Kommentierte Linkliste zur Europawahl Blogs, Tweets, Videos

Stand: 07.06.2009 16:49 Uhr

Vom 4. bis 7. Juni hat Europa ein neues Parlament gewählt. Das Internet spielte dabei für Parteien, Institutionen und Wähler eine große Rolle: um zu werben, zu informieren, oder kritische Fragen zu stellen. tagesschau.de hat eine Übersicht interessanter Links zusammengestellt.

Von Philipp Lackner für tagesschau.de

Parlament und Fraktionen

Eines fällt auf der Internetseite des Europäischen Parlaments auf: Die EU will junge Wähler ansprechen, unter anderem mit Spielereien. Für Unentschlossene gibt es den "Wahlomaten". Hier kann man sich durch 38 Thesen klicken, ihnen dabei zustimmen, sie ablehnen oder sich enthalten. Als Ergebnis sieht der User, mit welcher Partei er am meisten übereinstimmt.

Wer sich per SMS an die Wahl erinnern lässt, kann Handys oder USB-Sticks gewinnen. Eine weitere Spielerei ist auch das Europa-Puzzle. Die Mitgliedsländer sind dort als Puzzle-Teile dargestellt, die man geografisch richtig auf einer weißen Europakarte platzieren muss. Außerdem gibt es ein eigenes Web-TV. „Europarlv“ nennt sich das Parlamentsprogramm, das etwa Livestreams aus Plenartagungen oder Beiträge zu Jugendthemen zeigt.

Virtueller Wahlkampf

Alle sechs deutschen Parteien, die Abgeordnete im Bundestag haben, sind auch im Europäischen Parlament vertreten. Hier gehören sie jeweils den politisch verwandten Fraktionen an: CDU und CSU der Europäischen Volkspartei (EVP), die SPD der sozialdemokratischen Partei Europas (PSE), die FDP der Allianz der Liberalen und Demokraten in Europa (ALDE), Bündnis 90/Grüne den Grünen/Freien Europäischen Allianz (Grüne/FEA) und die Linkspartei der vereinten Europäischen Linken (GUE/NGL).

Die EVP zeigt auf ihrer Startseite eine schier endlose Liste an Neuigkeiten in mehreren Sprachen. Ein Klick auf den kleinen gelben "Deutsch"-Button ändert am Sprachen-Wirrwarr gar nichts. Das steigert nicht unbedingt die Benutzerfreundlichkeit, zumal die Homepage ziemlich überfrachtet wirkt. Dafür gibt es ein aufgeräumtes Video-Portal namens "epp ed TV" – dort wird aber weniger Wert auf Wahlinformation gelegt, denn auf Sachpolitik. Man sieht etwa ein sechsminütiges Video, in dem es um einen Solidaritätsfonds bei Naturkatastrophen geht. Eingebunden wird man hier als User nicht, Kommentarfunktionen sucht man vergeblich.

Die Sozialdemokraten im Europarlament (PSE) versuchen da schon etwas mehr Bezug zum User herzustellen. Immerhin gibt es ein Forum und eine Umfrage zum Thema Europawahl. Neuigkeiten sind aktuell und auf Deutsch aufgelistet. Hier bloggt auch Vize-Fraktions-Chef Jan Marinus Wiersma, manchmal ganz amüsant, zum Beispiel über den Gas-Streit mit Russland, manchmal entbehrlich, etwa über Sicherheit in Europa.

Während die PSE auf Videos verzichtet, setzt die Allianz der Liberalen und Demokraten in Europa (ALDE) verstärkt auf Bewegtbilder. Fraktionschef Graham Watson stellt in unterschiedlichen Abständen einen Podcast auf die Homepage. Mehr als guter Wille ist aber nicht zu entdecken. Viel zu viele Infos brechen über den User herein, mal blinkt es hier, mal da. Alles in allem wirkt das ziemlich ungeordnet.

Beim Einstieg auf die Seite der Grünen Europaparlamentsfraktion begegnet man zunächst einer brünetten, grünäugigen Dame, die einem zuzwinkert. Allerdings folgt dann eine Flut an Meldungen, man scrollt hinunter bis zu Vorschlägen für das Klimapaket vom 22.1.2008. Dafür fällt ein neues Online-Tool auf, das die Grünen auf der Seite installiert haben: Mit dem Votetracker lässt sich überprüfen, wie die Abgeordneten im Parlament zu welchem Thema abgestimmt haben. Ähnliches gibt es übrigens auch auf votewatch.eu.

