Apps auf einem Smartphone

Datenschutz bei Messenger-Diensten Sicher, Digger?

Stand: 22.04.2016 15:48 Uhr

GN8 SMS! Der Kurznachrichtendienst ist so gut wie abgelöst von Messengern wie WhatsApp. Dabei sind die Daten, die über diese Dienste verschickt werden, nicht durch das Fernmeldegeheimnis geschützt. Hessen will das Recht anpassen, doch der Vorstoß ist umstritten.

Von Julia Schumacher für tagesschau.de

Mal schnell ein paar ganz liebe Grüße verschickt: GLG!: Was wurde Anfang der 90er Jahre getextet! FYI: Damals begann die SMS, so richtig populär zu werden. Und wir unterhielten uns nur noch in Abkürzungen: OMG, GN8, HDL. Denn mehr als 160 Zeichen passten nicht in eine Nachricht. Seit 2013 ist die SMS aber so gut wie abgemeldet. Jetzt geben Messenger-Dienste wie WhatsApp, Threema und Co. den Ton an.

Grüne und pinkfarbene Balken zeigen an, wie die Nutzung von WhatsApp die Nutzung von SMS in den vergangenen sechs Jahren überholt hat.

Worin unterscheiden sich SMS und WhatsApp?

Messenger wie WhatsApp, Threema und Co. sind sogenannte "Over the top"-Dienste (OTT-Dienste). "Die bestehenden Regeln zum Datenschutz sind für diese Dienste nicht anwendbar, auch für das Fernmeldegeheimnis garantieren die Unternehmen nicht", erklärt Peter Schaar, ehemaliger Datenschutzbeauftragter der BRD und Vorsitzender der Europäischen Akademie für Informationsfreiheit und Datenschutz (EAID).

Anbieter von OTT-Diensten können also derzeit legal in Gespräche reinhören, Textnachrichten abfangen und auswerten und vom Nutzer bereits gelöschte Fotos und Videos speichern - sofern die Nachrichten nicht verschlüsselt werden, wie bei Threema und neuerdings auch WhatsApp. Dennoch: "OTT-Dienste nehmen es für sich in Anspruch, dass die Datenschutzregeln und das Fernmeldegeheimnis für sie nicht gilt", so Schaar. Die Unternehmen entscheiden bislang also selbst über die Sicherheit der versendeten Daten.

Bundesdatenschutzbeauftragter Peter Schaar

Peter Schaar war bis 2013 Datenschutzbeauftragter der Bundesrepublik Deutschland.

Das Bundesland Hessen sieht nun Handlungsbedarf und bringt das Thema in den Bundesrat. Es geht um die Rechtssicherheit von Messenger-Diensten. "Der zunehmende Einsatz digitaler Medien in Gesellschaft und Wirtschaft verändert gewohnte Lebens- und Wirtschaftsbereiche schnell und teilweise umbruchartig", heißt es im Antrag der Hessen. Der geltende Rechtsrahmen hinke dieser innovativen Entwicklung hinterher.

"Over the top"-Dienste (OTT-Dienste)

OTT-Diensteanbieter erbringen ihre Leistungen IP-basiert über das offene Internet und nicht über eigene oder angemietete Kommunikationsnetze. Damit umgehen sie die Wertschöpfungsketten herkömmlicher Dienste- und Netzbetreiber oder bieten ihre Dienste in Konkurrenz zu herkömmlicher Telekommunikation wie Telefonie und SMS an. Bezogen auf Kommunikation handelt es sich dabei um Dienste wie Skype, WhatsApp oder Gmail. Auch der Video-on-Demand-Dienst Netflix ist ein OTT-Dienst.

Dinosaurier SMS - alt, aber sicher

Gegenwärtig fallen lediglich Netzbetreiber wie Telekom oder Vodafone oder solche, die deren Netze anmieten, unter das Telekommunikationsgesetz und somit unter den Schutz des Fernmeldegeheimnisses. Und damit auch die klassische SMS. "Die Telekom beherrscht ihr Netz und ist deshalb verantwortlich für die Sicherheit", sagt Rechtswissenschaftler Hubertus Gersdorf von der Universität Rostock zum Unterschied: "OTT-Dienstanbieter sind aber keine Netzbetreiber, deshalb können sie nicht für den Datenschutz gewährleisten."

