Sahra Wagenknecht spricht auf einer "Friedensdemo" am 25. Februar 2023 in Berlin.
Analyse

Streit über Ukraine-Unterstützung Wie steht die Mitte zu Friedensforderungen?

Stand: 28.02.2023 08:10 Uhr

Den Parteien der Mitte tun sich schwer mit den Skeptikern von Waffenlieferungen. Dabei ist die deutsche Gesellschaft gespalten in der Frage, wie die Ukraine unterstützt werden soll. Die politischen Ränder wollen das für sich nutzen.

Eine Analyse von Torben Ostermann, ARD Berlin

Eins eint die Teilnehmenden an der sogenannten Friedensdemo, die am Wochenende in Berlin stattfand: Sie wollen, dass der Krieg in Europa endet. Man müsse miteinander reden, sagt eine Teilnehmerin. Gewalt würde immer nur noch mehr Gewalt produzieren. So wie diese Demonstrantin dürften viele der schätzungsweise 13.000 Menschen denken, die dem Aufruf der Linken-Politikerin Sahra Wagenknecht und der Publizistin Alice Schwarzer ans Brandenburger Tor gefolgt sind.

Alice Schwarzer zeichnet in ihrer Version einer Friedensrede ein eher düsteres Bild. Man könne diese Atommacht, gemeint ist Russland, nicht besiegen. Sollte man das glauben, so fährt sie fort, könne es das Ende unserer Welt bedeuten. Es sind Sätze wie diese, die im Publikum ankommen. Aus ganz Deutschland haben sich Menschen auf den Weg nach Berlin gemacht, um gegen den Kurs der Bundesregierung zu demonstrieren. Auffällig ist, dass wenig junge dabei sind.

Wagenknecht hat das Potenzial der Waffenskepsis erkannt

Aufgerufen zur Demonstration haben ausschließlich Organisationen der politischen Ränder, von links und von rechts. Dabei sind viele Millionen Deutsche skeptisch, was Waffenlieferungen in die Ukraine betrifft. Viel mehr als die, die sich der Linken oder der AfD zuordnen würden. Laut aktuellem ARD-Deutschlandtrend sprachen sich zuletzt 43 Prozent gegen die Lieferung von Kampfpanzern aus - im Osten sogar knapp 60 Prozent.

"Seit wann ist der Ruf nach Frieden rechts?", ruft Sahra Wagenknecht ins Mikrofon. Sie ist die wahrscheinlich bekannteste Linke Deutschlands. Gleichzeitig mit die unbeliebteste in ihren eigenen Reihen. Wagenknecht hat erkannt, welches Potenzial in der Waffenskepsis steckt und nutzt das auch für sich. Das funktioniert unter anderem auch, weil die Parteien der Mitte mit den Zweiflern wenig anfangen können. FDP-Generalsekretär Bijan Djir-Sarai macht klar, dass Russland derzeit nicht an Verhandlungen interessiert sei und bezeichnet die Demonstrierenden vom Wochenende als naiv.

Ein Teilnehmer einer Demonstration für Verhandlungen mit Russland am Brandenburger Tor hält ein Plakat mit der Aufschrift "Sarah + Alice - Frauenpower für den Frieden"

"Wagenknecht hat erkannt, welches Potential in der Waffenskepsis steckt". Teilnehmer einer Demonstration für Verhandlungen mit Russland am 25. Februar in Berlin.

Logik von Krieg und Gewalt?

Die Furcht vor einer Ausweitung des Krieges ist nicht nur am politischen Rand vertreten. Sachsens CDU-Ministerpräsident Michael Kretschmer bedauert fehlende diplomatische Initiativen und verurteilt eine - so wörtlich - "Logik von Krieg und Gewalt".

Anders äußert sich sein Parteikollege Roderich Kiesewetter, Außenpolitiker der Unionsfraktion und ein deutlicher Kritiker der Schwarzer-Wagenknecht-Initiative. Kiesewetter warnt davor, die Ukraine nicht mehr zu unterstützen. Dieser Schritt könnte andere Länder ermuntern, ähnlich aggressiv wie Russland vorzugehen. Wenn er das sagt, denkt er an den Iran oder China mit Blick auf Taiwan. Auch deswegen hat er einen Gegenbrief zu Wagenknechts Manifest geschrieben. Er will damit seinen Beitrag zur Debatte leisten und die Skeptiker nicht weiter an den politischen Rand treiben.

Keineswegs nur Extreme und Putin-Versteher

Protestforscher warnen mittlerweile davor, den möglicherweise unrealistischen, aber zumindest gut gemeinten Wunsch nach einer Waffenruhe von vorneherein zu verunglimpfen und denjenigen eine Nähe zu Russland zu unterstellen. Dieses führe zu einer Verhärtung der Debatte. Und so versucht die SPD-Vorsitzende Saskia Esken den Spagat. Sie habe großes Verständnis für die Menschen, die sich Sorgen machen -davor, dass der Krieg sich immer weiter ausbreite. Wenig später macht sie allerdings klar, dass sie keinerlei Verständnis für die habe, die mit Russlandfahnen und gemeinsam mit Rechtsaußen demonstrieren würden.

Ähnlich wuchtig äußert sich Vizekanzler Robert Habeck von den Grünen. Er spricht denen, die Wagenknecht folgen, ab, einen Frieden zu wollen. Und wirft ihnen vor, das als Frieden zu verkaufen, was ein imperialistischer Diktator für Europa wolle. Eine klare Ansage an die Demonstranten.

Etwa 700.000 Menschen haben die Petition von Wagenknecht und Schwarzer bisher unterschrieben. Ein Blick auf die Liste der Unterzeichner macht klar, dass es sich keineswegs nur Extreme und Putin-Versteher handelt, sondern auch um Menschen aus der Mitte. Der russische Angriffskrieg werde noch lange dauern, befürchten Experten. Und so wird auch die Debatte um das deutsche Engagement weitergehen. Der Parteien der Mitte fällt es sichtlich schwer, dem Friedenswunsch von Teilen der Bevölkerung zu begegnen.

Torben Ostermann, Torben Ostermann, ARD Berlin, 28.02.2023 07:16 Uhr

Dieses Thema im Programm: Über dieses Thema berichtete Deutschlandfunk am 28. Februar 2023 um 05:11 Uhr.