Der Angeklagte verbirgt sein Gesicht vor Beginn der Urteilsverkündung hinter einem roten Schnellhefter.
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Lebenslange Haft für den Angeklagten im Mordprozess Neuschwanstein

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Lebenslange Haft nach Mord bei Neuschwanstein

Das Landgericht Kempten hat den Angeklagten im Mordprozess Neuschwanstein zu lebenslanger Haft verurteilt. Es stellte eine besondere Schwere der Schuld fest. Damit kann der 31-jährige US-Amerikaner nicht nach 15 Jahren auf Bewährung entlassen werden.

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Lebenslange Haft, so lautet das Urteil im Mordprozess Neuschwanstein. Das Landgericht Kempten sieht es als erwiesen an, dass der Angeklagte, ein 31-jähriger US-Amerikaner, im Juni 2023 unweit des Schlosses eine 21-jährige Frau vergewaltigt und ermordet hat. Zudem habe er versucht, eine 22-jährige Frau zu ermorden. Der Angeklagte ist laut Gericht voll schuldfähig.

Das Gericht stellt auch eine besondere Schwere der Schuld fest. Das bedeutet, dass der 31-jährige US-Amerikaner nicht nach 15 Jahren auf Bewährung aus der Haft entlassen werden kann. Eine Sicherungsverwahrung ordnete das Gericht nicht an. Der Angeklagte nahm das Urteil regungslos entgegen, sein Blick war auf den Boden gerichtet. Das Urteil ist noch nicht rechtskräftig, ein Antrag auf Revision ist binnen einer Woche möglich.

Brutale und kaltblütige Tat

In seiner Begründung betont der Richter, dass der Täter bereit war, über Leichen zu gehen und sich völlig rücksichtslos verhalten hat. Es hätte wohl jeden als Opfer treffen können. Es sei reiner Zufall gewesen, dass sich der 31-Jährige und die beiden Frauen begegnet seien. Das sexuelle Motiv sei von Anfang an klar handlungsleitend gewesen, so der Richter. Die später getötete 21-Jährige rechnete nicht mit einem Angriff auf ihr Leben. Sie sei arg- und wehrlos gewesen. Der Angeklagte sei körperlich überlegen und habe sich so gegen beide Frauen durchsetzen können.

Die 22-Jährige, die den Angriff überlebte, habe er loswerden wollen und sie deshalb in die Schlucht gestoßen. Bei dem Stoß habe er billigend in Kauf genommen, dass der Absturz über die Felskante tödlich sein könnte. "Das Einzige, was ihn interessiert hat, war, dass er sie möglichst schnell und effektiv loswird", so der Richter in der Urteilsbegründung. Das Opfer werde noch lange mit den psychischen Folgen des Angriffs zu kämpfen haben.

Zwei Mordmerkmale sind erfüllt

Der Richter zählt in seiner Begründung des Urteils noch einmal die zahlreichen Verletzungen der 21-Jährigen auf und schildert die Vergewaltigung. Die Tat sei unfassbar brutal und unfassbar kaltblütig gewesen, so der Richter. Als der 31-Jährige auch die 21-Jährige in die Schlucht gestoßen hatte, habe er seinen Weg völlig unbeeindruckt fortgesetzt. Die Festnahme sei reiner Zufall gewesen, weil er nochmal den Zeugen zusammen mit den Polizisten über den Weg gelaufen sei. Das Landgericht sieht bei dem Fall zwei Mordmerkmale erfüllt, Heimtücke und die Befriedigung des Geschlechtstriebs. Das dritte von der Staatsanwaltschaft vorgetragene Mordmerkmal, Ermöglichung einer weiteren Tat, sieht das Gericht nicht als gegeben.

Vater der Getöteten im Gerichtssaal

Beim Prozess am Montag ist der Vater der getöteten 21-Jährigen im Gerichtssaal. Als er kurz vor Beginn der Urteilsverkündung den Saal betritt, ist es kurz ganz still. Der gesamte Prozess wird für ihn simultan ins Englische übersetzt. Seine Frau, die Mutter der Getöteten, ist nicht dabei. Er hört zu Beginn der Urteilsverkündung konzentriert und äußerlich gefasst zu, erst als der Richter in seiner Begründung zur Vergewaltigung und Tötung der 21-Jährigen kommt, weint ihr Vater bitterlich.

