
Gesichtserkennung Kameras ja, Software nein
Stand: 24.01.2020 18:43 Uhr
Der Einsatz von Software zum Abgleich der Kameradaten ist laut einem Entwurf für das Bundespolizeigesetz nicht mehr geplant. Innenminister Seehofer rückt offenbar von seinen Plänen bei der Gesichtserkennung ab - vorerst.
Gesichtserkennung ist ein sensibles Thema. Debatten darüber, was mit Blick auf mehr Sicherheit erlaubt werden dürfe und was aus Gründen des Daten- und Grundrechtsschutzes abzulehnen sei, werden seit Jahren mit Härte geführt. Zuletzt sorgte ein Testlauf am Berliner Bahnhof Südkreuz für viel Kritik. Bundesinnenminister Horst Seehofer zeigte sich zum Abschluss der Testphase aber zuversichtlich, dass Gesichtserkennungssysteme eingeführt werden könnten.
Michael Stempfle, ARD Berlin
tagesschau 20:00 Uhr, 24.01.2020, Michael Stempfle, ARD Berlin
Der Minister plant aber offenbar Einschränkungen: Laut einem Entwurf für das neue Bundespolizeigesetz, der dem ARD-Hauptstadtstudio vorliegt, will Seehofer der Bundespolizei nun doch nicht erlauben, an sicherheitsrelevanten Orten Software zur Gesichtserkennung einzusetzen. Der Entwurf sei am Donnerstag zur Abstimmung an die Ressorts gegangen.
In einem älteren Entwurf, aus dem die Agentur dpa zitiert, hieß es noch, die Bundespolizei könne Daten aus Bildaufzeichnungsgeräten "automatisch mit biometrischen Daten abgleichen", die sie zur Erfüllung ihrer Aufgaben weiterverarbeitet oder für die sie eine Berechtigung zum Abruf hat. Dies gelte allerdings nur, "soweit es sich um Daten von Menschen handelt, die ausgeschrieben sind". Dieser Passus wurde nun gestrichen. In der neuen Fassung ist nur noch von der Nutzung von Bildaufzeichnungsgeräten die Rede.
Keine grundsätzliche Abkehr
Eine grundsätzliche Abkehr von der automatisierten Gesichtserkennung soll das aber nicht sein. "Hier hat kein Umdenken des Ministers stattgefunden", versicherte ein Seehofer-Sprecher. Das Innenministerium sei nach wie vor der Ansicht, dass die Gesichtserkennung einen wertvollen Beitrag zur Arbeit der Bundespolizei leiste. Es gebe aber noch juristische Fragen sowie Fragen der gesellschaftlichen Akzeptanz.
Kameraeinsatz "in klar definierten Grenzen" gefordert
Der innenpolitische Sprecher der Unionsfraktion, Mathias Middelberg (CDU), zeigte sich unzufrieden mit der Neufassung. "Wir wollen daran festhalten: die Bundespolizei sollte künftig in klar definierten Grenzen Kameras zur Gesichtserkennung einsetzen dürfen", sagte er auf Anfrage. Schließlich gehe es dabei nicht um eine flächendeckende Überwachung der Bürger, sondern um"die gezielte Suche nach Schwerstkriminellen und Terroristen an besonders gefährdeten Bahnhöfen oder Flughäfen".
Mit dieser Technik hätte man beispielsweise den Terroristen Anis Amri, der im Dezember 2016 in Berlin zwölf Menschen getötet hatte, auf seiner Flucht aufspüren können, so Middelberg.
Datenschützer gegen Gesichtserkennungs-Technologie
Anders argumentiert der Bundesbeauftragte für Datenschutz, Ulrich Kelber. Er warnt vor dem Einsatz von Technologien zur Gesichtserkennung im öffentlichen Raum.
Grundsätzlich stelle die biometrische Gesichtserkennung "einen potenziell sehr weitgehenden Grundrechtseingriff dar, der auf jeden Fall durch konkrete Vorschriften legitimiert sein müsste", sagte der SPD-Politiker dem "Redaktionsnetzwerk Deutschland" Anfang der Woche. Eine solche Legitimation sehe er derzeit nicht. Daher würde er es begrüßen, "wenn in Europa die Gesichtserkennung im öffentlichen Raum untersagt würde". Für ein solches europaweites Verbot sprach sich auch die SPD-Vorsitzende Saskia Esken aus.
Berichte über eine gigantische Datenbank zur Gesichtserkennung aus den USA hatten in den vergangenen Tagen Besorgnis ausgelöst. Ein Einsatz derartiger Systeme sei durch die Sicherheitsbehörden des Bundes nicht geplant, teilte das Bundesinnenministerium umgehend mit. Doch grundsätzlich solle die Polizei nicht auf Gesichtserkennung verzichten, denn sie sei ein wichtiges Instrument für mehr Sicherheit.
Seehofer verzichtet auf Gesichtserkennung durch Bundespolizei
Angela Tesch, ARD Berlin
24.01.2020 09:02 Uhr
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