
BGH-Entscheidung Warum die Rücksicht Vorfahrt hat
Wer wann und wie Vorfahrt hat, ist eigentlich klar geregelt. Aber was ist bei einer beidseitigen Fahrbahnverengung? Der BGH hat nun entschieden: In solchen Fällen hat keiner automatisch Vorfahrt, alle müssen Rücksicht nehmen.
Wo sich zwei Fahrstreifen der Straße zu nur einem verbinden, sollten Fahrer nicht auf Vorfahrt pochen. Das hat der Bundesgerichtshof (BGH) entschieden. "Ein regelhafter Vorrang eines der beiden bisherigen Fahrstreifen besteht nicht", so die Karlsruher Richter.
Bei dem zu verhandelnden Fall ging es um einen Unfall, der sich im Jahr 2018 in Hamburg ereignet hatte: Ein Auto war mit einem Laster kollidiert, kurz bevor sich die Fahrbahn von zwei Spuren auf eine verengte. Laut BGH gibt es in einer solchen Situation keine spezielle Regel. Es gilt nicht "rechts vor links", auch nicht das Reißverschlussverfahren, sondern der allgemeine Grundsatz im Straßenverkehr, dass die Verkehrsteilnehmer Rücksicht aufeinander nehmen müssen.
In dem konkreten Fall waren Auto und Laster gleichauf unterwegs gewesen. Hinter einer Ampel wurde die Straße einspurig, auf der Fahrbahn war die Stelle mit dem Zeichen für "beidseitige Fahrbahnverengung" markiert. Der Lasterfahrer zog nach rechts, weil er das Auto nicht gesehen hatte. Die Autofahrerin wiederum war davon ausgegangen, dass sie Vorfahrt habe. Beide Fahrzeuge wurden beschädigt. Der Fall ging vor Gericht, weil die Eigentümerin des Autos den Schaden nicht teilen wollte.
Art der Fahrbahnverengung entscheidend
Es gilt aber zu beachten, um was für eine Form von Fahrbahnverengung es sich handelt: Im konkreten Fall hatte sich die Fahrbahn von zwei Spuren auf eine verengt. Dafür gibt es ein spezielles Schild, bei dem beide Fahrbahnen in einer münden. Endet ein Fahrstreifen komplett, dann müssen diejenigen, die darauf unterwegs waren, sich im Reißverschlussverfahren in den anderen Fahrstreifen einordnen.
Wenn sich jedoch beide zu einem verengen, gilt das nicht. Dann müssen sich die Fahrer auf eine individuelle Lösung verständigen und besonders vorsichtig sein: Im Zweifel müssen sie dem anderen die Vorfahrt lassen, so der BGH.
Aktenzeichen: VI ZR 47/21
Mit Material von Gigi Deppe, ARD-Rechtsredaktion