Hintergrund

Entscheidungen zur Schuldenkrise Die Krisen-Beschlüsse des Bundestags

Stand: 19.08.2015 13:53 Uhr

Rettungsschirme, Hilfsprogramme und Milliardenkredite. Seit 2010 hat sich der Bundestag immer wieder mit der Schuldenkrise in Staaten der Eurozone beschäftigt und weitreichende Entscheidungen getroffen. Eine Chronik der Abstimmungen zur Euro-Rettung.

Der Deutsche Bundestag hat die Maßnahmen zur Bekämpfung der Euro-Schuldenkrise von Beginn an begleitet. Die Krise begann mit einem Kassensturz in Athen: Im Dezember 2009 gab die neu gewählte griechische Regierung bekannt, dass das Haushaltsdefizit des Landes bei 12,7 Prozent der Wirtschaftsleistung liegt - weit mehr als befürchtet. Ein halbes Jahr später drohte Griechenland die Zahlungsunfähigkeit.

7. Mai 2010: Erstes Griechenland-Rettungspaket

Den ersten Hilfskredit für Griechenland verabschiedete der Bundestag im Mai 2010. Zuvor hatten die Euro-Finanzminister ein Hilfspaket aus bilateralen Krediten geschnürt: Rund 110 Milliarden Euro wurden Griechenland über drei Jahre von den Eurostaaten und dem IWF zur Verfügung gestellt.

Deutschland trug mit 22,4 Milliarden Euro einen großen Teil zu den Finanzhilfen bei. Das entsprechende Gesetz wurde im Eilverfahren ins Parlament gebracht und mit der Mehrheit von Union und FDP verabschiedet. Außer den Koalitionsfraktionen stimmte auch ein Großteil der Grünen zu, die SPD enthielt sich. Die Linkspartei stimmte - wie bei späteren Beschlüssen zur Euro-Rettung auch - gegen das Gesetz.

Ergebnis der namentlichen Abstimmung am 7. Mai 2010
Fraktion Ja Nein Enthaltung Nicht abgegeben
CDU/CSU 234 4 0 1
SPD 4 0 134 8
FDP 92 1 0 0
Die Linke 0 67 0 9
Bündnis 90/Grüne 61 0 5 2
GESAMT 391 72 139 20

21. Mai 2010: Euro-Rettungsschirm wird aufgespannt

Nur zwei Wochen nach dem Griechenland-Beschluss mussten die Bundestagsabgeordneten erneut über ein europäisches Rettungsprogramm entscheiden. Um das Vertrauen in die Eurozone wieder herzustellen, hatten die europäischen Staats- und Regierungschefs einen Euro-Rettungsschirm vereinbart, der die Zahlungsfähigkeit kriselnder Eurostaaten - wie Portugal und Irland - sichern sollte. Der Großteil davon bestand aus Garantien der Mitgliedsländer im Rahmen des neu geschaffenen Euro-Rettungsfonds EFSF.

Deutschland beteiligte sich an dem Schutzschirm mit 123 Milliarden Euro. Das dafür nötige Gesetz wurde mit der schwarz-gelben Mehrheit im Bundestag beschlossen. Die angestrebte breite Zustimmung kam aber nicht zustande: SPD und Grüne enthielten sich - und wurden dafür von der Koalition heftig kritisiert.

Ergebnis der namentlichen Abstimmung am 21. Mai 2010
Fraktion Ja Nein Enthaltung Nicht abgegeben
CDU/CSU 230 4 3 2
SPD 0 1 128 17
FDP 89 2 1 1
Die Linke 0 66 0 10
Bündnis 90/Grüne 0 0 63 5
GESAMT 319 73 195 35

1. Dezember 2010: Irland profitiert vom Rettungsschirm

Als erstes Land beantragt Irland im November 85 Milliarden Euro aus dem EFSF. In Deutschland stimmt der Haushaltsausschuss des Bundestages den Finanzhilfen zu.

12. Mai 2011: Auch Portugal bekommt Milliarden

Mit großer Mehrheit sprach sich der Bundestag im Mai 2011 dafür aus, auch Portugal Milliardenhilfen zu gewähren. Das Land benötigte Kredite im Umfang von 78 Milliarden Euro. Auch SPD und Grüne stellen sich hinter die geplanten Finanzhilfen. Obwohl die Bundesregierung nicht an das Votum gebunden war, galt der Rückhalt des Parlaments als wichtig.

29. September 2011: Mehr Geld gegen die Krise

Im September stimmte der Bundestag einer deutlichen Ausweitung des Euro-Rettungsschirms zu. Dafür wurden die Garantien auf 780 Milliarden Euro erhöht - der deutsche Anteil belief sich jetzt auf 211 Milliarden Euro. Bei der Abstimmung im Bundestag erreichen Union und FDP trotz der insgesamt 15 Abweichler in den eigenen Reihen die politisch wichtige Kanzlermehrheit. Auch SPD und Grüne stimmten dem Gesetz dieses Mal zu.

