
Reaktionen auf EU-Migrationspakt Menschenverachtend oder gute Basis?
Stand: 23.09.2020 17:38 Uhr
Die Pläne der EU-Kommission für eine Asylreform stoßen bei der Opposition in Deutschland und Flüchtlingsorganisationen auf Kritik. Lob kommt dagegen von Innenminister Seehofer.
Der von der EU-Kommission vorgestellte "neue Pakt zu Migration und Asyl" stößt in der deutschen Opposition auf viel Kritik. Die Kommission "strickt an einer Ausweitung des menschenverachtenden Lagersystems auf die gesamte EU-Peripherie", kritisierte die Linken-Innenexpertin Ulla Jelpke in Berlin. "In Schnellverfahren an den EU-Grenzen über die Schutzberechtigung von Menschen zu entscheiden, widerspricht dem Grundcharakter des Asylrechts massiv."
Südliche EU-Staaten werden allein gelassen
Grünen-Fraktionschefin Katrin Göring-Eckardt kritisierte die Brüsseler Vorschläge als vertane Chance. "Die Vorschläge der EU-Kommission zum neuen Migrationspakt zeigen weder Solidarität mit Geflüchteten noch mit den betroffenen EU-Außengrenzstaaten", sagte sie der "Welt". Erstankunftsländer wie Griechenland, Italien, Spanien und Malta würden auch danach weitgehend alleine handeln müssen.
AfD-Fraktionschef Alexander Gauland wiederum kritisierte die Kommissionspläne als "unausgegorenes Sammelsurium von untauglichen Vorschlägen und politischen Ladenhütern". Lediglich Jan-Christoph Oetjen, der für die FDP im Europaparlament sitzt, sieht etwas Positives: "Der vorgelegte Entwurf ist sicherlich nicht der erhoffte Leuchtturm - aber immerhin auch keine Nebelkerze. Er bringt etwas Licht ins Dunkel der europäischen Migrationspolitik."
Kritik von Pro Asyl
Auch die Flüchtlingshilfsorganisation Pro Asyl geht mit den Plänen scharf ins Gericht. Geschäftsführer Günter Burkhardt bezeichnete sie als "teuflischen Pakt der Entrechtung". Er kritisierte: "Von Rechtspopulisten getrieben verrät die EU-Kommission das Asylrecht und die Menschenrechte von Schutzsuchenden." Burkhardt forderte das Europaparlament auf, die Pläne abzulehnen.
Seehofer zufrieden
Bundesinnenminister Seehofer äußerte sich dagegen positiv. Mit Blick auf ein neues Konzept der EU-Kommission, das Staaten mit EU-Außengrenzen wie Griechenland und Italien entlasten soll, sagte er: "Insgesamt kann man sagen, der Vorschlag bietet auch aus Sicht der deutschen Ratspräsidentschaft eine gute Grundlage für die Beratungen mit der Kommission und mit den Mitgliedstaaten." Die Chance, dass man auf dieser Basis zu einer "politischen Verständigung" kommen werde, sei sehr hoch, erklärte Seehofer.
Mehr Kontrollen, schnellere Abschiebungen
Der Plan der EU-Kommission sieht schnellere Asylverfahren schon an den Außengrenzen vor. Zugleich sollen mehr Abschiebungen die Blockade bei der Reform der europäischen Flüchtlingspolitik auflösen. Mitgliedstaaten sind nach den am Mittwoch in Brüssel vorgestellten Vorschlägen nicht verpflichtet, Flüchtlinge zur Entlastung anderer EU-Länder aufzunehmen, sondern können stattdessen bei Abschiebungen helfen.
Zudem hält die EU-Kommission an den derzeit gültigen Dublin-Regeln grundsätzlich fest. Die Dublin-Regeln sehen vor, dass meist jener EU-Staat für einen Asylantrag zuständig ist, auf dessen Boden der Schutzsuchende zuerst europäischen Boden betreten hat. Dieser Mechanismus belastet vor allem Länder an den südlichen EU-Außengrenzen wie Griechenland oder Italien.