Aktivisten in Lützerath | REUTERS

Lützerath Polizei kündigt mögliche Räumung ab Mittwoch an

Stand: 09.01.2023 14:00 Uhr

Am Mittwoch sei mit der Räumung des besetzten Dorfes Lützerath zu rechnen, so die Polizei. Die Beamten stellen sich auf einen schwierigen Einsatz mit großen Risiken ein. Friedliche Proteste sollen hingegen geschützt werden.

Die Räumung des von Klimaaktivisten besetzten Dorfs Lützerath im rheinischen Braunkohlerevier soll frühestens am Mittwoch beginnen. Am Dienstag bietet die Polizei im nahegelegenen Erkelenz zunächst noch eine Informationsveranstaltung für alle Interessierten an, wie der Aachener Polizeipräsident Dirk Weinspach auf einer Pressekonferenz sagte. Die Polizei stehe vor einem einem "schwierigen, herausfordernden Einsatz mit erheblichen Risiken".

Zuvor hatte Weinspach dem WDR gesagt, die Aachener Polizei schaue "sorgenvoll" auf die kommenden Tage und Wochen. Es werde "ein herausfordernder Einsatz mit vielen Risiken".

Besetzung von Großgeräten "hochgefährlich"

Der hauptverantwortliche Einsatzleiter Wilhelm Sauer sagte auf der Pressekonferenz, in dem nicht mehr bewohnten Dorf seien Gebäude besetzt und Baumhäuser errichtet worden, zudem gebe es "Widerstandsstrukturen" wie Gräben, Löcher und Barrikaden. Es sei auch möglich, dass der Tagebau selbst, große Geräte, Kohlekraftwerke, Kohlebunker oder Transportwege besetzt würden. Eine Besetzung der Großgeräte wäre "hochgefährlich", ebenso wie das Graben am Tagebau selbst.

Die Polizei stelle sich auf gewalttätige, aber auch auf friedliche Demonstrationen ein. Sauer betonte, dass "friedliche, demokratische Protestformen" der Polizei "mehr als willkommen" seien und auch beschützt und begleitet würden.

"Wieder eskaliert, kein gutes Zeichen"

In der vergangenen Woche sei es bei den Lützerath-Protesten überwiegend friedlich geblieben - am Sonntag aber sei es "das erste Mal wieder eskaliert". Unter anderem seien Steine geflogen. "Das ist erstmal kein gutes Zeichen", sagte Weinspach. "Ich hoffe, dass das sich nicht wiederholen wird in der nächsten Woche."

In dem Dorf hatten am Sonntag größere Proteste gegen die Abbaggerung des Dorfes und die angekündigte Räumung durch die Polizei begonnen. Mehrere Tausend Menschen nahmen an einem Dorfspaziergang teil, es gab einen Gottesdienst und ein Konzert. Im Anschluss an den Auftritt der Band AnnenMayKantereit sei es zu Auseinandersetzungen mit Einsatzkräften gekommen sein, berichtete die Polizei. Demonstranten hätten eine Veranstaltungsfläche gestürmt.

Es handle sich bei den Aktivisten in Lützerath um eine "gemischte Szene", sagte Weinspach. Überwiegend sei sie "bürgerlich und friedlich orientiert". Ein kleiner Teil sei zu Gewaltstraftaten bereit. "So war es zumindest in der Vergangenheit."

Reul: "Es bleibt uns keine Wahl"

Nordrhein-Westfalens Innenminister Herbert Reul (CDU) sagte im gemeinsamen Morgenmagazin von ARD und ZDF, er hoffe, dass "das Ganze" nachher nicht "wie immer" in eine Debatte ausarte, ob die Polizei das habe tun müssen. "Es bleibt uns keine Wahl. Wenn wir Zustände wie in anderen Staaten nicht haben wollen - dass Menschen wild auf die Straße gehen, dass Unruhen entstehen -, dann müssen Regeln auch eingehalten werden", sagte er.

"Die meisten, die da demonstrieren, sind vernünftige Menschen, die ein echtes Anliegen haben", sagte Reul. Doch sei das Risiko groß, dass die Auseinandersetzungen von Minderheiten beherrscht würden. "Ein Kompromiss soll jetzt umgesetzt werden", unterstrich Reul. Der Polizei bleibe keine andere Wahl als die Räumung des Ortes, der nur aus drei Häusern bestehe. Es gehe um eine "klitzekleine Einheit".

Nordrhein-Westfalens Wirtschaftsministerin, Mona Neubaur, sagte, sie könne Gewalt nicht akzeptieren. "Wer Einsatzkräfte bedroht oder gar verletzt, überschreitet eine Linie", betonte die Grünen-Politikerin. Sie bitte "alle Beteiligten in und um Lützerath, sich friedlich zu verhalten und nicht an der Eskalationsschraube zu drehen", erklärte die Grünen-Politikerin.

Klimabewegung will Räumung wochenlang aufhalten

Klimaaktivistin Luisa Neubauer hatte zuvor gesagt, die Politik habe nicht mit so viel Widerstand gegen den Abriss des Dorfes gerechnet. "Man merkt, dass anscheinend unterschätzt wurde, welche Kraft in diesem Ort steckt", sagte sie in Lützerath. "Hier zeigt eine Gesellschaft, dass sie versteht: Es geht um alles. Das Dorf hier ist überlaufen von Menschen, die aus der ganzen Republik angereist sind."

Der Energiekonzern RWE will Lützerath im Westen von Nordrhein-Westfalen abreißen, um die darunter gelegene Kohle abzubauen. Boden und Häuser des von Ackerbau geprägten Ortes gehören mittlerweile RWE. In den verbliebenen Räumlichkeiten, deren einstige Bewohner weggezogen sind, wohnen nun allerdings Aktivisten, die Widerstand angekündigt haben. Daher steht wahrscheinlich schon bald ein großer Einsatz der Polizei zur Räumung von Lützerath bevor.

Im vergangenen Jahr hatte die schwarz-grüne Landesregierung von NRW sich mit dem Energiekonzern RWE geeinigt: Der Kohleausstieg soll in NRW auf 2030 vorgezogen werden, mehrere Dörfer am Rande des Tagebaus Garzweiler, die eigentlich abgebaggert werden sollten, können bleiben. Lützerath gehört jedoch nicht dazu.

Über dieses Thema berichtete die tagesschau am 09. Januar 2023 um 09:00 Uhr.