Bundesinnenministerin Nancy Faeser.
Analyse

Hessen-Wahl Kandidatur mit Sicherheitsnetz?

Stand: 03.02.2023 05:02 Uhr

Hessens SPD will die Bundesinnenministerin als Spitzenkandidatin aufstellen. Für Faeser ist das fast kein Risiko, ein "Röttgen-Szenario" wird es kaum geben. Aber ein Sieg wäre für den Kanzler auch ein Problem.

Eine Analyse von Moritz Rödle, ARD Berlin

Die Kandidatur von Nancy Faeser für den Job der Ministerpräsidentin in Hessen ist so eine Geschichte, die im politischen Berlin oft vom Ende her diskutiert wird. "Was passiert, wenn Sie verlieren?", dürfte in den kommenden Tagen eine häufige Frage an die Bundesinnenministerin sein. Und Faeser wird dann vermutlich immer antworten, sie mache ein klares Angebot und bewerbe sich bei den Hessinnen und Hessen um das Amt der Ministerpräsidentin. Als Oppositionsführerin sehe sie sich nicht.

Kandidatur mit Risiko

Es ist also klar: Entweder geht Faeser aus der Landtagswahl als Siegerin hervor oder sie bleibt in Berlin und Innenministerin. "Dafür habe ich die volle Rückendeckung des Bundeskanzlers", sagte sie am Donnerstagabend.

Doch diese Kandidatur bleibt ein Risiko. Immer wieder wird das Beispiel Norbert Röttgen genannt. Der wollte aus dem Amt des Bundesumweltministers heraus Ministerpräsident von Nordrhein-Westfalen werden. Der Plan ging schief. Röttgen verlor und wurde anschließend auch auf öffentlichen Druck von der Bundeskanzlerin entlassen.

Faeser und Röttgen nicht vergleichbar

Doch ganz vergleichbar sind die Fälle nicht. Röttgen wurde damals das ehrgeizige Ziel nachgesagt, der Job in der Staatskanzlei in Düsseldorf sei nur ein Zwischenschritt auf dem Weg ins Kanzleramt. Für diese Idee hatte Röttgen aber weder seine Partei noch die damalige Parteivorsitzende und Bundeskanzlerin Angela Merkel hinter sich. Und ohne Unterstützung aus den eigenen Reihen ist es schwer, bei Kritik im Amt zu bleiben.

Bei Faeser sieht das anders aus. Partei und Bundeskanzler stehen hinter der Entscheidung. Stand jetzt wird das auch so bleiben. Das liegt auch daran, dass der Bundeskanzler vermutlich wenig Interesse daran hat, nach dem Rücktritt von Christine Lambrecht als Verteidigungsministerin schon wieder ein wichtiges Ressort neu besetzen zu müssen. Vor allem, wenn er dafür noch nicht mal eine neue Ministerpräsidentin gewinnen würde.

Im Falle eines Wahlsiegs hätte der Kanzler ein Problem. So profitiert Faeser auch davon, dass die weiblichen Kandidatinnen für das Amt der Bundesinnenministerin in der SPD mit der Lupe gesucht werden müssen.

Scholz hatte schon bei Lambrecht ein Problem

Klar ist, nachdem Olaf Scholz für den Wechsel im Verteidigungsministerium die Parität aufgegeben hat, sollte einen mögliche Nachfolgerin auf jeden Fall eine Frau sein. Außerdem hat es Tradition im Ministerium, dass der oder die Chefin Volljuristin ist. Nur Horst Seehofer hatte einst dieses Kriterium nicht erfüllt. Damit würde zum Beispiel die Parteivorsitzende Saskia Esken als Kandidatin ausfallen. Ob sie den Job wirklich wollen würde, ist aber eh fraglich.

Für sie gilt wohl das gleiche wie für Lars Klingbeil als möglicher Verteidigungsminister. In der SPD ist man der Meinung, dass sich die beiden Parteivorsitzenden nicht unter einem Kanzler in die Kabinettsdisziplin einordnen sollten. Gesucht wäre also eine profilierte Juristin mit Erfahrung im Leiten einer großen Behörde.

Unwahrscheinlich, dass Scholz schon mit Kandidatinnen gesprochen hat. Auch bei der Lambrecht-Nachfolge wurde Boris Pistorius erst ganz zum Schluss gefragt. Die Sorge im Kanzleramt ist zu groß, dass sonst Namen zu früh öffentlich diskutiert werden. Zumal auch noch gar nicht klar ist, ob überhaupt eine Nachfolgerin gebraucht wird.

"Bundesinnenministerium ist kein Teilzeitjob"

Auf die Stimmung in der Ampelkoalition drückt die Personalie Faeser trotzdem schon. Besonders von Grüner Seite wird gefragt, ob Faeser Wahlkampf und Amtsführung gleichzeitig stemmen kann. Der grüne Abgeordnete Konstantin von Notz twitterte: "Die Führung des Bundesinnenministeriums ist kein Teilzeitjob. Gerade nicht in diesen Zeiten".

In der SPD sieht man das natürlich anders. Bundeskanzler Scholz sagte heute, Faeser sei eine tolle Frau, die in Hessen aufgewachsen sei, und bei der jede Hessin und jeder Hesse sich wünschen würde, "so eine hätte ich gerne".

Und auch aus der FDP kommt Unterstützung. Bundesjustizminister Marco Buschmann schreibt in einem Tweet. "Meine Kollegin Nancy Faeser tritt zu einer Wahl an. Ohne Menschen, die sich zur Wahl stellen, gibt es keine Auswahl und keine Demokratie." Daher solle man die Kandidatur nicht kritisieren. Wer die Sorge habe, dass anderes liegen bleibe, solle es konkret benennen und in der Sache Kritik üben. 

Darauf wird es letztlich für Faeser ankommen. Sie muss Wahlkampf machen, ohne zu riskieren, dass ihr mangelnde Amtsführung vorgeworfen wird. Dafür ist es auch nötig, Ministertermine streng von Wahlkampfterminen zu trennen und keine Amtsressourcen zu verwenden. Plakativ gesagt: Die Flugbereitschaft ist tabu, wenn es für Faeser künftig nach Hessen geht.

Dieses Thema im Programm: Über dieses Thema berichteten am 02. Februar 2023 die tagesschau um 20:00 Uhr und die tagesthemen um 22:15 Uhr.