
Mehr Tote als Babys Höchstes Geburtendefizit seit 1945
In Deutschland gab es im vergangenen Jahr so viele Geburten wie seit 25 Jahren nicht - und dennoch wurde das höchste Geburtendefizit seit 1945 registriert. Es starben also weit mehr Menschen, als geboren wurden.
Im vergangenen Jahr hat es in Deutschland das höchste Geburtendefizit seit Ende des Zweiten Weltkriegs gegeben. Das teilte das Bundesinstitut für Bevölkerungsforschung (BiB) mit. Das Erstaunliche: Zu diesem Defizit kam es, obwohl gleichzeitig so viele Kinder geboren wurden wie seit 25 Jahren nicht mehr. Die Zahl der Geburten konnte die der Todesfälle nicht ausgleichen.
Konkret standen den rund 796.000 Neugeborenen 2021 laut dem Bericht mehr als eine Million Todesfälle gegenüber. Daraus ergibt sich ein Defizit von rund 228.000.
50. Defizit in Folge
Damit bestätigt sich ein Trend, der sich in Deutschland seit Jahrzehnten abzeichnet: Es gibt mehr Tote als Geburten. Für 2021 wurde bereits das 50. Defizit in Folge registriert. Der letzte Geburtenüberschuss war im Jahr 1971 verzeichnet worden.
Menschen werden älter
Eine wesentliche Ursache für diesen Trend besteht laut BiB darin, dass die Menschen in Deutschland immer älter werden. Das Durchschnittsalter steigt seit Jahren an. Ende 2020 lag es bei 44,6 Jahren. Zum Vergleich: Vor über einem Jahrhundert (1910) lag der Wert noch bei 23,6 Jahren.
Diese gestiegene Lebenserwartung und das Nachrücken großer Jahrgänge in ein höheres Alter ließen die Zahl älterer Menschen ansteigen. Das könne selbst eine gewachsene Zahl von Kindern nicht ausgleichen, so der Bericht weiter.
Weniger potenzielle Mütter
Dass die Zahl der Geburten auf einem hohen Niveau bleibt, ist eher unwahrscheinlich. Denn die Anzahl potenzieller Mütter dürfte laut dem Bericht in den nächsten 20 Jahren zurückgehen. Grund dafür ist demnach, dass dann die kleineren 1990er-Jahrgänge in die "gebärfähige Altersphase" kommen.
Corona hat Trend verstärkt
Auch das Coronavirus ist ein Grund für das erneute Defizit. Denn der Einfluss der Corona-Sterblichkeit hat den bestehenden Trend noch zusätzlich verstärkt. Maßgeblich seien die Folgen der Pandemie aber laut dem Bundesinstitut nicht gewesen.
In den vergangenen 50 Jahren starben in Deutschland gut 6,1 Millionen Menschen mehr, als zur Welt kamen. Dass die Bevölkerung in Deutschland insgesamt dennoch wächst, liegt an der Zuwanderung von Menschen aus anderen Ländern. Die Statistikerinnen und Statistiker schätzen, dass 2021 etwa 270.000 bis 320.000 mehr Menschen ein- als ausgewandert sind.
Für 2060 schätzen die BiB-Wissenschaftler die Einwohnerzahl der Bundesrepublik auf 67,6 Millionen bei schwächerer Zuwanderung und 76,5 Millionen bei stärkerer Zuwanderung. In diese Rechnung sind allerdings keine größeren Krisen oder Kriege eingepreist.
Ende 2021 lebten in der Bundesrepublik etwa 83,2 Millionen Menschen. Eine aktuelle Volkszählung läuft ab dem 15. Mai.
Die Bevölkerungszahl hat über einen langen Zeitraum hinweg stetig zugenommen: Sie erhöhte sich von 41 Millionen im Jahr 1871 auf 56 Millionen um 1900 und weiter auf gut 69 Millionen im Jahr 1939.
Auf dem heutigen Gebiet Deutschlands lag die Bevölkerungszahl 1952 zum ersten Mal bei mehr als 70 Millionen und 1991 zum ersten Mal bei mehr als 80 Millionen. In den drei Jahrzehnten seit der deutschen Vereinigung ist die Bevölkerung überwiegend leicht gewachsen, mit Ausnahme der Jahre 1998 sowie 2003 bis 2010.
Bildungsniveau wichtiger als Bevölkerungsgröße
Hatte die Bevölkerungszahl hierzulande über einen langen Zeitraum stetig zugenommen, ging sie im vergangenen Jahr erstmals wieder leicht zurück. Die Prognose des BiB:
Deutschland schrumpft. Irgendwann.
Und auch ein Geburtendefizit werde es weiter geben. Gleichzeitig weisen die Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler des Institutes darauf hin, dass für das Entwicklungspotenzial eines Landes nicht alleine die absolute Bevölkerungsgröße oder die Geburtenentwicklung entscheidend sind. Ein wesentlicher Aspekt sei, wie gut die hier lebenden Menschen ausgebildet sind. Die Direktorin des BiB, Christa Katharina Spieß, mahnte deshalb:
Angesichts des Geburtendefizits ist es daher umso wichtiger, verstärkt in Bildung zu investieren und zwar von Anfang an.