
Studie vorgestellt Große Mehrheit nimmt Rassismus wahr
Nur eine kleine Minderheit bezweifelt, dass es in Deutschland Rassismus gibt. Darüber, wo er beginnt, herrscht allerdings kein Konsens, wie aus dem neu etablierten Nationalen Rassismusmonitor hervorgeht.
Rund 90 Prozent der Deutschen sind der Ansicht, dass es hierzulande Rassismus gibt. Das geht aus der Auftaktstudie zu einem neuen "Rassismusmonitor" hervor. Wie die Erhebung des Deutschen Zentrums für Integrations- und Migrationsforschung (DeZIM) zeigt, haben 45 Prozent der Menschen schon einmal rassistische Vorfälle beobachtet.
Mehr als ein Fünftel der Bevölkerung (etwa 22 Prozent) gibt an, selbst schon von Rassismus betroffen gewesen zu sein. Dabei berichtete junge Menschen häufiger von direkten Rassismuserfahrungen als Ältere.
Rassismus wird in der Studie definiert als eine Ideologie sowie als eine diskursive und soziale Praxis, in der Menschen aufgrund von äußerlichen Merkmalen in verschiedene Gruppen eingeteilt werden, denen per "Abstammung" verallgemeinerte, unveränderliche Eigenschaften zugeschrieben werden.
Paus: "Wir sind auf einem guten Weg"
"Die große Mehrheit in Deutschland erkennt an, dass es Rassismus in Deutschland gibt", sagte Bundesfamilienministerin Lisa Paus (Grüne) bei der Vorstellung der Studie. Die Menschen seien auch bereit, sich dagegen zu engagieren. "Wir sind auf einem guten Weg." Paus kündigte an, das Engagement gegen Rassismus verstärkt fördern zu wollen und verwies dabei auf das geplante Demokratiefördergesetz.
"Deutschland weiß um sein Rassismusproblem", erklärte auch die Rassismus-Beauftragte der Bundesregierung, Reem Alabali-Radovan. Die Erkenntnis von 90 Prozent der Menschen sei "eine gute Nachricht, denn sie ist ein wichtiger Schritt für Veränderung".
Mehrheit sieht Rassismus im Alltag
Der Studie zufolge meinen 65 Prozent, dass es in Behörden rassistische Diskriminierung gibt. 61 Prozent vertraten die Auffassung, es gebe Rassismus im Alltag.
Rund 70 Prozent der Befragten sind demnach bereit, Rassismus entgegenzutreten - etwa bei einer Demonstration oder einer Unterschriftenaktion oder mit Widerspruch im Alltag.
Allerdings sagten auch 45 Prozent der Befragten, Rassismuskritik sei übertrieben und stelle eine Einschränkung der Meinungsfreiheit im Sinne "politischer Korrektheit" dar. Manche, die sich über Rassismus beschwerten, seien "überempfindlich", sagten 33 Prozent, heißt es in der Untersuchung weiter. 52 Prozent vertraten sogar die Auffassung, dass die Betroffenen zu "ängstlich" seien.
Rund 5000 Menschen interviewt
Dabei stellt Rassismus in Deutschland offenbar kein Minderheitenproblem dar. Nur 35 Prozent der Befragten gaben an, noch nie mit Rassismus in Berührung gekommen zu sein, sagte der Direktor des Deutsches Zentrum für Integrations- und Migrationsforschung (DeZIM), Frank Kalter. "Es gibt ein großes Problembewusstsein", fügte Ko-Direktorin Naika Foroutan hinzu.
Der Bundestag hatte 2020 ein bundesweites Diskriminierungs- und Rassismusmonitoring beschlossen, mit dem das DeZIM beauftragt wurde. Für die Auftaktstudie interviewten Wissenschaftler und Wissenschaftlerinnen von April bis August 2021 rund 5000 Menschen. Künftig soll es einen solchen Lagebericht alle zwei Jahre geben.