Josef Schuster, Präsident Zentralrat der Juden in Deutschland
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Nach Treffen mit Aiwanger: Schuster hält Kritik aufrecht

Das Verhältnis des Zentralrats der Juden zu Freie-Wähler-Chef Aiwanger bleibt auch nach einer Aussprache angespannt. Zentralratspräsident Schuster sprach von einem "sachlichen" Treffen, erneuerte aber seine Kritik am Verhalten des Ministers.

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Es ist eine sehr knappe Mitteilung: In fünf Sätzen informiert der Zentralrat der Juden in Deutschland über das Treffen seines Präsidenten Josef Schuster mit dem bayerischen Vize-Ministerpräsidenten Hubert Aiwanger (Freie Wähler) zur sogenannten Flugblatt-Affäre. "Das Gespräch war sachlich", sagt Schuster. Der Zentralratspräsident bleibt aber auch nach dem Austausch bei seiner Kritik daran, wie der Freie-Wähler-Chef auf die Vorwürfe rund um ein antisemitisches Flugblatt und angebliche judenfeindliche Witze als Jugendlicher reagiert hatte.

Schuster betont, er sehe vor allem den unmittelbaren Umgang von Hubert Aiwanger mit den ihm zur Last gelegten Vorwürfen als "problematisch" an. "Das habe ich ihm so auch mitgeteilt", fügte er hinzu. Weitere Angaben zu dem Treffen wollte ein Sprecher des Zentralrats auf BR-Anfrage nicht machen. Bereits Ende August hatte Schuster Aiwanger unter anderem vorgeworfen, er lasse Einsicht und die Bereitschaft zur ehrlichen Auseinandersetzung vermissen.

Knobloch nahm Entschuldigung nicht an

Das Verhältnis zwischen Aiwanger und Vertretern der jüdischen Gemeinschaft in Deutschland bleibt somit weiter angespannt. Schon Anfang des Monats hatte die Präsidentin der Israelitischen Kultusgemeinde (IKG) München und Oberbayern, Charlotte Knobloch, über ein Telefonat mit Aiwanger berichtet. "Ich habe ihm meine Meinung zu ihm, zu seiner Person ganz klar erklärt", sagte sie dem Deutschlandfunk. "Ich habe die Entschuldigung nicht angenommen." Ein IKG-Sprecher sagte dem BR auf Anfrage, derzeit sei kein Treffen mit Aiwanger geplant.

Der Präsident der Lagergemeinschaft Dachau, der Holocaust-Überlebende Ernst Grube, schrieb kurz darauf in der "Jüdischen Allgemeinen", er nehme Aiwanger seine Entschuldigung "überhaupt nicht ab". Er warf dem Minister Vertuschung, Bagatellisierung und eine Täter-Opfer-Umkehr vor, wenn er eine "Schmutzkampagne" der Medien beklage. Darüber hinaus sprachen sich mehrere bayerische KZ-Gedenkstätten gegen einen Besuch des Ministers vor der Landtagswahl am 8. Oktober aus.

Söders Forderung: Gespräch suchen

Ministerpräsident Markus Söder (CSU) hatte Anfang September entschieden, trotz der Vorwürfe an seinem Stellvertreter Aiwanger festzuhalten, riet dem Minister aber, Reue und Demut zu zeigen. Es seien viele Gefühle verletzt worden und zu viel Schaden entstanden. Aiwanger müsse daran arbeiten müsse, "verlorengegangenes Vertrauen zurückzugewinnen". So solle er das Gespräch mit jüdischen Gemeinden suchen und vieles erklären. Der Minister sehe das persönlich ebenfalls so.

Schuster erklärte sich wenige Tage später zu einem Treffen mit Aiwanger bereit. In den vergangenen Tagen bekräftigte der Minister mehrfach, das Gespräch schnell führen zu wollen. "Wenn möglich diskret, um die sensible Thematik nicht zum Spielball des Wahlkampfs in Bayern zu machen", sagte Aiwanger kürzlich der "Jüdischen Allgemeinen". "Und auch nach der Wahl werde ich nichts unversucht lassen, zerrüttetes Vertrauen wieder aufzubauen."

Aiwanger zeigt Verständnis für Knobloch

Zur Kritik Grubes sagte der Freie-Wähler-Politiker: "Ich kann diese Reaktion sehr gut verstehen, es waren ja harte Vorwürfe." Für die Urheberschaft des "scheußlichen" Flugblatts könne er sich aber nicht entschuldigen, weil er es nicht verfasst habe. "Ich habe mich aber entschuldigt, sollte ich anderweitig jemanden verletzt haben." Weitere Erwartungen an ihn, demütiger zu sein und keine Wahlveranstaltungen mehr abzuhalten, aber hätte laut Aiwanger "denen in die Hände gespielt", die ihm im Wahlkampf schaden wollten.

Auch für die Reaktion Charlotte Knoblochs zeigte Aiwanger Verständnis. Dem "Straubinger Tagblatt" sagte er diese Woche: "Dass Frau Knobloch gleich am Telefon eine Entschuldigung annimmt, war überhaupt nicht zu erwarten."

Aiwangers Entschuldigung und Gegenangriff

Aiwanger war vor vier Wochen durch Berichte unter Druck geraten, dass er als Schüler mit einem antisemitischen Flugblatt erwischt worden war. Der Minister räumte dies ein, betonte aber, es nicht geschrieben zu haben. Als Verfasser meldete sich sein älterer Bruder.

Zudem berichteten ehemalige Mitschüler unter anderem, Hubert Aiwanger habe als Jugendlicher judenfeindliche Witze erzählt. Der Minister sagte dazu, er könne das aus seiner Erinnerung weder vollständig dementieren noch bestätigten. Falls er durch sein Verhalten Gefühle verletzt habe, bereue er es zutiefst. "Meine aufrichtige Entschuldigung gilt zuvorderst allen Opfern des NS-Regimes, deren Hinterbliebenen und allen Beteiligten an der wertvollen Erinnerungsarbeit."

Zugleich kritisierte er es als nicht akzeptabel, dass "diese Verfehlungen in einer politischen Kampagne gegen mich und meine Partei" instrumentalisiert werden. "Ich habe den Eindruck, ich soll politisch und persönlich fertiggemacht werden." Den "Schmutzkampagne"-Vorwurf wiederholt nach wie vor immer wieder.

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