Rente mit 63 Hohe Nachfrage und hohe Kosten

Stand: 20.11.2014 18:44 Uhr

Die Rente mit 63 erweist sich als äußerst attraktiv - und teurer als im Gesetzentwurf geplant. Wer ist berechtigt, wie viele Anträge sind bislang gestellt? Und warum sind die Kosten um rund 600 Millionen Euro gestiegen? tagesschau.de gibt einen Überblick.

Warum die Rente mit 63?

Die Rente mit 63 ist Teil des Rentenpakets der Bundesregierung, das seit dem 1. Juli 2014 in Kraft ist. Erklärtes Ziel der Regierung ist es, mit den vier Elementen Mütterrente, verbesserte Erwerbsminderungsrente, Erhöhung des Reha-Budgets und der Rente mit 63 eine "Gerechtigkeitslücke" zu schließen. Die gesetzliche Rente solle "für alle Generationen gerechter und besser" werden, so das Arbeitsministerium.

Zur Rente mit 63 heißt es, das besonders Leistungen derjenigen anerkannt werden sollen, die in den 1950er-Jahren geboren wurden und seither 45 Jahre oder länger durchgehend gearbeitet hätten, von immer besseren Arbeitsbedingungen aber kaum profitiert hätten.

Wer ist anspruchsberechtigt?

Wer mindestens 45 Jahre in die Rentenkasse eingezahlt hat, kann seit 1. Juli 2014 ohne Abzüge bereits mit 63 Jahren in Rente gehen. Zeiten im Arbeitslosengeld I (oder dem Vorgängermodell) werden als Beitragsjahre gezählt. Die letzten zwei Jahre vor Renteneintritt werden allerdings nicht berücksichtigt. Einbezogen werden unter anderem teilweise Erziehungs- und Pflegezeiten, Ausbildungszeiten sowie Wehr- und Zivildienst.

Anspruch auf die abschlagsfreie Rente mit 63 hat, wer vor dem 1. Januar 1953 geboren ist. Wer später geboren ist, muss Abschläge in Kauf nehmen, denn analog zur Rente mit 67 soll die Altersgrenze für die abschlagsfreie Rente schrittweise wieder auf 65 Jahre angehoben werden. Konkret heißt das: Für alle 1964 oder später Geborenen liegt die Altersgrenze für die abschlagsfreie Rente wie bislang bei 65 Jahren.

In Anspruch nehmen können die Rente mit 63 in diesem Jahr nach Angaben des Arbeitsministeriums rund 240.000 Menschen. Ausgegangen war das Ministerium zunächst von rund 200.000 Berechtigten. Im Gesetzgebungsprozess wurden dann aber auch diejenigen berücksichtigt, die freiwillig mindestens 18 Jahre lang in die Rentenkasse eingezahlt haben. Der Kreis der Anspruchsberechtigten hat sich also um rund 40.000 Frauen und Männer erweitert.

Wie viele Anträge sind schon gestellt?

Die Nachfrage ist groß: Ende Juni, kurz vor dem offiziellen Start der Rente mit 63, hatten bereits mehr als 6000 Menschen einen Antrag auf die abschlagsfreie Alterssicherung gestellt. Seitdem steigt die Zahl der Antragssteller stetig an: Ende Juli waren bereits 85.000 Anträge bei der Deutschen Rentenversicherung eingegangen, Ende September waren es insgesamt 137.000. Bis Ende Oktober hat sich die Zahl der Anträge noch einmal um 26.000 erhöht auf mittlerweile insgesamt 163.000 Anträge, von denen bereits 110.000 bearbeitet und nach Angaben der Deutschen Rentenversicherung bis auf wenige Ausnahmen genehmigt wurden.

Manuela Budewell von der Deutschen Rentenversicherung erklärt die hohe Zahl der Anträge gegenüber tagesschau.de damit, dass viele Anspruchsberechtigte zunächst den Gesetzgebungsprozess abwarten wollten und erst im Anschluss ihre Anträge formuliert hätten.

