Ein Schüler, der aus der Ukraine stammt, nimmt am Unterricht einer Vorbereitungsklasse teil.

Kinder aus der Ukraine So klappt die Integration in den Schulen

Stand: 25.02.2023 11:53 Uhr

Mehr als 200.000 Kinder, die aus der Ukraine geflüchtet sind, gehen in Deutschland zur Schule. Die Integration in den Unterricht klappt sehr unterschiedlich. Viele Schulen fühlen sich allein gelassen.

Die Kinder aus der Ukraine seien zum Teil sehr verschlossen, man merke ihnen an, dass sie Schlimmes erlebt haben, erzählt der Leiter einer Grundschule aus der Region Trier. "Wir als Lehrkräfte können nur schwer psychosoziale Unterstützung neben der Lehrtätigkeit geben. Wir müssen gleichzeitig auch noch Unterrichtsstoff und Inhalte vermitteln."

Seinen Namen will der Schulrektor - wie andere auch - nicht veröffentlicht sehen. So könne er offen reden und Kritik üben, ohne als Landesbeamter Konsequenzen von seiner Dienstaufsichtsbehörde zu fürchten. Der Pädagoge fühlt sich von der Politik allein gelassen mit der zusätzlichen Belastung durch die Integration geflüchteter Kinder aus der Ukraine, aber auch aus anderen Ländern.

Wegen der hohen Zahl an neu zugewanderten Schülern sehen sich viele Schulen in Deutschland am Limit. 53 Prozent der Schulleitungen sehen keine Möglichkeit mehr, weitere geflüchtete Kinder aufzunehmen. Das hatte eine repräsentative Umfrage Ende vergangenen Jahres für das Deutsche Schulbarometer der Robert Bosch Stiftung ergeben.

Umgang mit Traumata

Eine große Herausforderung für die Schulen, berichtet der Schulleiter einer Realschule plus in der Region Trier, bestehe darin, dass die geflüchteten Schülerinnen und Schüler zum Teil traumatische Erlebnisse verkraften müssten. Da sei zum Beispiel ein ukrainisches Mädchen, bei der der Verdacht bestehe, sie könnte vergewaltigt worden sein. "Wir als Schule kommen da an die Grenzen unserer Möglichkeiten. Wir bräuchten da personelle und fachliche Unterstützung."

Bei Klassen mit 30 Kindern bleibe kaum Zeit, auf psychische Probleme einzugehen. Das rheinland-pfälzische Bildungsministerium betont, dass jede Schule die Möglichkeit habe, den schulpsychologischen Dienst zu kontaktieren. Viele Schulen verfügten zudem mittlerweile über einen gewissen Stellenanteil an Schulsozialarbeit.

Ein weiteres Problem stellt die Sprachförderung dar. Geflüchtete Kinder besuchen häufig den normalen Regel-Unterricht im Klassenverband. In Deutsch als Fremdsprache werden sie separat unterrichtet. Das Problem aber: Von diesen Deutschstunden würden zu wenige genehmigt, kritisiert die Leitung einer weiteren Grundschule in Rheinland-Pfalz. Das seien lediglich ein oder zwei Stunden in der Woche, wenn es an kleinen Schulen zum Beispiel nur wenige Kinder sind, die in Deutsch als Fremdsprache unterrichtet werden müssen.

"Das ist viel zu wenig, um das Alphabet, um Lesen und Schreiben zu lernen", kritisiert Oliver Pick, stellvertretender Vorsitzender des Verbandes Bildung und Erziehung in Rheinland-Pfalz. "Hilfen für ukrainische Flüchtlingskinder zu beantragen, ist zu kompliziert und mit zu viel Bürokratie verbunden." Und viele Schulen seien personell ohnehin bereits am Limit.

Suche nach Lehrkräften

Kritik kommt auch vom Deutschen Lehrerverband. Zwar stellten Schulbehörden und Ministerien häufig Mittel für zusätzliche Lehrkräfte zur Verfügung. "Bei der konkreten Suche nach Personal werden die Schulen aber weitestgehend allein gelassen", betont Verbandspräsident Heinz-Peter Meidinger. Letztendlich verbleibe der Schwarze Peter bei der einzelnen Schule, die dann entscheiden müsse, welche Lehrangebote gestrichen werden müssen, um die Beschulung von Flüchtlingskindern sicher stellen zu können.

Die Kultusministerkonferenz ist sich der Belastung, unter der Schulen aktuell stehen, bewusst. "Nicht nur mit den Pandemiefolgen und dem bundesweiten Fachkräftemangel müssen die Schulen nun umgehen, sondern auch mit den teils traumatisierten Kindern und Jugendlichen", sagt KMK-Präsidentin Astrid-Sabine Busse und spricht von einer großen Integrationsaufgabe.

Viele Schulen und Lehrkräfte wünschen sich mehr konkrete Hilfe. Ob es ausreichend Sprachförderung gibt, hängt aus Sicht des Deutschen Lehrerverbands von der jeweiligen Situation vor Ort ab. Es gebe Schulen, die das Glück hatten, Lehrkräfte mit der entsprechenden Qualifikation oder vielleicht sogar ukrainische Lehrkräfte mit Deutschkenntnissen zu gewinnen, sagt Verbandspräsident Meidinger. Und dann gebe es Schulen, die dafür kein zusätzliches Personal finden konnten.

Nachteil durch Online-Unterricht?

Der Leiter einer Realschule plus in der Region Trier berichtet, dass die 14 ukrainischen Schülerinnen und Schüler an seiner Einrichtung durch einen Quereinsteiger in Deutsch als Fremdsprache unterrichtet werden - und zwar täglich mehrere Stunden. Das laufe aus Sicht des Pädagogen gut.

Nachteile sieht er allerdings bei der Teilnahme ukrainischer Schüler am Online-Unterricht ihrer Heimatschulen. Denn dadurch lernten diese Schüler die deutsche Sprache deutlich langsamer, als wenn sie komplett am Regel-Unterricht teilnehmen würden. "Wenn die Kinder wegen des andauernden Kriegs nun länger hier bleiben müssen und Deutschland für eine längere Zeit zur Heimat wird, sollte diese Sonderregelung vielleicht abgeschafft werden." Dann brauche es Konzepte und mehr Personal, um die Kinder in den Regelunterricht integrieren zu können.

Das rheinland-pfälzische Bildungsministerium verweist unterdessen auf die Bedeutung dieser Online-Lernangebote für ukrainische Flüchtlinge, die schnellstmöglich in ihre Heimat zurückkehren wollen.

Zuweisung von mehr Lehrerstunden gefordert

Angesichts der hohen Belastung vieler Schulen fordert der Lehrerverband von Bund, Ländern und Kommunen schnellstmöglich ein Zukunftskonzept. "Konkret sollte jedes einer Schule zugewiesenes Kind auch mit einer Zuweisung zusätzlicher Lehrerstunden verbunden sein", fordert Heinz-Peter Meidinger. Wenn also 10 Flüchtlingskinder zusätzlich beschult werden müssten, müsse diese Schule auch 10 bis 15 Stunden mehr bekommen.