Hessen fordert nun: Das Telekommunikationsgesetz müsse so gestaltet werden, dass alle Dienste abgedeckt sind.

Kanzlerin Merkel verschickt viele SMS.

Kanzlerin Merkel verschickt viele SMS.

Verwirrend für den Nutzer

Hinzu kommt, dass auch die konventionellen Telekommunikationsanbieter ihre Dienste zunehmend über das freie Internet verbreiten und nicht mehr ausschließlich über ihre eigenen oder angemieteten Netze. Davon merke der Verbraucher nicht unbedingt etwas, kritisiert Kommunikationsrechtler Gersdorf. Er sieht es als Pflicht des Gesetzgebers an, sich dafür einzusetzen, dass keine Nachrichten mitgelesen und keine Gespräche mitgehört werden.

In diesem Punkt sind sich Schaar und Gersdorf einig: Es besteht die Notwendigkeit an einer einheitlichen Regelung für konventionelle Dienste und OTT-Anbieter. "Die Nutzer sind momentan ungeschützt", so Peter Schaar.

"Von Alleingängen ist abzuraten"

Dafür ein Gesetz der Bundesrepublik Deutschland zu ändern, ist in den Augen beider Experten aber nicht zielführend. "Von Alleingängen von EU-Mitgliedsstaaten ist dringend abzuraten", sagt Rechtswissenschaftler Gersdorf. Für ihn ist der Vorstoß des Bundeslands Hessen im Bundesrat "ein Stück weit politische Show". Sein Rat an die Bundesregierung: Sich am europäischen Diskurs zu diesem Thema beteiligen, der gerade geführt wird. Denn: "Nationalstaatliche Regelungen werden sowieso wieder vom europäischen Recht überholt."

Auch Schaar sieht es nur als zweitbeste Lösung, wenn sich der deutsche Gesetzgeber dem Thema annimmt: "Wenn ein OTT-Anbieter seinen Sitz in Irland hat, gelten die deutschen Regeln schon nicht mehr." Wichtig sei, dass Deutschland sich in der EU starkmache.

Die EU ist dran

In der EU wird diese Debatte aktuell auch geführt. Dabei geht es um eine Überarbeitung der sogenannten ePrivacy-Richtlinie: Diese verpflichtet die EU-Mitgliedsstaaten, telekommunikationsspezifische Regelungen zum Datenschutz zu erlassen. Dazu gehören Regelungen, die das Mithören von Telefongesprächen und das Abfangen von E-Mails verbieten.

Um eine einheitliche Regelung für alle Kommunikationsdienste zu finden - ob konventionell oder OTT - muss die EU klarstellen, welchen Rechtsstatus die OTT-Dienste haben.

"Davon hat Edward Snowden geträumt"

Der Ruf nach dem Gesetzgeber ist nicht die einzige Möglichkeit, mehr Sicherheit in der Telekommunikation herzustellen. Die Verbraucher stehen auch selbst in der Pflicht: "Die Menschen haben immer noch nicht so richtig eingesehen, wie wichtig der Schutz ihrer Daten ist", sagt Kommunikationsrechtler Gersdorf, trotz Enthüllungen wie denen von Whistleblower Edward Snowden. "Von einer Ende-zu-Ende-Verschlüsselung, wie WhatsApp sie jetzt hat, hätte Edward Snowden geträumt."

Sicherheit werde immer stärker zum Wirtschaftsfaktor im Kommunikationsmarkt, so Gersdorf. Um die Kunden zu behalten, setzen Anbieter wie WhatsApp immer mehr darauf. Freiwillige Vorstöße einzelner Unternehmen reichten aber nicht aus. Es brauche Regelungen, die den Verbraucher schützen. Rechtswissenschaftler Gersdorf ist da zuversichtlich: "Die EU hat die Kompetenz, das freie Internet zu regulieren."