Der Arbeitsmarktforscher Ulrich Walwei geht davon aus, dass künftig jährlich 300.000 bis 450.000 Frauen und Männer die abschlagsfreie Rente mit 63 beantragen könnten und begründet dies damit, dass etwa ein Drittel der geburtenstarken Jahrgänge die Voraussetzungen dafür erfülle. Das Bundesarbeitsministerium wies das gegenüber tagesschau.de als "nicht nachvollziehbar" zurück und hält an einer Obergrenze von 300.000 fest. Zwar steige die Zahl der Rentnerinnen und Rentner vor allem ab 2030 demografiebedingt stetig an. Im selben Zeitraum werde aber auch die Altersgrenze für die Rente mit 63 schrittweise angehoben. Sprich: Das Modell der Rente mit 63 jedoch läuft bis dahin faktisch aus. Mit den steigenden Kosten für immer mehr Rentnerinnen und Rentner muss die Regierung gleichwohl immer noch umgehen.

Wer hat die Rente mit 63 bislang beantragt?

Ulrich Walwei vom Institut für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung geht davon aus, dass die Rente mit 63 überwiegend von männlichen Versicherten beantragt wird - weil die meisten Frauen 45 Beitragsjahre unter anderem aufgrund von Erziehungszeiten schwer erreichen können. Der klassische "Rentner mit 63" hat nach seinen Angaben eine duale Berufsausbildung hinter sich, hat also als Fachkraft beispielsweise in der Autoindustrie begonnen und seine berufliche Laufbahn als Techniker oder Meister beendet. Akademiker wie beispielsweise Lehrer blieben zwar relativ lange im Beruf, kämen aufgrund ihres späten Berufseinstiegs jedoch nicht auf 45 Beitragsjahre.

Was kostet die Rente mit 63?

Hier gingen die Angaben zunächst auseinander: Nach Angaben der Rentenversicherung kostet die Rente mit 63 in diesem Jahr voraussichtlich knapp 1,5 Milliarden Euro. Die Bundesregierung hatte in ihrem Gesetzentwurf 0,9 Milliarden genannt, spricht jetzt aber insgesamt auch von 1,5 Milliarden Euro Kosten.

Warum hat sich die Kalkulation geändert?

Zum einen hat das Arbeitsministerium bei seiner Kalkulation die durch die Rente mit 63 zu erwartenden Beitragsausfälle nicht berücksichtigt. Sie berechnete also die Kosten, ohne zu berücksichtigen, dass die neuen "Rentner mit 63" seit Juli nicht mehr in die Rentenkasse einzahlen. Gegenüber tagesschau.de erklärte eine Sprecherin, die Höhe dieser Beitragsausfälle sei "nicht bezifferbar" gewesen. Das Ministerium nannte nun einen Betrag von 250 Millionen Euro für 2014.

Hinzu kämen Mehrkosten für die geschätzten rund 40.000 freiwillig Versicherten, die von der Rente mit 63 profitieren könnten. Da diese Gruppe erst im Gesetzgebungsverfahren zum Kreis der Begünstigten gezählt worden sei, hätten auch hier die Mehrkosten nicht kalkuliert werden können, heißt es in einer Stellungnahme des Ministeriums. Auch hier geht es von 250 Millionen Euro Mehrkosten in diesem Jahr aus. Hinzu kämen Mehrkosten von 100 Millionen Euro durch sogenannte Vorzieheffekte - also durch Anträge, mit denen noch nicht kalkuliert worden war.

Und auch im kommenden Jahr wird die Rente mit 63 teurer als geplant: Die Regierung hatte mit Kosten von knapp zwei Milliarden Euro gerechnet, geht jetzt aber nach Medienangaben von rund drei Milliarden Euro aus. Insgesamt geht die Regierung bis 2030 mit Mehrkosten für die Rente mit 63 in Höhe von 36 Milliarden Euro aus.