
Brandbrief von Forschern "Verlust von Arten nicht rückholbar"
Eine Gruppe von Wissenschaftlern hat die Bundesregierung dazu aufgerufen, die Artenvielfalt zu schützen und den Klimawandel zu bekämpfen - und zwar nicht nur in Deutschland. Dass die Forderung jetzt kommt, ist kein Zufall.
Ein Bündnis aus renommierten Forscherinnen und Forschern hat die Bundesregierung dazu aufgerufen, mehr gegen den Verlust der Artenvielfalt und gegen den Klimawandel zu tun. Dazu gaben die Wissenschaftler in Berlin eine Erklärung ab. Bei der Vorstellung des Papiers sagte der Generaldirektor am Berliner Museum für Naturkunde, Johannes Vogel, "der Verlust von Arten sei nicht rückholbar".
Gelinge es in dieser Dekade nicht, den Verlust der Biodiversität aufzuhalten, bestehe die Gefahr, bis zu eine Million Arten zu verlieren, heißt es in dem Papier. So können Prognosen zufolge innerhalb der nächsten Jahrzehnte 40 Prozent aller Insekten weltweit aussterben.
Zu den rund 40 Erstunterzeichnern der Erklärung zählen unter anderem der Berliner Virologe Christian Drosten, der österreichische Gewässerökologe Klement Tockner sowie die Biologin Aletta Bonn vom Helmholtz-Zentrum für Umweltforschung.
Klare Erwartungen an G7-Gipfel in Bayern
Um die biologische Vielfalt zu schützen und den Klimawandel zu bekämpfen, brauche es "mutige politische Schritte und eine fundamentale Transformation in der Gesellschaft", fordern die Forscher. Wie diese Schritte konkret aussehen könnten - dazu finden sich in dem Papier einige Vorschläge. So heißt es etwa, um wirkmächtige Maßnahmen zu ermöglichen, brauche es unter anderem konkrete Absichtserklärungen der G7-Staaten.
Dass die Forscher sich ausgerechnet jetzt an die Bundesregierung wenden, hat auch damit zu tun, dass Deutschland aktuell die G7-Präsidentschaft innehat. Die sieben wichtigsten demokratischen Industriestaaten kommen Ende Juni in Bayern zu einem G7-Gipfel zusammen.
Aus für umweltschädliche Subventionen
Der Direktor des Leibniz-Instituts zur Analyse des Biodiversitätswandels, Bernhard Misof, unterstrich in Berlin, es müsse ein gemeinsamer Wille bestehen, um etwas zu bewegen. So müssten Lieferketten beispielsweise ökologisch und sozial nachhaltig sein. Misof kritisierte zugleich umweltschädliche Subventionen in Deutschland unter anderem in den Bereichen Verkehr, Energie und Gebäudeerrichtung. Kein Land sei besser aufgestellt als Deutschland, um "wirklich was zu bewegen", sagte Misof.
In ihrer "Berliner Erklärung" fordern die Forscherinnen und Forscher außerdem mehr Gelder für internationale Artenschutzprogramme. Darüber hinaus müssten Wissenschaft, Wirtschaft, Politik und Gesellschaft national und international zusammenarbeiten.
Deshalb sei es wichtig, dass der bereits mehrfach verschobene Weltnaturgipfel stattfinde. Der Generaldirektor der Senckenberg-Gesellschaft für Naturforschung, Klement Tockner, erklärte, die Kosten, die aus jedem weiteren Warten entstünden, "werden unsere Kinder und Enkelkinder zu tragen haben". Der für Ende August geplante Weltnaturgipfel im chinesischen Kunming biete die Gelegenheit einer notwendigen Trendumkehr zugunsten von mehr Klima- und Biodiversitätsschutz.