
Habeck zu LNG-Terminals "Not abzuwehren hat absolute Priorität"
Zu groß, zu teuer und nicht umweltfreundlich - die schwimmenden LNG-Terminals ernten viel Kritik. Vor der heutigen Eröffnung des ersten Terminals in Wilhelmshaven verteidigt Wirtschaftsminister Habeck seine Energiepolitik in den tagesthemen.
Vor der Eröffnung des ersten schwimmenden Importterminals für Flüssigerdgas (LNG) in Wilhelmshaven hat Wirtschaftsminister Robert Habeck im Interview mit den tagesthemen seine Energiepolitik verteidigt. "Die Not abzuwehren hat absolute politische Priorität", sagte er in Bezug auf einen möglichen Gasmangel.
Das Terminal wird heute im Beisein von Bundeskanzler Olaf Scholz und weiteren Spitzenpolitikerinnen und -politikern der Ampelkoalition feierlich eröffnet. Die Regierung habe "klug entschieden, entschlossen reagiert und etwas hinbekommen, was man Mitte des Jahres zu Recht noch für unmöglich gehalten hatte", sagte Habeck im Interview.
Habeck: Terminals sind flexibel einsetzbar
Nach dem Wegfall der Nord-Stream-1-Pipeline fehle Deutschland rund die Hälfte des benötigten Gases, so der Minister. Ohne die neue Infrastruktur drohe Deutschland eine Gasmangellage. "Und die wird unmittelbar dazu führen, dass die deutsche Wirtschaft und die Unterstützung der Gesellschaft für die Ukraine zusammenbrechen würde."
Kritiker bezeichnen die insgesamt elf Flüssigerdgasterminals als deutlich überdimensioniert. Sind in vier Jahren sämtliche Anlagen in Betrieb, wird ihre Jahreskapazität bei 73 Milliarden Kubikmetern Erdgas liegen - das sei viel zu viel, kritisiert eine aktuelle Studie des NewClimate Institute, einer Energiewende-Denkfabrik. Vor der Krise habe Russland pro Jahr im Durchschnitt lediglich 46 Milliarden Kubikmeter exportiert. Dadurch drohten erhebliche Fehlinvestitionen, die zum Teil aus Steuergeldern beglichen werden müssten.
"Von einer Überkapazität kann gar keine Rede sein", widersprach Habeck im tagesthemen-Interview und verwies darauf, dass die Terminals lediglich ein Drittel des deutschen Verbrauchs sicherstellten. Im Vergleich zur Nord-Stream-1-Pipeline seien die schwimmenden LNG-Anlagen außerdem flexibler nutzbar. Die Schiffe könnten weiter verchartert werden, wenn sie nicht mehr gebraucht würden. "Und wir bauen alle Infrastruktur Wasserstoff-ready, das heißt: Die Terminals, die wir errichten, können - sobald genügend Wasserstoff da ist - umgeswitcht werden auf einen anderen klimaneutralen Energieträger."
Perspektive Klimaneutralität
Umweltverbände sind skeptisch. "Das Ganze ist eine fossile Falle, weil die Terminals über Jahre hinweg Bestand haben und wir damit noch auf lange Zeit fossile Energie importieren", kritisierte etwa Constantin Zerger von der Deutschen Umwelthilfe.
Der Wirtschaftsminister hingegen bezeichnete in den tagesthemen LNG als einen "notwendigen Zwischenschritt". Die neue Infrastruktur sei so gebaut worden, dass die Klimaschutzziele bis 2045 erreicht werden könnten. Perspektivisch solle der Gasverbrauch reduziert werden, die Terminals seien ein "notwendiger Zwischenschritt" auf dem Weg dahin.
Schnellere Entscheidungen
Für die LNG-Terminals wurden Beteiligungsprozesse eingekürzt. Der Minister glaubt dennoch, dass die Genehmigung Klagen standhalten werde. "Die Gerichte werden klug genug sein, die Abwägung immer so vorzunehmen, dass die Alternative mit berücksichtigt wird." Und die Alternative wäre laut Habeck "kein Gas im Winter".
Bis 2030 will Deutschland den Anteil von erneuerbaren Energien auf 80 Prozent erhöhen, bei steigendem Strombedarf. Im Grunde müsste die Leistung verdoppelt werden. Deshalb brauche man auch künftig "schnelle und klare Entscheidungen", um die Klimaschutzziele einzuhalten. Und meinte damit schnellere Genehmigungen. Bis zur Errichtung von Windkraftanlagen dauere es oft sechs bis acht Jahre: "Das heißt aber nicht weniger Umweltschutz".
Weitere Terminals im kommenden Jahr
In Wilhelmshaven wird die erste Eröffnung eines schwimmenden LNG-Terminals gefeiert, es ist aber nicht die letzte. Bundeskanzler Scholz kündigte an, weitere Terminals auch im kommenden Jahr vorantreiben zu wollen. Und er hofft auf weitere Lieferverträge.
"Die Bundesregierung ist mit den Gasimporteuren kontinuierlich im Gespräch und wirbt auch dafür, längerfristige Verträge abzuschließen", sagte er. Das Gas werde zu großen Teilen aus Norwegen, den USA und aus der Golfregion kommen, ein kleiner Teil aus den Niederlanden.