Bundestag

Verkleinerung des Bundestags Ampel legt Entwurf für Wahlrechtsreform vor

Stand: 16.01.2023 05:09 Uhr

Der Bundestag ist mit 736 Abgeordneten so groß wie nie zuvor. Das will die Ampel-Regierung ändern. Die Fraktionen haben einen Gesetzesentwurf für die Wahlrechtsreform vorgelegt. Das Ziel: zurück zur Regelgröße.

Die Fraktionen von SPD, Grünen und FDP haben einen Gesetzesentwurf für eine Wahlrechtsreform vorgelegt. Demnach soll der stark vergrößerte Bundestag wieder schrumpfen - auf die gesetzlich vorgesehene Regelgröße von 598 Abgeordneten.

Bei den vergangenen Bundestagswahlen war das Parlament immer weiter gewachsen - auf aktuell 736 Sitze. Grund sind Überhang- und Ausgleichsmandate.

Überhang- und Ausgleichsmandate abschaffen

Diese sollen laut Gesetzesentwurf, der mehreren Nachrichtenagenturen vorliegt, nun abgeschafft werden. Überhangmandate entstehen, wenn eine Partei über die Erststimmen mehr Direktmandate erringt, als ihr nach dem Zweitstimmenergebnis zustehen. Letzteres entscheidet, welche Partei wieviele Sitze im Bundestag bekommt. Die zusätzlichen Direktmandate darf die Partei behalten.

Die anderen Parteien erhalten dafür Ausgleichsmandate. Bei der Bundestagswahl 2021 gab es insgesamt 138 Überhang- und Ausgleichsmandate. Davon entfielen 41 auf die Union, 36 auf die SPD, 24 auf die Grünen, 16 auf die FDP, 14 auf die AfD und sieben auf die Linkspartei.

"An einer Reform des Wahlrechts führt kein Weg vorbei", sagte der Grünen-Abgeordnete Till Steffen der "Frankfurter Allgemeinen Zeitung". „Hier geht es nicht nur um die Arbeitsfähigkeit des Parlaments und explodierende Kosten. Es geht vielmehr auch um die Glaubwürdigkeit der Politik und die Reformfähigkeit unseres Landes."

Blick in den Plenarsaal des Bundestages

Ein guter Vorsatz der Politik für 2023 lautet, den Bundestag auf Normalmaß zu schrumpfen. mehr

"Hauptstimmen" sollen über Sitzverteilung entscheiden

Laut Entwurf sollen künftig nur die Zweitstimmen für die Stärke der Parteien im Bundestag ausschlaggebend sein - genannt "Hauptstimmen". Diese Stimmen entscheiden, wie viele der 598 Bundestagsmandate jeder Partei bundesweit zustehen. Diese Plätze werden dann durch die Landeslisten der Parteien und durch die "Wahlkreisstimme", die heutige Erststimme, besetzt.

Gewinnt eine Partei mit der "Wahlkreisstimme" weniger Wahlkreise direkt, als ihr Bundestagsmandate aus der "Hauptstimme" zustehen, werden die restlichen Mandate über die Landesliste vergeben.

Direkt gewählte Abgeordnete könnten leer ausgehen

Gewinnt die Partei aber mehr Wahlkreise direkt, als Sitze nach dem "Hauptstimmen"-Ergebnis auf sie entfallen, gehen die Kandidatinnen und Kandidaten mit dem schlechtesten "Wahlkreisstimmen"-Ergebnis leer aus. "Die erfolgreiche Kandidatur im Wahlkreis setzt also künftig neben der relativen Mehrheit eine Deckung durch "Hauptstimmen" voraus", heißt es dazu im Gesetzesentwurf.

In dem Entwurf ist vorgesehen, dass es bei der bisherigen Einteilung in 299 Wahlkreise bleibt. Die schwarz-rote Vorgängerregierung hatte beschlossen, dass zur Bundestagswahl 2025 die Zahl der Wahlkreise von 299 auf 280 verringert wird. Sollte es keine Einigung auf die Wahlrechtsreform geben, würde die bisherige Gesetzeslage mit einer Verringerung der Wahlkreise weiterhin gelten.

Ein Wahllokal in Berlin.

Künftig sollen nur die Zweitstimmen, genannt "Hauptstimmen" über die Sitzverteilung im Bundestag entscheiden.

Ampel will Union überzeugen

Die Vorsitzenden der Ampel-Fraktionen schickten den Entwurf laut Nachrichtenagentur dpa vorab an Unions-Fraktionschef Friedrich Merz und boten ihm Gespräche darüber an.

"Die Fraktionen der demokratischen Mitte eint, eine massive Vergrößerung des Bundestages über seine gesetzliche Regelgröße für zukünftige Bundestagswahlen vermeiden zu wollen", heißt es in dem Schreiben. "Deshalb möchten wir für die nächste Bundestagswahl eine Lösung finden, die breit getragen werden kann."

Blick auf das leere Plenum des Bundestags

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Kritik an Plänen erwartet

Selbst in in den eigenen Reihen dürfte es Kritik an den Plänen geben - denn Abgeordnete aus allen Parteien könnten dadurch bei der nächsten Wahl ihr Mandat verlieren. Aber auch die Union könnte sich querstellen - denn sie hat in der Vergangenheit am meisten von den Ausgleichs- und Überhangmandaten profitiert und Wahlrechtsreformen verhindert.

Grünen-Verhandler Steffen sagte der "FAZ", die Ampel strebe einen "möglichst breiten" Konsens an und wolle auf die Union zugehen. "Unser Gesprächsangebot ist ernst gemeint. Keine Option ist allerdings, die Reform in die nächste Legislatur zu verschleppen, eine Verkleinerung des Bundestags ist lange überfällig."

Die CSU hält die Pläne der Ampel-Koalition für verfassungswidrig. "Gewählten Wahlkreiskandidaten das Mandat zu verweigern, ist eine eklatante Missachtung des Wählerwillens und des Rechtsstaats- und Demokratieprinzips", sagte Stefan Müller, Parlamentarischer Geschäftsführer der CSU im Bundestag, dem Nachrichtenportal "The Pioneer"

Die Fraktionen wollen schon kommende Woche über den Gesetzesentwurf beraten. Anschließend soll er ins parlamentarische Verfahren eingebracht werden, das bis Ostern abgeschlossen sein soll. Die Ampel erwartet, dass sich auch das Bundesverfassungsgericht mit dem Gesetzesentwurf befassen wird. Der CDU-Abgeordnete Ansgar Heveling warnte vor einem "verfassungswidrigen Kappungsmodell" und drohte bereits mit einer Klage in Karlsruhe.

Dietrich Karl Mäurer, Dietrich Karl Mäurer, ARD Berlin, 15.01.2023 17:44 Uhr

Dieses Thema im Programm: Über dieses Thema berichtete Inforadio am 15. Januar 2023 um 18:01 Uhr.