Ergebnis der namentlichen Abstimmung am 29. September 2011
Fraktion Ja Nein Enthaltung Nicht abgegeben
CDU/CSU 226 10 1 0
SPD 141 1 1 3
FDP 89 3 1 0
Die Linke 0 70 0 6
Bündnis 90/Grüne 67 1 0 0
GESAMT 523 85 3 9

27. Februar 2012: Zweites Griechenland-Rettungspaket

Knapp zwei Jahre nach den ersten Griechenland-Hilfen musste der Bundestag erneut über ein Rettungspaket für Athen entscheiden. Bis zu 130 Milliarden Euro wurden bereitgestellt - dieses Mal aus Mitteln des Euro-Rettungsfonds EFSF. Im Gegenzug wurde das Land zu Reformen verpflichtet und private Gläubiger mussten auf einen Teil ihrer Forderungen verzichten.

Der Bundestag billigt auch das zweite Hilfspaket, allerdings verfehlt die Koalition aus CDU/CSU und FDP die sogenannte Kanzlermehrheit: Bei der Union stimmen 13 Abgeordnete gegen die Hilfen - darunter die Kritiker der Euro-Rettungspolitik Wolfgang Bosbach und Peter Gauweiler. Die Linkspartei votierte wegen der harten Sparauflagen für Griechenland erneut gegen das Rettungspaket.

Ergebnis der namentlichen Abstimmung am 27. Februar 2012
Fraktion Ja Nein Enthaltung Nicht abgegeben
CDU/CSU 219 13 2 3
SPD 129 7 1 9
FDP 85 4 1 3
Die Linke 0 66 0 10
Bündnis 90/Die Grüne 63 0 1 4
GESAMT 496 90 5 29

29. Juni 2012: Dauerhafter Rettungsschirm und Fiskalpakt

Im Sommer 2012 beschlossen die Finanzminister der Eurogruppe, einen dauerhaften Rettungsschirm über dem Währungsgebiet aufzuspannen. Der neue "Europäische Stabilitätsmechanismus" (ESM) wurde mit insgesamt 700 Milliarden Euro ausgestattet - er löste den bisherigen Rettungsfonds EFSF ab. Deutschland übernahm einen Anteil von 190 Milliarden Euro am ESM.

Zudem einigten sich die Staats- und Regierungschefs der EU auf einen Vertrag über mehr Haushaltsdisziplin in der Wirtschaftsunion. Um in Kraft zu treten, musste dieser Fiskalpakt von mindestens zwölf Eurostaaten ratifiziert werden. Sowohl Fiskalpakt als auch ESM erhielten im Bundestag die erforderliche Zwei-Drittel-Mehrheit. Dagegen stimmte die Linksfraktion sowie einzelne Abgeordnete anderer Fraktionen - auch von Union und FDP.

Ergebnis der namentlichen Abstimmung am 29. Juni 2012 (ESM-Einrichtung)
Fraktion Ja Nein Enthaltung Nicht abgegeben
CDU/CSU 218 16 1 2
SPD 138 1 0 7
FDP 83 8 0 2
Die Linke 0 71 0 5
Bündnis 90/Grüne 65 1 0 2
GESAMT 504 97 1 18

19. Juli 2012: Rettungspaket für Spaniens Banken

Im Juli stimmten Bundestag und Bundesrat einem Hilfsprogramm für Spaniens angeschlagene Banken in Höhe von bis zu 100 Milliarden Euro zu. Die Hilfsaktion ist die erste, bei der Geld aus dem Euro-Rettungsfonds zur Stützung von Banken herangezogen wird. Bei der Abstimmung erreichte Schwarz-Gelb zwar eine eigene Mehrheit, verpasste aber erneut die Kanzlermehrheit.

Ergebnis der namentlichen Abstimmung am 19. Juli 2012
Fraktion Ja Nein Enthaltung Nicht abgegeben
CDU/CSU 221 13 0 3
SPD 118 14 2 12
FDP 80 9 1 3
Die Linke 0 60 0 16
Bündnis 90/Grüne 54 1 10 3
GESAMT 473 97 13 37

18. April 2013: Hilfsprogramm für Zypern

Im April 2013 machte der Bundestag auch den Weg für ein Rettungspaket für Zypern frei: Die Abgeordneten sprachen sich dafür aus, das Land mit bis zu zehn Milliarden Euro Kredithilfen vor dem Staatsbankrott zu retten. Die große Mehrheit von Union, FDP, SPD und Grünen unterstützte das Hilfsprogramm. Neben der Linkspartei lehnten aber auch einzelne Abgeordnete aus dem Regierungslager die Pläne ab. Auf derselben Sitzung stimmte das Parlament auch der Laufzeitverlängerung von EFSF-Darlehen an Irland und Portugal zu.

