Tino Schomann

Flüchtlingspolitik Landrat appelliert an Bundesregierung

Stand: 28.01.2023 04:12 Uhr

Etwa 700 Menschen demonstrierten gegen den Bau einer Flüchtlingsunterkunft im Kreis Nordwestmecklenburg. Auch Landrat Schomann äußert sich in den tagesthemen unzufrieden - und sieht die Bundesregierung in der Pflicht.

Nach den tumultartigen Protesten gegen den Bau einer Flüchtlingsunterkunft im Kreis Nordwestmecklenburg hat der dortige Landrat die Bundesregierung zum Handeln aufgefordert.

"Der Bund muss endlich die Lage der Kommunen erkennen", sagte Tino Schomann am Freitagabend in den ARD-tagesthemen mit Blick auf die Situation bei der Flüchtlingsunterbringung.

"Der Bund muss begrenzen und steuern, muss die illegale Migration stoppen und muss die Abschiebeoffensive endlich starten, um auch Kapazitäten freiwerden zu lassen", forderte der CDU-Politiker. "Wir laufen in eine Situation, die die Gesellschaft nicht mehr verstehen kann", warnte Schomann. "Wir brauchen die Ressourcen und wir brauchen die Möglichkeiten, um das umzusetzen."

700 Demonstrierende während Kreistagssitzung

Am Donnerstagabend hatten etwa 700 Menschen während einer außerordentlichen Kreistagssitzung in Grevesmühlen gegen den geplanten Bau demonstriert. Einige versuchten, sich Zugang zum nicht-öffentlichen Teil der Sitzung zu verschaffen. 120 Polizeibeamte schirmten die Sitzung ab.

Es wurden vier Strafverfahren unter anderem wegen schweren Hausfriedensbruchs und Verstoßes gegen das Versammlungsgesetz eingeleitet.

"Ein Verhältnis, was nicht passt"

Der Kreistag stimmte in der Sitzung dem Bau der Container-Unterkunft im Dorf Upahl zu. Landrat Schomann sieht den Bau der Flüchtlingsunterkunft insgesamt aber als Notlösung an. "Ich mache keinen Hehl daraus, dass sowohl der Kreistag als auch wir als Verwaltung nicht glücklich damit sind, dass wir diese Entscheidung treffen mussten", sagte er.

400 Menschen unterzubringen in einer Gemeinde, wo 1600 Bürgerinnen und Bürger wohnten - "das ist ein Verhältnis, was nicht passt", räumte Schomann in den tagesthemen ein. Der Bau sei aber nötig wegen der nicht nachlassenden, hohen Zuweisungszahlen. "Die Lage ist so brisant, weil wir keine Unterkunftskapazitäten haben, und schon Sporthallen belegt haben seit November (...)." Er bekomme keine Grundstücke angeboten. "Ich höre immer nur: nein, nein, nein."

Die Container-Unterkunft soll im März fertiggestellt werden. Dann will der Landkreis Asylsuchende aus kurzzeitig als Unterkünften genutzten Sporthallen in Wismar dorthin umsiedeln. Schomann äußerte "auch großes Verständnis für die Sorgen und Ängste der Einwohnerinnen und Einwohner von Upahl". Er versprach alles zu tun, "um diese zu lindern und entstehende Problemlagen mit der temporären Unterkunft zu lösen".

Kommunen "längst an der Leistungsgrenze"

Der Hauptgeschäftsführer des Städte- und Gemeindebunds, Gerd Landsberg, hatte jüngst gewarnt, viele Kommunen seien bei der Unterbringung von Flüchtlingen und Vertriebenen "längst an ihrer Leistungsgrenze". In Deutschland hatten im vergangenen Jahr so viele Menschen Asyl beantragt wie seit 2016 nicht mehr.

217.774 Menschen stellten erstmalig in Deutschland ein solches Schutzersuchen, knapp 47 Prozent mehr als im Jahr davor. Zudem fanden 2022 rund eine Million Kriegsflüchtlinge aus der Ukraine in Deutschland Aufnahme, die keinen Asylantrag stellen mussten.

Über dieses Thema berichteten die tagesthemen am 27. Januar 2023 um 21:45 Uhr.