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Analyse

Kommunen und Dürre Kommt die Wasserstrategie zu spät?

Stand: 19.07.2022 14:59 Uhr

Die Wasserversorgung wird in Kommunen immer mehr zum Problem. Dabei hat das Umweltministerium eigentlich längst eine nationale Wasserstrategie angekündigt. Warum kommt die kaum voran?

Eine Analyse von Eva Huber, ARD Berlin

Der Landkreis Steinfurt in Nordrhein-Westfalen hat verboten, Wasser aus Oberflächengewässern zu entnehmen. Der Wasserverband WSE in Brandenburg schreibt bei Neuverträgen eine Deckelung des Wasserverbrauchs vor. Zwar sind die Prognosen zum Klimawandel bekannt - Jörg Drewes ist trotzdem überrascht: "Die Konsequenzen hätte ich so schnell nicht erwartet, in dieser Dramatik und Häufigkeit," sagt der Leiter des Lehrstuhls für Siedlungswasserwirtschaft an der Technischen Universität München.

Drewes beschäftigt sich damit, wie Gemeinden und Städte ihre Wasserversorgung gut organisieren und warnt, Deutschland müsse umsteuern. Er sieht darin eine Generationenaufgabe. Es brauche enorme Ressource, "weil wir in der Wasserinfrastruktur extrem träge Systeme haben. Wir können die nicht über Nacht schnell anpassen."

Digitalisierung der Wasserversorgung

Das fängt bei den Leitungen an, durch die das Trinkwasser fließt und geht weiter bei den Daten. Wer wie viel Wasser verbraucht, wird meist noch händisch am Wasserzähler abgelesen und auf Papierzetteln festgehalten. Das muss sich ändern findet auch das Bundesumweltministerium. Deutschland brauche mehr Klarheit, wie sich Wassermengen und der Bedarf an Wasser entwickele, schreibt das Ministerium auf Anfrage von tagesschau.de.

Das sind nur zwei von vielen Baustellen. Dafür, wie diese angegangen werden können, soll eine nationale Wasserstrategie der Bundesregierung die Marschrichtung vorgeben. Bereits vor einem Jahr, im Juni 2021, hat die damalige Umweltministerin Svenja Schulze, SPD, einen Entwurf vorgelegt. Er basiert auf einem zweijährigen Dialog mit 200 Teilnehmenden aus Wasserwirtschaft, Forschung, Landwirtschaft, Verbänden und Bundesländern.

Nationale Wasserstrategie soll bis Dezember durchs Kabinett

Doch die Vorgängerregierung von Union und SPD konnte sich nicht endgültig einigen. Da sei zu oft zu viel Streit in der Bundesregierung gewesen, sagt der CDU-Bundestagsabgeordnete und Unions-Fraktionsvize Steffen Bilger selbstkritisch. Außerdem sei der Entwurf damals erst kurz vor der Bundestagswahl fertig gewesen.

"Umso bedauerlicher, dass die aktuelle Bundesregierung es nicht geschafft hat, jetzt diese vielen Monate seit der Bundestagswahl in der Regierungsbildung zu nutzen, um die Abstimmung innerhalb der Bundesregierung zum Ende zu bringen," ergänzt Bilger. Umweltministerin Steffi Lemke von den Grünen hat angekündigt, dass die Wasserstrategie bis Jahresende durchs Kabinett soll. Zu spät, findet Bilger.

Deutschland ist kaum vorbereitet auf die Klimakrise

Drewes kritisiert, dass die Auswirkungen der Klimakrise und die Entwicklung schon lange bekannt seien: "Insofern hätte man sich wünschen können, dass die Initiative noch ein bisschen früher an Fahrt aufnimmt." Deutschland scheint kaum vorbereitet auf die Auswirkungen der Klimakrise für die Wasserversorgung.

Dazu kommt, dass sich viele Maßnahmen nicht von heute auf morgen umsetzen lassen. Wichtig findet Umweltministerin Lemke zum Beispiel, dass wieder mehr Regenwasser in der Landschaft bleibt und so ins Grundwasser sickert. Anstatt schnell in Flüsse und weiter ins Meer abzufließen. Mittel- und langfristig sei es die beste Möglichkeit, "das Wasser in der Natur zu speichern, damit wir es als Krisenvorsorge dann zur Verfügung haben", sagt die Grünen-Politikerin im ARD-Morgenmagazin.

Naturschutzprojekte: Mehr Wasser in der Landschaft halten

Das soll im Aktionsprogramm Natürlicher Klimaschutz gefördert werden. Im September will Lemke einen Entwurf präsentieren. Die meisten Förderprogramme werden wegen der langen Vorlaufzeiten erst nach und nach 2023 und 2024 anlaufen können, erklärt das Ministerium. Der umweltpolitische Sprecher der Grünen im Bundestag, Jan-Niclas Gesenhues, verteidigt das. Mit vier Milliarden Euro stecke viel Geld im Aktionsprogramm, das müsse gründlich vorbereitet werden.

Wer hat Vorrang bei der Wasserversorgung?

Grünen-Politiker Gesenhues will außerdem die Frage genauer regeln, wer im Krisenfall zuerst mit Wasser versorgt wird. "Wenn wir solche Zeiten haben von Wasserknappheit, dann muss der öffentlichen Wasserversorgung ganz konsequent Vorrang gegeben werden," sagt Gesenhues.

Die öffentliche Wasserversorgung ist für rund 20 Prozent der entnommenen Wassermenge verantwortlich. Etwas mehr als 20 Prozent entnimmt die Industrie. Die Energieversorger benötigen - zum Beispiel zur Kühlung - noch mehr, nämlich ungefähr die Hälfte des deutschen Jahreswasserbedarfs.

"In unser aller Interesse"

CDU-Politiker Bilger sagt, es dürfe kein Gegeneinander geben. Die Trinkwasserversorgung habe oberste Priorität. Aber auch viele andere Bereiche würden Wasser nicht verschwenden. "Wenn Kraftwerke gekühlt werden müssen, dann ist das in unser aller Interesse. Wenn die Landwirtschaft Wasser benötigt, um Nahrungsmittel regional anzubauen, dann ist das auch in unser aller Interesse," sagt Bilger.

Die Zeit drängt, wichtige Weichen müssen gestellt werden. Gleichzeitig ist die Situation in Deutschland immer noch deutlich besser als in anderen europäischen Ländern. Einen allgemeinen Wassernotstand gibt es nicht. Derzeit also kein Grund zur Panik oder wie Lemke es formuliert: "Es muss jetzt niemand das Duschen einstellen."

Eva Huber, Eva Huber, ARD Berlin, 19.07.2022 17:29 Uhr

Dieses Thema im Programm: Über dieses Thema berichtete Deutschlandfunk am 24. Juni 2022 um 14:26 Uhr.