Interview

Google-Sprecher verteidigt Projekt Streetview "Bedenken von Leuten, die den Dienst nicht kennen"

Stand: 15.07.2008 00:00 Uhr

In Berlin, Frankfurt und München lässt Google im Sommer 2008 jeden Straßenzug fotografieren. Datenschützer sehen das mit gemischten Gefühlen und warnen vor einer "Auskunftsdatei über Wohnverhältnisse". tagesschau.de hat bei Google nachgefragt. Dort hält man einige der Bedenken für naiv.

In Berlin, Frankfurt am Main und München lässt Google im Sommer 2008 jeden Straßenzug fotografieren. Datenschützer sehen das mit gemischten Gefühlen und warnen vor einer "Auskunftsdatei über Wohnverhältnisse". tagesschau.de hat beim deutschen Google-Pressesprecher Stefan Keuchel nachgefragt. Der hält einige der Bedenken für naiv.

tagesschau.de: Wie viele Städte fotografiert Google eigentlich gerade weltweit?

Stefan Keuchel: Das kann ich Ihnen gar nicht sagen - aber in Deutschland sind es drei: Frankfurt, Berlin und München, und in den USA haben wir bislang 40 Städte fotografiert.

tagesschau.de: Nun will sich nicht jeder beim Autofahren, Spazierengehen oder beim Wohnen fotografieren lassen. Wie behandeln Sie die Fotos so, dass die Privatsphäre geschützt wird?

Keuchel: Wir behandeln alle Fotos gleich: Wenn Sie sich Google Streetview in den USA anschauen, werden Sie feststellen, dass wir inzwischen dort alle Autokennzeichen und Gesichter durch Verpixelung unscharf und damit unkenntlich gemacht haben. Das tun wir in Deutschland genau so.

Wer nutzt die Google-Daten?

"Als ich neulich bei meiner Bank war, zeigte mir mein Sachbearbeiter ein Foto von Google-Earth, auf welchem mein Anwesen zu sehen war. Und meinte, dass da auf der einen Seite eine Fotovoltaik-Anlage raufpassen würde."

"Da war ein Pferdekopf gepixelt"

tagesschau.de: Dem Vernehmen nach kommt es bei der Nachbearbeitung zu absurden Fehlern: Tiergesichter wurden anonymisiert, die Passanten daneben waren weiter zu erkennen - wie gut funktioniert die Technik?

Keuchel: Dieses Beispiel wird immer wieder zitiert. Aus Sicht von Google handelt es sich um wenige Einzelfälle, die besonders gerne von den Medien hervorgehoben werden. Dazu gehört auch das von Ihnen angeführte Beispiel aus dem New Yorker Central Park: Da war ein Pferdekopf gepixelt worden. Aber das sind Ausnahmen. Dem Eindruck, das passiere dauernd, widerspreche ich nachdrücklich. Wir arbeiten mit einer lernenden Software, das Verfahren funktioniert sehr gut!

"Aus Zehntausenden Fotos zusammengesetzt"

tagesschau.de: Ihr Unternehmen lässt seine Autos durch die Städte fahren und macht jede Sekunde ein Foto; was passiert danach mit den Daten und wie schnell kommen sie ins Netz?

Keuchel: Streetview funktioniert so, dass Einzelbilder später zusammengesetzt werden. Dadurch entstehen große Bilder, so dass man beispielweise virtuell eine Straße heruntergehen kann. Die Straßenansicht fügen wir aus Zehntausenden Fotos zusammen. Das ist aufwändig, weshalb wir noch kein Datum nennen können, ab wann die deutschen oder europäischen Streetview-Varianten online zu sehen sein werden.

tagesschau.de: Der Nutzwert einer solchen Anwendung besteht auch in einer latenten Aktualität - ab wann und wie würden die Fotos denn aktualisiert?

Keuchel: Zurzeit geht es um die erstmalige Erfassung, über eine Aktualisierung sprechen wir momentan noch gar nicht. Das ist auch in den USA so, wo es uns erst einmal um die Ersterfassung diverser US-Städte geht.

tagesschau.de: Wie verdient man damit eigentlich Geld?

Keuchel: Google muss gar nicht mit all seinen Produkten Geld verdienen. Ähnlich wie das Buchdigitalisierungsprojekt, für das wir Millionen von Büchern auf eigene Kosten einscannen. Auch da verdienen wir kein Geld.

tagesschau.de: Sie meinen: Noch verdienen Sie mit diesen Projekten kein Geld...

Keuchel: Google Streetview ist werbefrei.

"Der Teufel an die Wand gemalt"

tagesschau.de: Deutsche Datenschützer sind unterschiedlicher Ansicht, wie gefährlich das Projekt ist. Halten Sie es eigentlich für möglich, dass die Daten missbraucht werden könnten?

Keuchel: Wie meinen Sie das?

tagesschau.de: Der schleswig-holsteinische Datenschutzbeauftragte Weichert spricht von einer "Auskunftsdatei über Wohnverhältnisse", sein Berliner Kollege Dix befürchtet, dass etwa Banken vor einer Kreditentscheidung bei Streetview nachschauen, in welchem Zustand die Fassaden im Viertel sind.

Keuchel: Ich finde, dort wird der Teufel an die Wand gemalt! Viele dieser Bedenken kommen von Leuten, die den Dienst gar nicht kennen. Google Streetview soll es dem Betrachter ermöglichen, eine Straße virtuell anschauen zu können. Wenn man glaubt, dass etwa Banken von Google abhängig sind, um über Kreditwünsche zu entscheiden, ist das reichlich naiv.

Das Interview führte Christan Radler, tagesschau.de