Ditib in Deutschland Vom Dialogpartner zum Spionageverein?

Stand: 02.02.2017 03:01 Uhr

Immer mehr Bundesländer distanzieren sich von Ditib, weil die dort organisierten Imame Gülen-Mitglieder ausspioniert haben sollen. Der Druck aus Deutschland auf den größten Moscheeverband, sich von der Türkei zu lösen, nimmt zu.

Es werden immer mehr: Nach Nordrhein-Westfalen, Niedersachsen und Hessen scheint nun auch Hamburg die Zusammenarbeit mit dem bundesweit größten Islamverband Ditib infrage zu stellen. Die Hamburger Bürgerschaft diskutiert, ob sie den Staatsvertrag zwischen Hansestadt und Muslimverbänden, darunter Ditib, aussetzt oder gar beendet. Ditib ist der Dachverband der türkisch-islamischen Vereine in Deutschland.

Der wichtigste islamische Dialogpartner für staatliche Stellen steht seit dem Vorwurf der Bespitzelung in neuem Licht da, und für die Muslime in Deutschland könnte das weitreichende Folgen haben. Nach Jahrzehnten der Einwanderung gibt es keine stabile Struktur, um muslimisches Leben in Deutschland zu regeln. Das Misstrauen gegenüber Ditib ist gewachsen, seit die Bundesanwaltschaft ermittelt.

Der Vorwurf: Imame sollen Spitzel der Türkei sein

Ditib-Imame sollen Anhänger der Gülen-Bewegung ausspioniert und deren Daten an die türkische Regierung weitergegeben haben. Die Bundesanwaltschaft reagierte zunächst zurückhaltend und zögerte, Ermittlungen wegen Spionageaktivitäten aufzunehmen. Doch dann leitete sie Mitte Januar ein Verfahren gegen Unbekannt ein.

Ditib kooperiert eng mit dem türkischen Religionsministerium Diyanet. 900 Moscheevereine gehören bundesweit zu dem Verband mit Sitz in Köln. Die Imame jedoch werden von der Türkei entsandt und auch von dort bezahlt. Der Generalsekretär von Ditib, Bekir Alboga, verteidigt seinen Verband: Zu keiner Zeit seien Berichte von Ditib eingefordert oder verfasst worden. Auch seien keine Berichte über die Tische der Ditib gegangen oder weitergeleitet worden. Mitglieder seiner Gemeinde würden sich einem "Medienbashing" ausgesetzt sehen.

Die Situation in den Bundesländern

Bekir Alboga

Alboga bestreitet Spitzel-Tätigkeiten der Imame.

Jahrelang war der Verband für Bund und Behörden ein "wichtiger und verlässlicher Partner", wie die Integrationsbeauftragte der Bundesregierung, Aydan Özoguz, es jetzt umschreibt. Die enge Verbindung nach Ankara war den Beteiligten klar. Ein Problem wurde es, seit die Politik von Präsident Recep Tayyip Erdogan immer härter mit ihren politischen Gegnern umgeht und sich offenbar auch der Imame in Deutschland bediente, um Gülen-Anhänger auszumachen. Nun bremst auch die Integrationsbeauftragte deutlich: "Es gibt nun aber schwerwiegende Vorwürfe gegen Ditib. Wir müssen abwarten, bis eindeutige Erkenntnisse durch den Generalbundesanwalt vorliegen. Das Vertrauen auch vieler Gemeindemitglieder zu Ditib ist beschädigt."

Damit die Anhänger der größten religiösen Minderheit in Deutschland ihre Religion praktizieren können, ist die Zusammenarbeit zwischen den Bundesländern und den Islamverbänden wichtig: Man verhandelt vor allem über islamischen Religionsunterricht, die Regelung von Feiertagen, Gefängnisseelsorge oder eigene Friedhöfe. Für den Staat muss es einen Ansprechpartner geben, auch wenn ein Großteil der Muslime gar nicht in einem Verband organisiert ist. Vor allem beim islamischen Religionsunterricht. Allein in sieben Bundesländern arbeitet Ditib an diesem Thema mit. NRW-Schulministerin Sylvia Löhrmann erwartet von dem Verband, dass er nun seine Mitgliedschaft im Beirat für den islamischen Religionsunterricht im Land ruhen lässt. Der Verband habe sich dazu noch nicht geäußert.

Forderungen: Trennung von der Türkei

Ein Dilemma. Denn solange viel Geld aus der Türkei kommt, ist die Abhängigkeit groß. Der Islamwissenschaftler und Schriftsteller Navid Kermani erkennt einen Konstruktionsfehler: "Ditib sitzt zwischen den Stühlen, das geht auf Dauer nicht." Alle Brücken zu dem Verband abzureißen, hält Kermani für falsch. Die Integrationsbeauftragte Özoguz fordert eine "klare Abgrenzung" von der Religionsbehörde Diyanet. "Wichtig ist mir, dass Ditib versteht, dass sie nicht einfach so weitermachen können. Ich erwarte ein klares Signal der Ditib, um Vertrauen wiederherstellen zu können."

Das Problem, dass die Gemeinden einen Imam brauchen, kennt Özoguz: Der Staat müsse die Lehrstühle finanzieren, damit Imame hier ausgebildet werden können.

Schon bei der Bundeskanzlerin gelandet

Nun reist die Bundeskanzlerin nach Ankara, und selbst auf höchster politischer Ebene scheint Ditib zum Thema zu werden. Der stellvertretende SPD-Fraktionschef Rolf Mützenich forderte im "Kölner Stadtanzeiger", Merkel müsse klarstellen, "dass wir nicht dulden können, dass über den muslimischen Dachverband Ditib innertürkische Konflikte nach Deutschland getragen werden".

Die Dimension der türkischen "Spitzel-Imame" für die Integration und die Entwicklung des Islam in Deutschland scheint der Kanzlerin klar zu sein. Regierungssprecher Steffen Seibert erklärte dazu: "Diese Fragen der türkischen Imame waren auch in der Vergangenheit ein Thema zwischen der Bundeskanzlerin und den Gesprächspartnern. Dass uns das Thema beschäftigt, ist selbstverständlich." Für die Entwicklung eines deutschen Islam und der Muslime wäre es ein Fortschritt, wenn die türkische Regierung erkennt, welchen Schaden sie anrichtet.