Nach Angaben seines Anwalts Michael Pösl ist die Familie mit dem Urteil und dem Prozessverlauf zufrieden. Besonders wichtig sei es dem Vater gewesen, dass das Gericht die besondere Schwere der Schuld feststellt. Denn so sei gewährleistet, dass der Mann nicht nach 15 Jahren aus der Haft entlassen werden könne. Das bringe ihm, so der Vater, seine Tochter nicht wieder zurück, er sei der deutschen Justiz aber dankbar, dass der Fall so gut aufgearbeitet worden sei.

Im Video: BR-Korrespondent Rupert Waldmüller zum Neuschwanstein-Prozess

BR-Reporter Rupert Waldmüller
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BR-Reporter Rupert Waldmüller

Angeklagter zeigt keine Regung

Wie bei den vorhergehenden Prozesstagen hat der Angeklagte beim Betreten des Gerichtssaals sein Gesicht hinter einem roten Schnellhefter verborgen. Seine Hände sind mit Handschellen gefesselt, die ihm erst am Platz abgenommen werden. Bei der Verkündung des Urteils zeigt der Mann wie schon die meiste Zeit des Prozesses keine Regung. Er schaut starr nach unten auf den Boden. Dabei bleibt er auch, während der Richter noch einmal die Taten schildert. Nur zweimal während des gesamten Prozesses hat der Mann eine Reaktion gezeigt: einmal, als ein Brief der Überlebenden vorgelesen wurde, und als die Fotos vom Tattag und das Video der Tat gezeigt wurden. Beide Male brach er in Tränen aus.

Verteidigung kündigt Revision an

Der Verteidiger des Angeklagten, Alexander Stevens, hat in einer ersten Stellungnahme angekündigt, dass man im Auftrag seines Mandanten Revision gegen das Urteil beantragen werde. Für diesen Antrag habe man eine Woche Zeit. Ob man dann tatsächlich Revision einlegen werde, müsse man noch prüfen. Dafür sei die schriftliche Begründung des Urteils notwendig, so der Verteidiger. Solange nicht über die Revision entschieden ist, ist das Urteil nicht rechtskräftig und der 31-jährige US-Amerikaner bleibt in Untersuchungshaft.

Haft in Deutschland oder den USA?

Da der verurteilte Straftäter die US-amerikanische Staatsbürgerschaft hat, ist es grundsätzlich möglich, dass er einen Teil oder sogar die gesamte Haftstrafe in seiner Heimat absitzt, so Professor Christoph Safferling von der Universität Erlangen im BR24live. Voraussetzung dafür sei allerdings, dass das Urteil rechtskräftig ist, der Mann das auch möchte und einen entsprechenden Antrag stellt. Dann werden mittels eines Rechtshilfeersuchens die Bedingungen dafür zwischen den USA und Deutschland ausgehandelt. Eine Resozialisierung sei im Heimatland eines Straftäters oft einfacher, so Professor Safferling, da er dort Kontakt zu Familie und Freunden haben könne. Es sei aber auch möglich, dass der 31-Jährige die komplette Haftzeit in Deutschland verbringe.

Opfer zufällig ausgewählt

Der Mann, der als Tourist in Deutschland war, hatte am 14. Juni vergangenen Jahres eine 21-jährige US-amerikanische Touristin in der Nähe der Marienbrücke bei Schloss Neuschwanstein angegriffen und gewürgt. Als deren 22-jährige Freundin der Frau zu Hilfe eilte, hatte der Amerikaner diese laut Landgericht in die Pöllatschlucht gestoßen. Anschließend strangulierte er die 21-jährige Studentin bis zur Bewusstlosigkeit, vergewaltigte die junge Frau und warf sie ebenfalls in die Schlucht. Die 21-Jährige starb wenige Stunden nach dem Angriff im Krankenhaus. Ihre Freundin überlebte den Sturz über 50 Meter in die Tiefe mit Platzwunden, Schürfwunden und Prellungen.

Video: BR24live zum Nachschauen

Der Angeklagte wird in den Gerichtssaal (Landgericht Kempten) geführt.
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Urteil Prozess Neuschwanstein-Mord

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