
Gesetzesänderung Das verhindert keine Fahrverbote
Stand: 14.03.2019 18:11 Uhr
Der Bundestag hat das Immissionsschutzgesetz geändert - so wollen Union und SPD es erschweren, dass Diesel-Fahrverbote verhängt werden. Allein: Die Gesetzesänderung bringt nichts.
Von Kolja Schwartz, ARD-Rechtsredaktion
Die Kanzlerin kündigte es im Oktober 2018 an: Fahrverbote solle es nur noch dann geben, wenn diese auch verhältnismäßig seien. In Städten, in denen der Stickstoffdioxid-Wert zwischen 40 und 50 Mikrogramm pro Kubikmeter Luft liege, sei dies in der Regel nicht der Fall. Interessant war zunächst der Zeitpunkt, zu dem Merkel damit an die Öffentlichkeit ging: Sechs Tage vor der Landtagswahl in Hessen. In Frankfurt am Main lag der Wert bei 47. Wahlkampf, vermuteten viele.
Nun hat der Bundestag die Änderung des Bundes-Immissionsschutzgesetzes beschlossen, also das umgesetzt, was da angekündigt wurde. Im Gesetzestext heißt es jetzt unter anderem: "Verbote des Kraftfahrzeugverkehrs für Kraftfahrzeuge mit Selbstzündungsmotor kommen wegen der Überschreitung des Immissionsgrenzwertes für Stickstoffdioxid in der Regel nur in Gebieten in Betracht, in denen der Wert von 50 Mikrogramm Stickstoffdioxid pro Kubikmeter Luft im Jahresmittel überschritten worden ist."
Vermeidung von Diesel-Fahrverboten: Bundestag beschließt Erhöhung der EU-Grenzwerte für Stickoxide
tagesthemen 22:15 Uhr, 14.03.2019, Kirsten Girschick, ARD Berlin
Den Grenzwert verändert das Gesetz nicht
Was bedeutet das nun? Einfach gesagt: Gar nichts. Der Grenzwert von 40 Mikrogramm Stickstoffdioxid pro Kubikmeter Luft ist mit diesem Gesetz nicht angehoben worden. Und das könnte der deutsche Gesetzgeber auch gar nicht. Denn der Grenzwert ist ein europäischer Wert, beschlossen von allen europäischen Mitgliedstaaten. Einschließlich Deutschland. Und es gibt eine rechtliche Verpflichtung, diesen Grenzwert einzuhalten. Wie das erreicht wird, ist Sache der Mitgliedsstaaten.
Und so wird dieses Gesetz auch kein einziges Fahrverbot verhindern. In der Gesetzesbegründung heißt es: Man gehe davon aus, dass bei einem Wert zwischen 40 und 50 Mikrogramm pro Kubikmeter Luft auch andere Maßnahmen reichen dürften, um den Grenzwert künftig einzuhalten. Nur wenn das nicht gelingen würde, dürfte es ausnahmsweise Fahrverbote geben. Deshalb heißt es im Gesetz auch, dass es "in der Regel" keine geben soll. Überall dort, wo zum Beispiel Softwareupdates und neue Busflotten den Wert nicht unter die 40 drücken, wird es also auch künftig Fahrverbote geben können und müssen.
Bereits jetzt gehen andere Maßnahmen vor
Und wenn es tatsächlich andere Maßnahmen gibt, die ausreichen, um den Grenzwert zu erreichen, dann galt auch jetzt schon: Diese gehen immer vor. Fahrverbote durfte und darf es, so hat es das Bundesverwaltungsgericht im Februar 2017 entschieden, nämlich nur "ausnahmsweise" geben. Also immer nur als letztes Mittel. Nur dann sind sie verhältnismäßig. Und so haben die Verwaltungsgerichte auch schon immer die Verhältnismäßigkeit geprüft. Das ist Standard. Auch wenn der Wert in der jeweiligen Stadt nicht zwischen 40 und 50 Mikrogramm lag. Selbst in Stuttgart wurde die Verhältnismäßigkeit geprüft. Und da lag der Wert damals bei etwa 80 Mikrogramm.
Keine neue Hoffnung
Wenn es zu der Änderung des Gesetzes heute also heißt: "Der Gesetzgeber hebt die Grenzwerte für Fahrverbote an", "Fahrverbote darf es ab jetzt nur noch bei einem Wert von 50 Mikrogramm pro Kubikmeter Luft geben" oder "Ab jetzt dürfen auch andere Maßnahmen geprüft werden, um die Luft sauber zu bekommen", so ist all dies falsch. Neue Hoffnung für Städte, die den Grenzwert nicht erreichen, gibt es nicht. Aber natürlich können die politisch Verantwortlichen vor Ort Fahrverbote immer verhindern. Wenn sie den Grenzwert mit anderen Maßnahmen erreichen. Die Gesetzesänderung aber hat damit nichts zu tun.
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