Im Vergleich zu den Grünen ist die Internet-Präsenz der Vereinten Europäischen Linken relativ unspektakulär, um nicht zu sagen: langweilig. Dürftiger Inhalt, unübersichtliche Struktur, wenige, inaktuelle Videos.

Gesetze und Gefühle

Auch die EU hat das soziale Netzwerk Facebook entdeckt. Auf dem Account der Europaparlaments erfährt man, wie europäische Gesetze in den letzten 30 Jahren die Gesellschaft verändert haben. Kommentare sind auf der Seite aber eher selten. Von Facebook wird man zu einer Slideshow zu einigen der "besten" Alltagsimpressionen und Kampagnenbilder zur Europawahl auf das Fotoportal "flickr" weitergeleitet. Allerdings fragt man sich, wo sich unter den eher durchschnittlichen Motiven nun die Besten verstecken sollen.

Auf YouTube.com will die EU mit Videos Gefühle wecken: Man sieht, wie in Osteuropa zum Fall der Mauer ein Kind auf die Welt kommt. Der Junge wächst heran und lernt ein Europa ohne Grenzen und Diktaturen kennen. Als Student steht er vor dem Brandenburger Tor und feiert dort seinen 20. Geburtstag – viele Emotionen in knapp drei Minuten.

Medien und Blogs

Die BBC widmet sich der Europawahl intensiv und kümmert sich dabei um Grundsätzliches: In Videos wird einfach erklärt, wie etwa das Parlament arbeitet und wozu es gut ist. Es gibt eine Reihe von Analysen, Features und Kommentare zum Thema EU-Wahl. Außerdem haben die Briten eine Chronik der wichtigsten Gesetze online gestellt, die das EU-Parlament verabschiedet hat. Im Jargonbuster erläutern die Briten, was etwa Begriffe wie "Acqius communautaire", "Subsidiarity" oder "Unanimity" bedeuten. Ein umfangreiches und rundum gelungenes Dossier.

Auch der britische Guardian widmet sich dem Thema, allerdings mit einem Focus auf aktuelle Neuigkeiten, wie etwa Umfragen, und rundet das das Angebot mit Kommentarfunktionen ab.

Der französische Kanal TV5 bietet ein umfassendes Video-Portal zu Europa an, die Zeitung "La Tribune" hat für den Unser noch einiges mehr parat. Etwa das Wahlprogramm der in Frankreich kandidierenden Parteien. Dazu gibt es Interviews mit Politologen oder Spitzenkandidaten, wie etwa mit Daniel Cohn-Bendit von den Grünen.

Der österreichische Rundfunk ORF hat ebenfalls eine Seite zur Europawahl eingerichtet. Die Homepage hat einen Service-Schwerpunkt mit einer großzügigen Linkliste. Es gibt aber auch interessante Hintergrundberichte, etwa über einen "rassistisch eingefärbten Skandal im tschechischen EU-Wahlkampf" oder das "Rittern um die Prestigejobs in der EU".

Aufruf zu Kritik

Das selbsterklärte "unabhängige Europamagazin" Cafebabel setzt sich mit der Seite recht bissig mit dem Thema Europawahlen auseinander: So gibt es etwa eine Liste der "EU-Großbaustellen", es werden per Video Fragen gestellt wie: "EU-Erweiterung - auf nach Japan?" Über den "Babelblog" werden vor allem junge User dazu aufgerufen, bei einer kritischen europäischen Debatte mitzumachen.

Die Europawahl-Seite der Internetplattform EU-Observer gibt einen breiten Überblick über das Vorwahl-Geschehen auf dem ganzen Kontinent. Außerdem werden hier die Seiten der Parteien bewertet - unter anderem nach Coolness-Faktor, Design, Navigation oder Inhalt. Die meisten Punkte gibt es hier übrigens für die Grünen. Als klassische Weblog-Plattform bietet sich Blogactiv.eu an: Alles, was man über die EU oder die Europawahl loswerden will - hier darf man es posten. Als Forum ebenfalls zu empfehlen: bloggingportal.eu oder kosmopoito.org.

