Interview

Interview mit dem Leipziger Uni-Rektor ''Die Bedingungen waren sehr unfair''

Stand: 19.10.2007 15:22 Uhr

Keine ostdeutsche Hochschule ist eine "Elite-Uni". Mit deren Qualität habe das aber nichts zu tun, so Franz Häuser, Rektor der Uni Leipzig, im Gespräch mit tagesschau.de: "Dieser Wettbewerb kam für uns zu früh." Nun drohe die Gefahr, dass sich die bereits spürbaren Folgen der ersten Exzellenz-Initiative noch verschärfen.

Keine ostdeutsche Hochschule ist eine "Elite-Uni". Mit deren Qualität habe das aber nichts zu tun, so Franz Häuser, Rektor der Uni Leipzig, im Gespräch mit tagesschau.de: "Dieser Wettbewerb kam für uns zu früh." Nun drohe die Gefahr, dass sich die bereits spürbaren Folgen der ersten Exzellenz-Initiative noch verschärfen.

tagesschau.de: Herr Häuser, warum waren die ostdeutschen Bewerber um den Exzellenz-Uni-Titel bis auf die Humboldt-Universität so früh aus dem Rennen?

Franz Häuser: Ich kenne die Gutachten und die Projekte der anderen Unis nicht. Klar ist aber: Die westdeutschen konkurrierenden Hochschulen hatten einen Vorlauf von 40 Jahren uns gegenüber. Wir mussten uns erstmal finden. Wir waren sehr glücklich, dass wir diese Aufgaben bewältigt haben und sind jetzt schon ein wenig enttäuscht, dass wir wieder zurückgeworfen werden.

"Dieser Wettbewerb kam für uns zu früh"

tagesschau.de: Es ist also ein Ost-West-Problem?

Häuser: Ganz klar: ja. Die Situation ist an den anderen ostdeutschen Universitäten ähnlich. Von Kollegen aus Thüringen und Sachsen-Anhalt höre ich auch: Dieser Wettbewerb kam für uns zu früh. Wir wollen nicht die DDR-Parole "Überholen, ohne aufzuholen" benutzen. Aber wir hatten Nachholbedarf. Unsere Uni zum Beispiel hatte nach der Wende erstmal einen Abbau von 6000 Stellen zu bewältigen. Alle ostdeutschen Unis mussten sich auf die neuen Strukturen einstellen, ihre Kompetenz aufbauen.

"Man muss doch nach dem Potenzial fragen!"

tagesschau.de: Was hätten die Gutachter also anders machen sollen?

Häuser: Die Wiedervereinigung ist 18 Jahre her. Wenn Sie den Zweiten Weltkrieg als westdeutsche Zäsur nehmen, 1949 plus 18 rechnen - wie standen die die westdeutschen Unis damals denn da? Und bei uns wird so getan, als hätte es diesen Vorlauf nicht gegeben. Das ist nicht korrekt. Man sollte doch eher drauf schauen: Was ist mit den Kapazitäten passiert und welche Entwicklungschancen kann man erkennen? Natürlich sagt dieser Wettbewerb "Stärken, stärken, stärken". Aber Stärken können sich doch auch aus Potenzialen ergeben, die noch keine Ergebnisse liefern, sondern noch im Prozess stecken.

tagesschau.de: Was hätte Ihre Uni besser machen können?

Häuser: Da fällt mir nichts ein. Als die Exzellenz-Initiative 2003 startete, haben wir uns aus dem Stand heraus darauf vorbereitet. Es ist bei der Ausschreibung des Wettbewerbs nicht darauf geachtet worden, wie die Forschungslandschaft in Deutschland aufgebaut ist, das war uns sofort klar. Forschung wird ja nicht nur in den Unis unterstützt, sondern auch - und besser - in den außeruniversitären Einrichtungen. Also haben wir unsere Stärken zu bündeln versucht. Wir kennen die Gutachten, die haben uns immer beste Noten erteilt - nur bei der Manpower war es schwierig. Da hieß es: Gute junge Leute, international aber noch nicht sichtbar – ja, bitte, da frage ich mich, wie das denn gehen soll? Man muss doch nach dem Potenzial fragen, ob man sich von diesen Leuten in Zukunft etwas verspricht!

"Die nicht geförderten Unis werden ausgekauft"

tagesschau.de: Werden Sie diese Entscheidung in den kommenden Jahren zu spüren bekommen?

Häuser: Ja. Das tun wir jetzt schon: Seit der letzten Exzellenz-Entscheidung hat sich ganz klar gezeigt, dass die Universitäten die Fördergelder zum Einkaufen auf dem Personalmarkt nutzen. Wir haben die Mittel nicht, um deren Angebote zu toppen und die Leute so bei uns zu halten. Das ist aus meiner Sicht die dramatischste Folge: die Gefahr, dass die Universitäten, die nicht gefördert werden, ausgekauft werden. Die Schere zwischen nicht-geförderten und geförderten Unis droht immer weiter auseinander zu gehen.

Franz Häuser

Professor Franz Häuser wurde 1945 im hessischen Limburg an der Lahn geboren. Er studierte Rechtswissenschaften in Marburg und Bonn. Nach dem Zweiten Juristischen Staatsexamen arbeitete Häuser an verschiedenen Unis als wissenschaftlicher Mitarbeiter. Inzwischen habilitiert, übernahm er 1992 den Lehrstuhl für Arbeitsrecht an der Uni Leipzig. Ihr steht Häuser seit 2003 als Rektor vor.

tagesschau.de: In vier Jahren soll die nächste Exzellenzinitiative starten. Will sich Ihre Uni dann wieder bewerben?

Häuser: Ich bin in vier Jahren zwar nicht mehr Rektor, aber ich denke schon. Unsere Politik ist und bleibt, dass wir keine der sich bietenden Chancen auslassen. Das Land Sachsen hat uns auch gut unterstützt. Das Ganze hat ja nun mal auch eine politische Komponente: Was nutzt es, wenn die Länder in die Hochschulen investieren, dann aber solche Initiativen zu einer ungleichen Verteilung führen? Das kann ein Bundesland ja nicht unberührt lassen.

"Äpfel nicht mit Birnen vergleichen"

tagesschau.de: Sie hatten aus Ihrer Sicht also gar keine wirkliche Chance auf den Titel als Exzellenz-Uni?

Häuser: Nein. Die Bedingungen waren sehr unfair. Es heißt dann immer, der Osten ist ein Jammerlappen und wolle immer Sonderkonditionen haben. Das wollen wir gar nicht. Aber wir wollen auch nicht, dass Äpfel mit Birnen verglichen werden.

Das Gespräch führte Nicole Diekmann, tagesschau.de.