hatte Gewicht: fast 20.000 Verkehrstote hatte es 1970 gegeben. 2012 waren es noch 3600.

Anschnallpflicht im Auto gilt seit 1984

Ab 1974 mussten Neuwagen dann mit Gurten ausgerüstet sein. 1976 wurde eine Anschnallpflicht für Autofahrer in Deutschland eingeführt. Allerdings noch mit beträchtlichen Einschränkungen. Erst ab 1984 bekam man für das Nichtanschnallen ein Verwarnungsgeld und auch die Gurtpflicht für die Rücksitze galt ab diesem Jahr. Dass die Anzahl der Verkehrstoten zurückging, lag aber auch an der Helmpflicht für Motorradfahrer, die ebenfalls 1976 eingeführt und ab 1980 geahndet wurde.

Doch nicht nur der Gesetzgeber ist in den vergangenen Jahrzehnten aktiv geworden. Auch viele Verkehrsteilnehmer und Sportler haben in Sachen Sicherheit ihre Einstellung geändert. Etwa die Skifahrer: Wer heute keinen Helm trägt, gilt schon beinahe als Paradiesvogel auf der Piste.

"Helmpflicht durch die Hintertür"

Dazu beigetragen haben sicher auch schwere Stürze mit Todesfolge, wie der Unfall um den ehemaligen Ministerpräsidenten Dieter Althaus 2009. Eine Helmpflicht wird von den FIS-Regeln, die die Verhaltensnormen auf Pisten festlegen und geltendes Gewohnheitsrecht darstellen, nicht festgeschrieben. Eine Art "Helmpflicht durch die Hintertür" gibt es hier aber schon. Das OLG München entschied 2012, dass ein Skifahrer ohne Helm bei einem Unfall eine Mitschuld trägt, auch wenn er ihn nicht verursacht hat. Im konkreten Fall blieb der verletzte Skifahrer auf 50 Prozent des Schadens sitzen.

Ähnlich hatte das OLG Schleswig den Fall gesehen, um den es jetzt am Bundesgerichtshof ging. Eine Fahrradfahrerin wollte an einem parkenden Auto vorbeifahren, dessen Inhaber ohne zu schauen die Tür aufriss. Es kam zur Kollision und zu schweren Kopfverletzungen bei der Fahrradfahrerin. Das OLG Schleswig hatte geurteilt: Auch ohne gesetzliche Helmpflicht könne man ein Mitverschulden begründen. Das "allgemeine Verkehrsbewusstsein" habe sich in den letzten Jahren in Bezug auf das Tragen von Fahrradhelmen gewandelt. Entscheidend sei das besondere Verletzungsrisiko, dem Radfahrer im Straßenverkehr ausgesetzt seien.

"Prinzip Eigenverantwortung"

Der BGH sah es nun anders. Er verweist auf die fehlende gesetzliche Helmpflicht. Ein gewandeltes "allgemeines Verkehrsbewusstsein" könne zwar grundsätzlich ein Mitverschulden begründen, nur habe es das im Jahr 2011 zum Zeitpunkt des Urteils eben noch nicht gegeben. Hauptargument der Richter: Nach einer Statistik der Bundesanstalt für Straßenwesen tragen elf Prozent der erwachsenen Fahrradfahrer einen Helm, Kinder eingerechnet sollen es 15 Prozent sein.

Die Folge: Auch wenn sie keinen Helm getragen haben, können Fahrradfahrer bei einem unverschuldeten Unfall den kompletten Schadensersatz verlangen. An den teils schweren Verletzungen ändert das allerdings nichts. Mediziner weisen immer wieder darauf hin, dass Helme vor schweren Kopfverletzungen schützen. Es gilt also - vor wie nach dem Karlsruher Urteil - das "Prinzip Eigenverantwortung".

Dieses Thema im Programm: Über dieses Thema berichtete die tagesschau am 17. Juni 2014 um 17:00 Uhr.