Hintergrund

EU-Krisengipfel nach Irlands "Nein" Einig erst einmal nur beim Euro

Stand: 19.06.2008 20:34 Uhr

Zu Beginn des EU-Krisengipfels in Brüssel hat Parlamentspräsident Pöttering die Mitgliedsstaaten und Institutionen aufgerufen, gemeinsam eine Lösung zu finden. Konkrete Vorschläge gibt es allerdings noch nicht. Einstimmig beschloss der Gipfel die Euro-Einführung in der Slowakei.

Der Krisengipfel der EU in Brüssel hat mit einem Aufruf des EU-Parlamentspräsidenten Hans-Gert Pöttering begonnen: Spätestens im Oktober müsse geklärt sein, wie es nach dem "Nein" der irischen Volksabstimmung zum EU-Reformvertrag weitergehe. "Es ist jetzt an der Zeit, dass alle Mitgliedsstaaten und Institutionen gemeinsam ihre Verantwortung wahrnehmen und gemeinsam eine Lösung finden", hob Pöttering hervor.

Ein konkreter Vorschlag liegt allerdings noch nicht auf dem Tisch. Der Ball könnte damit bei Frankreichs Staatspräsident Nicolas Sarkozy liegen, der am 1. Juli die Ratspräsidentschaft in der EU übernimmt. Luxemburgs Premierminister Jean-Claude Juncker machte sich für Sarkozy als Krisenmanager stark. Offensichtlich will sich der französische Staatschef für ein zweites Referendum in Irland einsetzen, wie die französische Tageszeitung "Le Figaro" schrieb. Aus allen politischen Lagern gab es Stimmen, Irland zu einer zweiten Volksabstimmung zu bewegen.

Irland bittet um Geduld

Der irische Ministerpräsident Brian Cowen, der dem Gipfel seine Einschätzung der Lage geben wollte, bat um Geduld. "Irland braucht Zeit, um die Entscheidung der vergangenen Woche zu analysieren und mögliche Optionen zu prüfen", sagte er. "Es ist noch zu früh, um zu sagen, welche Lösung wir vorschlagen könnten."

Österreichs Bundeskanzler Alfred Gusenbauer schloss neue Verhandlungen über den Vertrag aus. "Wir werden den Text des Vertrages nicht noch einmal öffnen", sagte er.

Eine schnelle Entscheidung gab es bei dem Treffen der Staats- und Regierungschefs in Brüssel zunächst nur in einer Sache: Sie befürworteten den Beitritt der Slowakei zur Eurozone. Das Land wird am 1. Januar 2009 der vierte der 2004 der EU beigetretenen Staaten, in dem die gemeinsame Währung gilt.

Merkel gegen Kerneuropa

Vor dem Treffen hatte sich Bundeskanzlerin Angela Merkel in ihrer Regierungserklärung im Bundestag gegen ein "Kerneuropa" oder ein "Europa der zwei Geschwindigkeiten" ausgesprochen. Eine solche Diskussion sei "nicht zielführend und zum Teil auch fahrlässig". Die Geschlossenheit Europas sei kein Selbstzweck, sondern ein "hohes Gut". Der EU-Gipfel müsse nun auf das Ergebnis des irischen Referendums "ebenso umsichtig wie entschlossen, ebenso unmissverständlich wie auch geschlossen" reagieren, betonte die Kanzlerin. Eine konkrete Lösung könne sie derzeit noch nicht anbieten, räumte Merkel ein.

Die Kanzlerin zeigte sich überzeugt, dass gemeinsam mit Irland ein Weg aus der Krise gefunden werden könne. Sie warnte aber vor weitgehenden Zugeständnissen an Dublin. "Europa kann sich auch keinen Kuhhandel leisten", sagte sie.

Gegen "Tricks" und "Hinterzimmerdiplomatie"

Die Opposition warf Merkel vor, keine konkreten Wege aus der Krise aufzuzeigen. Die Kanzlerin habe "nicht einmal die Andeutung einer Lösung angeboten", sagte Fraktionschef der Partei Die Line, Gregor Gysi. Sie habe eine Lösung gemeinsam mit Irland gefordert, Änderungen an dem Vertrag aber gleichzeitig abgelehnt. Damit ignoriere sie, dass die Iren Nein zu dem Vertrag gesagt haben. "Was wir brauchen ist ein Neuanfang und nicht Tricks, um das alte fortzusetzen", sagte Gysi. Auch der stellvertretende Fraktionsvorsitzende der Grünen, Jürgen Trittin, warf Merkel Unklarheit in ihren Ausführungen vor. Die "Hinterzimmerdiplomatie" der EU sei einer der Gründe, warum Europa so unpopulär sei, sagte er.

FDP-Chef Guido Westerwelle kritisierte die mangelnde Verankerung der Europäischen Union in der Bevölkerung. Die Hauptaufgabe sei nun, eine Mehrheit der Bürger für die europäische Integration zu gewinnen. "Entschieden wird das Schicksal Europas an der Frage, ob sich die Völker hinter diese Idee stellen", sagte Westerwelle. Die stellvertretende SPD-Fraktionsvorsitzende Angelica Schwall-Düren warnte wie Merkel vor einer Denkpause nach dem irischen Referendum. "Wir können uns eine lähmende Pause in der Europäischen Union nicht mehr erlauben." Auch sie sprach sich dagegen aus, den Reformvertrag wieder aufzuschnüren. Dies würde dazu führen, "dass die Substanz unglaublich ausgedünnt würde".

Irland hatte vorige Woche als einziges Land ein Referendum über den EU-Vertrag von Lissabon abgehalten. Die Wähler lehnten ihn mit einer Mehrheit von gut 53 Prozent ab. Jetzt ist offen, ob und wann der Vertrag in Kraft treten kann. Er sollte die Arbeitsfähigkeit der EU nach ihrer Erweiterung durch eine Reform der Institutionen verbessern.