Ergebnis der namentlichen Abstimmung am 18. April 2013 (Zypern)
Fraktion Ja Nein Enthaltung Nicht abgegeben
CDU/CSU 220 10 1 6
SPD 122 10 10 4
FDP 83 8 1 1
Die Linke 0 72 0 3
Bündnis 90/Grüne 62 0 1 5
Fraktionslos 0 1 0 0
GESAMT 487 101 13 19

6. November 2014: Abstimmung über die Bankenunion

Nach jahrelangen Verhandlungen auf europäischer Ebene verabschiedeten die Abgeordneten des Bundestags ein Maßnahmenpaket zur Einführung einer Bankenunion in der Eurozone. Dazu zählen ein Mechanismus zur Bankenabwicklung sowie eine zentrale Bankenaufsicht, die bei der EZB angesiedelt ist. Die Beschlüsse fielen mit der Mehrheit der Großen Koalition aus Union und SPD. Die Linkspartei stimmte bei allen Gesetzesvorhaben dagegen - die Grünen nur bei einzelnen Maßnahmen.

27. Februar 2015: Verlängerung der Griechenland-Hilfen

Vor dem Hintergrund des Schuldenstreits mit der neu gewählten griechischen Regierung musste erneut über das Hilfsprogramm für Athen entschieden werden. Mit großer Mehrheit stimmte der Bundestag einer Verlängerung der Kredite um weitere vier Monate zu: Dafür votierten 541 Abgeordnete, 32 Parlamentarier lehnten den Antrag ab, 13 enthielten sich. Trotz Bedenken zahlreicher Abgeordneter ist das die größte Mehrheit, die im Bundestag je für eine Maßnahme zur Bewältigung der Euro-Schuldenkrise zustande kam.

Ergebnis der namentlichen Abstimmung am 27. Februar 2015
Fraktion Ja Nein Enthaltung Nicht abgegeben
CDU/CSU 262 29 3 17
SPD 178 0 0 15
Die Linke 41 3 10 10
Bündnis 90/Grüne 60 0 0 3
GESAMT 541 32 13 45

17. Juli 2015: Aufnahme von Verhandlungen über neue Griechenland-Hilfen

Das zweite Hilfsprogramm für Griechenland ist Ende Juni ausgelaufen, nachdem es zwischen der Eurogruppe und den Geldgebern zu keiner Einigung über die Reformauflagen für die Auszahlung der letzten ausstehenden Kredittranche gab. In einem Referendum lehnte die griechische Bevölkerung die Bedingungen der Geldgeber für weitere Hilfen ab, obwohl diese zum Zeitpunkt der Abstimmung nicht mehr zur Debatte standen. Wenige Tage nach dem Referendum vollzog der griechische Regierungschef Alexis Tsipras jedoch eine Kehrtwende und einigte sich mit den Staats- und Regierungschefs der Euro-Staaten auf die Bedingungen für Verhandlungen über ein neues Hilfsprogramm in Höhe von bis zu 86 Milliarden Euro, das über den neuen Rettungsschirm ESM und den IWF laufen soll. Der Bundestag stimmte der Aufnahme der formellen Verhandlungen am 17. Juli mit 439 Ja-Stimmen bei 119 Nein-Stimmen und 40 Enthaltungen zu. In der Unionsfraktion verweigerten dabei Dutzende Abgeordnete der Bundeskanzlerin die Gefolgschaft: 60 Parlamentarier von CDU und CSU stimmten gegen die Verhandlungen, weitere fünf enthielten sich.

Ergebnis der namentlichen Abstimmung am 17. Juli 2015
Fraktion Ja Nein Enthaltung Nicht abgegeben
CDU/CSU 241 60 5 4
SPD 175 4 0 14
Die Linke 0 53 2 0
Bündnis 90/Grüne 23 2 33 5
GESAMT 439 119 40 32

19. August 2015

Der Bundestag gab grünes Licht für das binnen weniger Wochen ausgehandelte dritte Hilfsprogramm für Griechenland. In einer während der Sommerpause einberufenen Sondersitzung unterstützten 453 Abgeordnete das auf bis zu 86 Milliarden Euro angelegte Programm, das von 2015 bis 2018 laufen soll. Ob sich der IWF beteiligt, war zum Zeitpunkt der Abstimmung unklar, sodass die Gesamtsumme gemäß dem zur Abstimmung gestellten Antrag von Bundesfinanzminister Wolfgang Schäuble gegebenenfalls komplett vom Euro-Rettungsschirm ESM kommen muss. Allerdings steigt die Zahl der Abweichler in der Unionsfraktion erneut an: 63 Abgeordnete von CDU und CSU sagen Nein, drei enthalten sich.

Ergebnis der namentlichen Abstimmung am 19. August 2015
Fraktion Ja Nein Enthaltung Nicht abgegeben
CDU/CSU 228 63 3 17
SPD 173 4 0 16
Die Linke 0 45 7 12
Bündnis 90/Grüne 52 1 8 2
GESAMT 453 113 18 47

Dieses Thema im Programm: Über dieses Thema berichtete die tagesschau am 27. Februar 2015 um 12:00 Uhr.