
Brandanschlag in Saarlouis Der lange Weg zur Aufarbeitung
Vor fast 30 Jahren starb der Ghanaer Samuel Yeboah bei einem Brandanschlag auf ein Flüchtlingsheim in Saarlouis. Lange sperrte sich die Stadt gegen ein zentrales Andenken an den Toten - bis jetzt.
30 Jahre ist es her, dass der Flüchtling Samuel Kofi Yeboah bei einem Brandanschlag auf ein Asylbewerberheim im saarländischen Saarlouis ums Leben kam. Viele vermuteten damals einen fremdenfeindlichen Tathintergrund. Aber die Polizei stellte ihre Ermittlungen bereits nach elf Monaten ohne Ergebnis ein. Seitdem fordern zahlreiche Gruppierungen in Saarlouis ein zentrales Gedenken an Yeboah. Doch bislang hatte sich die Stadt diesen Forderungen verweigert. Zur Begründung hieß es, es gebe keine Beweise für einen rechtsradikalen Hintergrund, kein Bekennerschreiben.
Im vergangenen Sommer kam allerdings wieder Bewegung in den Fall Yeboah: Die Bundesanwaltschaft zog die Ermittlungen an sich, spricht inzwischen von gravierenden Anhaltspunkten, die auf Fremdenhass als Tatmotiv schließen lassen. Seitdem spricht auch die Stadt wieder über den Fall - und die Stimmung im Bezug auf ein zentrales Gedenken an Yeboah und die Anerkennung eines rechtsextremistischen Tathintergrunds wandelt sich.
"Damals habe ich mich geschämt, Saarlouiser zu sein"
Frank Kerner war in der Tatnacht am 19. September 1991 als Feuerwehrmann vor Ort. Noch heute kann er sich an jedes Detail des Einsatzes erinnern. Man spürt wie sehr ihn die Geschehnisse dieser Nacht mitnehmen, auch fast 30 Jahre danach. Stockend erzählt er von Qualm, Blaulicht, Schreien der Bewohner und schließlich davon, wie Samuel Yeboah von den Einsatzkräften mit schwersten Verbrennungen nach draußen gebracht wurde.
Die Täter hatten Brandbeschleuniger ins hölzerne Treppenhaus geworfen und angezündet. Der 27-jährige Yeboah schlief in einem Zimmer unter dem Dach. Er versuchte durchs Treppenhaus ins Freie zu gelangen, schaffte es aber nicht. 16 weitere Flüchtlinge konnten damals gerettet werden, zwei erlitten Knochenbrüche beim Sprung aus dem Fenster. Die Feigheit der Täter und ihre Kaltblütigkeit erschüttern Kerner noch heute. "Damals habe ich mich geschämt, Saarlouiser zu sein."
Stadt verweigerte jahrelang ein würdiges Andenken
Anfang der 1990er-Jahre gab es in Saarlouis eine aktive rechte Szene und Aufmärsche mitten in der Stadt. Zeitzeugen berichten von regelrechten Hetzjagden auf Ausländer, Punks und Andersdenkende. Direkt nach dem Anschlag fanden große Demonstrationen gegen Rassismus statt, viele Gruppierungen beteiligten sich am Gedenken, zeigten sich solidarisch mit den Geflüchteten und leisteten Hilfe, erzählt Roland Röder von der Aktion "3. Welt Saar". Was er und viele andere Aktivisten bis heute fordern, ist eine aktive Aufarbeitung des Falls Yeboah durch die Stadt Saarlouis. Ihr werfen sie vor, die rechtsextreme Szene dort geleugnet zu haben. Für Röder steht fest: Man wollte das Image der "heimlichen Hauptstadt des Saarlandes" nicht beschädigen.
Saarlouis sah sich selbst als weltoffene, moderne Stadt, da wollte man sich nicht in die Schmuddelecke mit Städten wie Hoyerswerda oder Solingen stellen lassen. Die ergebnislose Einstellung der Ermittlungen sei wohl gerade recht gekommen. "Es konnte nicht sein, was nicht sein durfte", sagt Röder heute.
Doch er und seine Mitstreiterinnen und Mitstreiter hielten die Erinnerung an den Anschlag auf das Flüchtlingsheim und Yeboah wach, organisierten zahlreiche Gedenkveranstaltungen in der Stadt. Er ist sicher: Ohne die Aktivisten von Flüchtlingsrat und Antifa Saar würde heute niemand mehr über das Geschehen von damals reden, Yeboah wäre in Vergessenheit geraten.
Umdenken durch neue Ermittlungen
Zum zehnjährigen Todestag Yeoboahs brachten sie sogar eine Sandsteinplatte am Rathaus an. Auf ihr wird an den "rassistischen Mord" an Samuel Yeboah erinnert. Vielleicht zu viel Provokation - am selben Tag wurde die Gedenktafel entfernt, die Veranstalter der Aktion mussten schließlich einen Strafbefehl über 134,50 Euro bezahlen. Ein Gespräch mit der Stadt schien damals unmöglich.
Inzwischen hat sich das Blatt aber auch im Rathaus gewendet. Ausschlaggebend dafür sind die neuen Ermittlungen der Bundesanwaltschaft, die den Fall nun an sich gezogen hat. Das änderte auch die Haltung in der Stadtspitze maßgeblich. Einstimmig - auch mit den Stimmen der AfD - votierte der Stadtrat für einen offiziellen Gedenktag am Todestag Yeboahs, dem 19. September. Begleitet werden soll er von einem Demokratietraining für Jugendliche.
Im Rathaus kann man sich noch mehr vorstellen. Ein Mahnmal im Zentrum der Stadt, das an die Opfer von Hass, Gewalt und Diskriminierung erinnert und einen Gedenkstein an Yeboah an der Stelle, wo früher das Flüchtlingsheim stand.
Erinnerung mitten in der Stadt
Oberbürgermeister Peter Demmer, erst seit drei Jahren im Amt, tut sich schwer, die Arbeit seiner Vorgänger im Zusammenhang mit dem Fall zu kritisieren. Es habe eben keine Beweise gegeben für einen rassistischen Tathintergrund. Und einige Aktionen der Gegenseite, etwa die Anbringung der Gedenktafel am Rathaus, seien auch nicht gerade förderlich gewesen, die Aufarbeitung voranzubringen. Nachdenklich fügt er allerdings hinzu: Vielleicht hätte man früher ins Gespräch kommen müssen.
Noch findet das Gedenken drei Kilometer von der Stadtmitte entfernt statt auf einem Friedhof am Urnengrab von Yeboah. Ein Bündnis gegen Ausländerfeindlichkeit und Rechtsextremismus hat hier einen Gedenkstein aufgestellt.
Für die Landesvorsitzende der Jusos, Kira Braun, gehört diese Form der Erinnerung aber in die Stadtmitte. Die jetzigen Pläne im Rathaus seien überfällig - damit werde man nicht nur Yeboah endlich gerecht, sondern allen Opfern rassistischer Gewalt in Deutschland. Das sei ein wichtiges Statement und würde auch der Stadt Saarlouis gut stehen.