
Münzen aus der Römerzeit Der Silberschatz von Augsburg
In Augsburg sind mehr 15 Kilogramm Silbermünzen aus der Römerzeit entdeckt worden. Vom größten römischen Silberschatz Bayerns ist die Rede. Forscher erhoffen sich neue Erkenntnisse über das Leben der Römer.
Stefan Krmnicek vom Institut für Klassische Archäologie der Universität Tübingen dreht am Schloss des Safes, gibt einen Zahlencode ein, drückt schließlich einen Hebel zur Seite und zieht die zentimeterdicke Stahltür auf. Zusammen mit seinem Doktoranden Leo Brei betritt er den Safe der Universität. In fünf grauen Plastikboxen liegen die Münzen aus Augsburg zur Restaurierung bereit. Es ist der größte römische Silberschatz, der bislang auf bayerischem Gebiet gefunden wurde. Jede Münze ist einzeln in ein Plastik-Beutelchen gepackt und nummeriert. Rund 5500 Münzen sind es insgesamt.
"Dieser Geldbetrag muss für antike Verhältnisse enorm gewesen sein", sagt Krmnicek. Sie wiegen insgesamt rund 15 Kilogramm. "Das hat sicherlich nicht jemand besessen, der der unteren Gesellschaftspyramide angehörte. Da lässt sich am ehesten an Personen denken, die im Umkreis des Militärs oder des Handels tätig waren."

Gefunden wurden die Münzen einzeln verteilt in einer Baugrube im Stadtteil Oberhausen
Schmutz und Korrosion
Doch noch sind das Mutmaßungen. Denn für die Archäologen beginnt die Arbeit erst. Jede Münze muss nun von Schmutz und Korrosion befreit werden. Anschließend wird sie von beiden Seiten fotografiert, digital katalogisiert und nummeriert. Erst dann, wenn die Forscher jede Münze begutachtet haben und der Gesamtüberblick vorliegt, können sie Schlüsse ziehen. Dass dabei neue - womöglich bahnbrechende - Erkenntnisse über das Leben der Römer in Augsburg während des ersten und zweiten Jahrhunderts nach Christus zutage kommen, ist gut möglich.
Denn neben dem Silberschatz gibt es noch einen zweiten Schatz für die Forscher: Und zwar den glücklichen Umstand, dass der Fundort genau bekannt ist. "Wir haben hier den seltenen Fall, dass ein wirklich massiver Schatzfund vorliegt, der unter ordentlichen archäologischen Feldarbeiten archäologisch geborgen wurde", erklärt Krmnicek. "Das heißt, das ist ein vollständig dokumentierter Fund. Wir haben sämtliche Fund-Zusammenhänge, sämtliche Fund-Informationen." Nur deshalb könnten die Forscher an den Schatz "Fragen stellen", wie Krmnicek das nennt: "Warum wurde dieser Schatz deponiert? Wann wurde er deponiert? Wieso ist er überhaupt in Augsburg niedergelegt worden? Also all die Fragen, die uns zu den antiken Menschen und der Funktion dieses Schatzes zurückführen."
"Augusta Vindelicum"
Gefunden wurden die Münzen einzeln verteilt in einer Baugrube im Stadtteil Oberhausen, der die Keimzelle der Stadt ist. Dort gründeten die Stiefsöhne von Kaiser Augustus etwa 15. v. Chr. ein Militärlager, das später auch als Nachschubdepot genutzt wurden. Deshalb gilt Augsburg nach Trier als zweitälteste Stadt Deutschlands. Später verlieh dann Kaiser Hadrian der Siedlung "Augusta Vindelicum", die um das Militärlager entstanden war, das Stadtrecht. Eine Zeit, über die in Bezug auf die Stadtgeschichte Augsburgs bislang recht wenig bekannt ist.

Der Leiter der Augsburger Stadtarchäologie betrachtet eine Öllampe. Sie gehört zu den bedeutendsten Funden aus der Römerzeit in Augsburg seit mehr als 100 Jahren. Wie die Stadt nun mitteilte, wurden bei den Ausgrabungen an dem Standort auch etwa 15 Kilo Silbermünzen gefunden.
Dass der Schatzfund in diese Zeit fällt, ist für die Forscher ein weiterer Glücksfall und unterstreicht die Bedeutung, die der Fund hat. "Münzen der römischen Kaiserzeit sind im Grunde das Massenmedium der Antike", erklärt Krmnicek. Die Bilder, die auf den Münzen abgedruckt seien, vermittelten zum Beispiel einen Eindruck davon, welche Wertvorstellungen zu der Zeit vorherrschten. Krmnicek zieht sich Gummi-Handschuhe über und nimmt eine der fingernagelgroßen Münzen vorsichtig in die Hand. "Bei dieser Münze haben wir den Kaiser Hadrian auf der Vorderseite und auf der Rückseite eine Darstellung einer weiblichen Figur, die wir jetzt noch nicht bestimmt haben", schildert er. "Selbst 1000 Kilometer entfernt von Rom war das Bildnis des Kaisers also präsent. Jeder hatte dieses Bild gesehen, vom ärmsten Bettler bis zum reichsten Provinzstatthalter. Diese Münze war also auch ein Herrschaftsinstrument."
In etwa drei Jahren sollen die Münzen erforscht sein. Dann wird sich die Frage stellen, wo sie ausgestellt werden. Denn in Augsburg, der Stadt, die so reich an römischer Geschichte ist wie kaum eine andere in Deutschland, hat das Römische Museum seit Jahren geschlossen. Es ist ein Sanierungsfall.