Unter youthreporter.eu lässt die deutsche Agentur "Jugend in Aktion" Jugendliche aus mehreren Ländern über die Zeit bis zur Wahl bloggen. In der Rubrik "europawahl hautnah" berichten Jugendreporter aus ihren Ländern. Die Themen: Was interessiert die Jugendlichen? Wie sieht der Wahlkampf aus? Junge Blogger schildern hier persönliche Eindrücke über die Stimmung vor der Wahl - von Lettland bis Irland. Das Angebot ist breit gestreut und mitunter durchaus unterhaltsam.

Online sehr aktiv sind auch die Jungen Europäischen Föderalisten (JEF) – eine überparteiliche Jugendbewegung, die sich seit 60 Jahren für ein vereintes Europa mit föderalen Strukturen einsetzt und mittlerweile über 25000 Mitglieder hat. Die Bewegung besitzt einen Account auf Facebook und betreibt die Homepage europawahllokal.de, die jungen Menschen grundlegende Fragen zur Wahl beantwortet und aufruft, die Stimme abzugeben.

Rund um die Kandidaten

Die Berliner Medienagentur Compuccino hat das Projekt wahl.de ins Leben gerufen- Die Seite zeigt täglich die aktivsten und erfolgreichsten politischen Akteure und Parteien im Netz. Jeder Europawahl-Kandidat wird mit Kerndaten wie Beruf und Amt angeführt und ist mit seiner Homepage oder Profil auf Social-Media-Plattformen verlinkt. Unter den "Big-Movern", also jenen Politikern die in den vergangenen sieben Tagen prozentuell am meisten Zuwachs bei ihren Kontakten hatten, stehen Martin Schulz (SPD), Hans-Gert Pöttering (CDU), Silvana Koch-Mehrin (FDP) auf den Plätzen zwei bis vier. Spitzenreiter ist übrigens Bundesumweltminister Sigmar Gabriel (SPD).

Wer wissen will, welche Kandidaten zur Wahl stehen, kann sich auf micandidate.eu informieren. Hier wird ausführlich beschrieben, wofür Parteien stehen und wer für sie antritt. Die Suchmaske funktioniert für 17 der 27-EU-Staaten und deckt alle kandidierenden Parteien ab. Darunter natürlich auch Kleingruppen – in Deutschland etwa die Partei Bibeltreuer Christen, oder die Piraten-, Rentner- und Tierschutzpartei.

Auf Kommunikation mit den Usern setzen die Macher kandidatenwatch.de. Dort kann man alle 1200 deutschen Kandidaten für die 99 Sitze im Europaparlament befragen. Schirmherrin des Projekts ist die Vize-Präsidentin des Parlaments, Mechtild Rothe (SPD). Knapp zwei Drittel aller Fragen werden innerhalb von zwei Wochen beantwortet. Besonders fleißig waren dabei bislang etwa die Abgeordneten Klaus Hänsch (SPD), Markus Ferber (CSU), Rebecca Harms (Grüne), Sahra Wagenknecht (Linke) oder Silvana Koch-Mehrin (FDP).

Martin Schulz, machte hier bislang eher durch Schweigen oder "Standard-Antworten" von sich reden. Gleiches gilt übrigens für EU-Parlamentspräsident Hans-Gert Pöttering.

Und auch das Portal Parteigefluester.de beobachtet, welche Spuren die Volksvertreter im Internet hinterlassen. Die Macher der Seite fassen dafür einfach jene Nachrichten ("Tweets") zusammen, die Politiker über den Microblogging-Dienst "Twitter" versenden. Dabei fällt auf, dass auf der Webseite alle größeren Parteien vertreten sind - bis auf die Linkspartei. Deren Twitter-Aktivitäten, so die Begründung des Portals, seien einfach zu gering.

Es gibt also durchaus ein paar Seiten, die selbst das vermeintlich dröge Thema Europawahl spannend aufbereiten können. Hier haben die jungen, unabhänigen Homepage-Macher die Nase vorne. Die Parteien und Institutionen haben zwar ihre Hausaufgaben im Netz zwar gemacht, Internet, das begeistert sieht aber anders aus.