FAQ

Volksverhetzung in sozialen Netzwerken Strafbare Hetze oder geschützte Meinung?

Stand: 10.02.2016 17:16 Uhr

Volksverhetzung lautet die Anklage gegen einen Mann, der sich wegen Texten auf seinem Facebook-Account derzeit vor dem Amtsgericht Groß-Gerau verantworten muss. Welche Äußerungen sind als Volksverhetzung strafbar - und welche Regeln gelten im Netz?

Von Christoph Kehlbach, ARD-Rechtsredaktion

Volksverhetzung - was ist das eigentlich?

In Paragraph 130, Absatz 1 des Strafgesetzbuches heißt es:

"Wer in einer Weise, die geeignet ist, den öffentlichen Frieden zu stören,
  1. 1. gegen eine nationale, rassische, religiöse oder durch ihre ethnische Herkunft bestimmte Gruppe, gegen Teile der Bevölkerung oder gegen einen Einzelnen wegen seiner Zugehörigkeit zu einer vorbezeichneten Gruppe oder zu einem Teil der Bevölkerung zum Hass aufstachelt oder zu Gewalt- oder Willkürmaßnahmen gegen sie auffordert oder
  2. 2. die Menschenwürde anderer dadurch angreift, dass er eine vorbezeichnete Gruppe, Teile der Bevölkerung oder einen Einzelnen wegen seiner Zugehörigkeit zu einer vorbezeichneten Gruppe oder zu einem Teil der Bevölkerung beschimpft, böswillig verächtlich macht oder verleumdet,
wird mit Freiheitsstrafe von drei Monaten bis zu fünf Jahren bestraft."

Die Absätze 3 und 4 dieser Vorschrift verbieten zudem das öffentliche Leugnen oder Verharmlosen des Völkermordes, der unter der Nazi-Willkürherrschaft begangen wurde, sowie die öffentliche Verherrlichung der nationalsozialistischen Gewalt- und Willkürherrschaft, sofern dadurch der öffentliche Frieden gestört wird.

Sinn und Zweck der Vorschriften ist es, das Allgemeininteresse an einem friedlichen Zusammenleben im Staat zu schützen und den öffentlichen Frieden zu wahren.  Die praktische Bedeutung dieses Tatbestandes hat laut dem juristischen Kommentar des Strafrichters Thomas Fischer seit den 1990er-Jahren stark zugenommen. Es sei "überwiegend ein Delikt rechtsradikaler Täter(gruppen), die bevorzugt durch Hetze gegen gesellschaftliche Minderheiten hervortreten."

Aber es gibt doch das Grundrecht auf Meinungsfreiheit …?

Natürlich gibt es das. Und dieses Grundrecht geht auch sehr weit: Jeder darf grundsätzlich seine Meinung äußern und verbreiten. Das gilt auch für Meinungen, die möglicherweise unpopulär sind, denn das Grundrecht soll gerade dafür sorgen, dass auch Minderheiten ihre Sicht der Dinge frei äußern dürfen.

Aber die Meinungsfreiheit ist kein Blanko-Scheck dafür, zum Hass gegen bestimmte Volksgruppen aufzustacheln. Die Grundrechte, die die Verfassung uns Bürgern gibt, sind nicht uferlos. So kann auch die Meinungsfreiheit durch Gesetze eingeschränkt werden, das steht schon in Artikel 5, Absatz 2 des Grundgesetzes. Wer also in seinen Äußerungen unwahre Tatsachen behauptet, andere beleidigt oder gegen Minderheiten hetzt, kann sich nicht einfach auf seine Meinungsfreiheit berufen und glauben, damit sei die Tat gerechtfertigt. Vielmehr sieht das Strafgesetzbuch Strafen nicht nur für Volksverhetzung, sondern auch für Beleidigung, üble Nachrede oder Verleumdung vor.

Ist das Internet ein rechtsfreier Raum in Sachen Volksverhetzung?

Nein. Wer sich online volksverhetzend äußert, kann genauso strafrechtlich belangt werden, wie jemand, der das im "echten Leben" tut,  zum Beispiel auf einer Demonstration. Es geht darum inwieweit eine Äußerung öffentlich gemacht wird, beziehungsweise geeignet ist, den öffentlichen Frieden zu stören.

Allerdings muss für eine Verurteilung die betreffende Äußerung auch immer dem jeweiligen Angeklagten zweifelsfrei zugeordnet werden können. Das fällt meist leichter, wenn der Täter etwas in der Öffentlichkeit gesagt hat, weil es dann meist Zeugen gibt, die mit ihren Aussagen einen Beweis liefern können. Dagegen ist es im Internet nicht immer so einfach nachzuweisen, ob eine bestimmte Person auch wirklich der Urheber einer konkreten Äußerung ist. Im Internet sind viele Nutzer nämlich anonym unterwegs.

Über die IP-Adresse kann eine Äußerung zwar meist gut zurückverfolgt werden. Aber es reicht nicht, einen konkreten Computer zu identifizieren, denn zu dem haben oft mehrere Personen Zugang - für eine Verurteilung ist es nötig, den konkreten Täter benennen zu können. Und: Profile in sozialen Netzwerken können durchaus auch "gehackt" werden. In der Praxis vor Gericht wird das von Angeklagten oft behauptet. Die Staatsanwaltschaften müssen in solchen Fällen dann erst mal das Gegenteil beweisen. Wenn das aber gelingt, sind Verurteilungen möglich.

Gilt das deutsche Strafrecht auch, wenn der Internet-Server im Ausland steht?

Ja. Der Bundesgerichtshof (BGH) hat im Jahr 2000 entschieden, dass es darauf ankommt, ob die Äußerungen in Deutschland abrufbar sind und hierzulande den Tatbestand der Volksverhetzung erfüllen. Dieses Urteil führte dazu, dass ein australischer Staatsbürger, der von Australien aus den Holocaust geleugnet hatte, verurteilt wurde. Die Karlsruher Richter begründeten die Entscheidung damals damit, dass die Volksverhetzung ein "Gefährdungsdelikt" sei. Es komme darum darauf an, wo die konkrete Tat ihre Gefährlichkeit entwickeln könne. Und das ist bei online verbreiteten Kommentaren nunmal dort, wo man diese Inhalte lesen kann.