Ein Mitarbeiter arbeitet an einem Teil einer Erdgasleitung am Gelände der Gas Connect Austria Verdichterstation in Baumgarten An Der March (Österreich).

Mögliche Lieferdrosselung EU einigt sich offenbar auf Gas-Notfallplan

Stand: 26.07.2022 04:17 Uhr

Angesichts Russlands Ankündigung, die Gaslieferungen über Nord Stream 1 weiter zu reduzieren, haben sich die EU-Staaten offenbar auf einen Notfallplan geeinigt. Nach dpa-Informationen soll er noch heute offiziell bestätigt werden.

Vertreter von EU-Staaten haben sich offenbar auf einen Notfallplan zur Senkung des Gaskonsums verständigt. Nach Informationen der Nachrichtenagentur dpa soll er heute bei einem Sondertreffen der Energieminister in Brüssel offiziell bestätigt werden und die Risiken reduzieren, die sich aus einer vollständigen Unterbrechung russischer Gaslieferungen ergeben könnten.

Wie Diplomaten der dpa bestätigten, sieht der Plan - wie von der EU-Kommission vorgeschlagen - vor, den nationalen Konsum im Zeitraum vom 1. August 2022 bis zum 31. März 2023 freiwillig um 15 Prozent zu senken. Zudem soll die Möglichkeit geschaffen werden, bei weitreichenden Versorgungsengpässen einen Unionsalarm auszulösen und verbindliche Einsparziele vorzugeben.

Mehr Ausnahmemöglichkeiten

Im Vergleich zum ersten Entwurf der Kommission sind dafür allerdings deutlich mehr Ausnahmemöglichkeiten vorgesehen und auch die Hürden für die Einführung von verbindlichen Einsparzielen wurden erhöht. Letztere soll nur vom Rat der Mitgliedstaaten und nicht von der EU-Kommission durchgesetzt werden können.

Konkret bedeutet dies, dass ein Kommissionsvorschlag für verbindliche Einsparziele die Zustimmung einer Gruppe von 15 der 27 EU-Länder braucht. Zudem müssten diese zusammen mindestens 65 Prozent der Gesamtbevölkerung der Union ausmachen.

Arnd Henze, ARD Brüssel, mit Einzelheiten zum Gas-Notfallplan der EU

tagesschau 09:00 Uhr

Ausnahmeregelungen sollen zum Beispiel vorsehen, dass Länder wie Zypern, Malta und Irland nicht zum Gassparen verpflichtet werden sollten, solange sie nicht direkt mit dem Gasverbundnetz eines anderen Mitgliedstaats verbunden sind. Bei anderen Staaten sollen zum Beispiel Anstrengungen zur Einspeicherung von Gas, eine drohende Stromkrise und der Verbrauch von Gas als Rohstoff etwa zur Erzeugung von Düngemitteln die verpflichtende Einsparmenge reduzieren können.

Vier Staaten mit Vorbehalten

Für das Beschlussverfahren ist ebenfalls eine qualifizierte Mehrheit notwendig, die nach Angaben von Diplomaten allerdings problemlos erreicht werden dürfte.

Bei den Beratungen der ständigen Vertreter der Mitgliedstaaten habe sich gezeigt, dass ein Großteil der Länder Solidarität für äußerst wichtig halte und Gas einsparen wolle, hieß es. Neben Ungarn hätten zuletzt nur noch drei andere Mitgliedstaaten größere Vorbehalte geäußert.

Habeck: Reduzierung ist "perfides Spiel"

Deutschland unterstützt die Notfallplanungen als eines derjenigen Länder, die derzeit noch stark von russischen Gaslieferungen abhängig sind. Für die Bundesregierung wird Wirtschaftsminister Robert Habeck zu dem Sondertreffen in Brüssel erwartet.

Der Grünen-Politiker hatte dem russischen Präsidenten Wladimir Putin am Montag wegen der angekündigten weiteren Drosselung der Gaslieferungen ein "perfides Spiel" vorgeworfen. Putin versuche, die große Unterstützung für die Ukraine zu schwächen und einen Keil in die deutsche Gesellschaft zu treiben. Dafür schüre er Unsicherheit und treibe die Preise. Technische Gründe für die Lieferkürzungen gebe es nicht.

Gazprom will Gaslieferungen reduzieren

Der russische Gaskonzern Gazprom hatte kurz zuvor angekündigt, die Lieferungen durch die Ostseepipeline Nord Stream 1 von derzeit 40 Prozent auf 20 Prozent der maximalen Kapazität zu senken. Es sollen dann nur noch 33 Millionen Kubikmeter Gas täglich durch die wichtigste Versorgungsleitung nach Deutschland fließen. Grund sei die Reparatur einer weiteren Turbine, hieß es.

Die EU-Kommission sieht die Ankündigungen als Beleg für die Notwendigkeit von gemeinschaftlichen europäischen Notfall-Planungen. Genau diese Art von Szenario habe Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen und das Kollegium dazu veranlasst, einen Vorschlag zur Solidarität beim Gassparen vorzulegen, sagte ein Sprecher am Montagabend in Brüssel. Die Entwicklung bestätige die eigene Analyse und man hoffe, dass der Rat der Mitgliedstaaten an diesem Dienstag eine angemessene Antwort beschließen werde.

Astrid Corall, Astrid Corall, WDR zzt. Brüssel, 26.07.2022 08:27 Uhr

Dieses Thema im Programm: Über dieses Thema berichtete die tagesschau am 26. Juli 2022 um 04:47 Uhr.