Jens Spahn

Coronavirus Spahn sieht neue Lage für Deutschland

Stand: 24.02.2020 16:50 Uhr

Den Ausbruch des Coronavirus in Italien betrachtet die Bundesregierung mit Sorge. Gesundheitsminister Spahn rechnet damit, dass sich das Virus auch hierzulande ausbreiten könnte - sieht sich aber gut vorbereitet.

Die Bundesregierung blickt mit Sorge auf die Ausbreitung des Coronavirus in Italien. Gesundheitsminister Jens Spahn sagte, man habe eine neue Lage. Es müsse damit gerechnet werden, dass sich die Krankheit auch in Deutschland ausbreiten kann.

Dies liege vor allem daran, dass in Italien die Infektionsketten nicht mehr nachvollziehbar seien. Damit laufen Versuche, Infizierte zu isolieren, ins Leere.

Deutschland sieht sich gut vorbereitet

Allerdings sei Deutschland bestmöglich vorbereitet. Deutschland verfüge über eines der besten Gesundheitssysteme der Welt, das Jahr für Jahr auch die Grippewellen erfolgreich bewältige.

Zunächst solle in Deutschland weiter versucht werden, jeden infizierten Patienten zu identifizieren und zu isolieren. Ab welcher Fallzahl man in eine nächte Stufe treten müsste, könne man derzeit nicht sagen.

Der Präsident des Robert Koch-Instituts, Lothar Wieler, sagte, er rechne fest damit, dass das Coronavirus auch nach Deutschland kommen werde. Dies werde aber nicht explosionsartig erfolgen, sondern langsam mit einzelnen regionalen Schwerpunkten.

Zeit gewinnen ist vorrangiges Ziel

Das wichtigste sei, Zeit zu gewinnen. Dafür könne jeder einen Beitrag leiten, indem er sich an der Infektionshygiene beteilige. Dazu gehöre häufiges Händewaschen, das Niesen in die Armbeuge und dass man Berührungen im Gesicht vermeidet. "Es wird zwar oft belächelt, es ist aber wichtig!", sagte er.

Man lerne immer mehr über das Virus. Und auch wenn es einen Impfstoff wohl erst in einem Jahr geben werde, gebe es zahlreiche Medikamente, die die Symptome mildern könnten. Diese Wirkstoffe würden jetzt sukzessive ausprobiert.

Gesundheitsminister Spahn lobte Italien für sein konsequentes Handeln und für die gute Informationspolitik gegenüber den europäischen Partnern und Nachbarländern. Morgen sollen die Gesundheitsminister Italiens und der Nachbarländer in Rom beraten.

Britische Forscher rechnen mit Pandemie

Britische Mediziner sind sehr skeptisch, ob die weltweite Ausbreitung des neuen Coronavirus noch gestoppt werden kann. "Das Zeitfenster für die Eindämmung des Ausbruchs schließt sich nun sehr schnell", zitierte die britische Zeitung "The Telegraph" Devi Sridhar von der Universität Edinburgh, die zur weltweiten öffentlichen Gesundheit forscht.

Nathalie MacDermott, Expertin für Infektionskrankheiten am renommierten King's College in London, nannte vor allem die Situation in Italien, Südkorea und Iran «sehr besorgniserregend». Dort sei nicht klar, bei wem sich die Menschen infiziert hätten.

Dies weise darauf hin, dass sich die Betroffenen bei Personen angesteckt hätten, die keine oder kaum Symptome zeigten und nichts von ihrer eigenen Infektion wüssten. Somit könne sich der Erreger schnell ausbreiten, bevor die ersten Fälle überhaupt nachgewiesen werden. "Es ist klar, dass nun alle Voraussetzungen für eine Pandemie vorhanden sind", sagte Bharat Pankhania von der Universität Exeter. "Es ist besser ehrlich zu sein und es zu sagen."

WHO: Haben noch keine Pandemie

Unterdessen scheint der Höhepunkt der Epidemie in der chinesischen Wuhan überwunden. Dort sinke die Zahl der Neuerkrankungen, sagte RKI-Präsident Wieler - dies sei ein Erfolg der dortigen Gesundheitsbehören.

Trotz der zahlreichen neuen Infektionen mit dem neuen Coronavirus setzt die Weltgesundheitsorganisation (WHO) auf Beruhigung. Es sei sehr ermutigend, dass die Fallzahlen in China zurückgingen, sagte WHO-Generaldirektor Tedros Adhanom Ghebreyesus. Die Zahlen aus Italien, dem Iran und Südkorea seien gleichwohl sehr beunruhigend. Nach WHO-Einschätzung handele es sich dennoch nicht um eine Pandemie, sondern Epidemien in einzelnen Ländern.

Deutsche Wirtschaft fordert Hilfe

Der Bundesverband der Deutschen Industrie (BDI) hat angesichts der Ausbreitung des neuartigen Coronavirus die Regierung zum raschen wirtschaftlichen "Krisenmanagement" aufgefordert. Die Auswirkungen des Virus seien in Ausmaß und Dauer derzeit "überhaupt nicht einzuschätzen", erklärte Hauptgeschäftsführer Joachim Lang.

Für die Konjunktur drohten "schwere Auswirkungen". Die mehr als 5000 deutschen Unternehmen in China seien derzeit in Beschaffung, Produktion und Absatz stark eingeschränkt, erläuterte der BDI-Hauptgeschäftsführer. In den kommenden Wochen rechnen demnach mehrere Industriebranchen in Deutschland mit Engpässen bei Lieferungen aus Fernost, unter anderem Elektro, Automobil, Pharma und Papier.

Ein Sprecher des Bundeswirtschaftsministeriums sagte am Montag, es gebe "keine Planungen" für Bürgschaften oder ähnliche Unterstützungsmaßnahmen für Unternehmen. Aus jetziger Sicht seien die Folgen der Epidemie "beherrschbar".

Dieses Thema im Programm: Über dieses Thema berichtete MDR aktuell am 24. Februar 2020 um 16:06 Uhr.